Rede · 15.11.2000 Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, des Jugendförderungsgesetzes und Weiterentwicklung der Beziehung zwischen Land und Kommunen

In den letzten Tagen haben sich die Ereignisse in der Frage der kommunalen Finanzen und der Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen Land und Kommunen ja wirklich überschlagen. Daher eine Bemerkung vorweg: Die Veranstaltung in Neumünster am letzten Wochenende war eine parteiinterne Veranstaltung der SPD, nicht mehr und nicht weniger. Sieh hat nicht dazu geführt, dass sich alle Probleme in der Beziehung von Land und Kommunen in Luft aufgelöst haben. Deshalb begrüßen wir, dass die Diskussion um die Höhe des finanziellen Eingriffes bei den Kommunen endlich wieder da ist, wo sie hingehört, nämlich im Landtag.

Das gleiche gilt natürlich für die übrigen Vorschläge zum kommunalen Finanzausgleich und zum Jugendförderungsgesetz, die wir heute in erster Lesung debattieren. Es geht dabei auch um den Bericht der Landesregierung zur Beschlussempfehlung des Sonderausschusses, wobei ich wiederholen möchte, was ich schon in der Juli-Sitzung sagte, als es um die Beschlussempfehlung ging: Die genannten Vorschläge sind keine Ergebnisse einer parlamentarischen Beratung. Was ansonsten dazu gesagt wurde, kann in den Protokollen nachgelesen werden.

Die Vorgeschichte wird also niemals zu den Sternstunden des Parlamentes gehören, und es ist mehr als fraglich, ob es mit der Fortsetzung anders wird.

Erst jetzt liegen die Vorschläge von SPD und Bündnis90/Die Grünen dem Landtag vor. Das war höchste Zeit. Schließlich haben wir nur noch knapp 4 Wochen Zeit bis zur Entscheidung über den Haushalt 2001. Angesichts der Konsequenzen, die sich aus den einzelnen Vorschlägen, insbesondere zum Finanzausgleichsgesetz ergeben, ist das nicht viel Zeit.

Der SSW hatte im Vorfeld der November-Steuerschätzung die Landesregierung dazu aufgefordert, mögliche Steuermehreinnahmen dazu zu nutzen, die geplanten Kürzungen im Minderheitenbereich und den finanziellen Eingriff bei den Kommunen zurückzunehmen. Auch im sozialen Bereich sollte die Landesregierung einige ihrer Sparvorschläge überdenken.

Wir begrüßen daher, dass die Ministerpräsidentin am Wochenende den Kommunen ein Stück entgegengekommen ist. Statt der beabsichtigten Kürzung von 100 Mio. DM soll den Kommunen im Endergebnis jetzt 60 Mio. DM pro Jahr aus dem kommunalen Finanzausgleich genommen werden. Wenn man bedenkt, dass auch die Kommunen durch die neue Steuerschätzung 2001 mit zusätzlichen Einnamen von mindestens 25 Mio. DM rechnen können, sieht die Lage nicht mehr ganz so bedrohlich aus.

Dennoch bleibt der SSW bei seiner Aussage, dass die angespannte Haushaltslage der Kommunen in Schleswig-Holstein grundsätzlich keinerlei zusätzliche finanziellen Belastungen durch das Land zulässt. Wir schlagen als alternative Finanzierung weiterhin vor, dass das Land die 57 Mio. DM einsetzt, die durch die Rückkehr zur Verbeamtung junger Lehrer eingespart wird.

Weitaus problematischer sieht der SSW den Vorschlag, dass den Kommunen zur Finanzierung der verbleibenden Haushaltslücke einen „geldwerten" Vorteil in Form einer generellen Öffnung von Standards ermöglicht werden soll. Es mag natürlich Bereiche geben, wo eine Standardöffnung sinnvoll ist. Wir sind aber enttäuscht darüber, dass man bis jetzt - der Gesetzentwurf der FDP zur Standardöffnung liegt bereits seit Anfang Juni vor – sich noch nicht die Mühe gemacht hat, differenzierte Vorschläge zur Öffnung der Standards in einigen ausgewählten Bereichen vorzulegen.

Stattdessen hat das Kabinett gestern beschlossen, dass man durch eine Änderung des Landesverwaltungsgesetzes den Kommunen die Möglichkeiten eröffnen will, von Mindestanforderungen sowie Verfahrensvorgaben abzuweichen, die als Ausführungsbestimmungen eines Gesetzes in Landesverordnungen festgelegt sind. Nun soll das Innenministerium bis zum 5.12.2000 eine Sichtung von fast 1.200 Verordnungen durchführen, damit das Kabinett an diesem Tag eine Beschlussfassung vornehmen kann. Danach soll der Landtag rechtzeitig zur zweiten Lesung des Haushaltsentwurfes 2001 einen Bericht vorgelegt bekommen.

Wir haben erhebliche Zweifel, dass man in so kurzer Zeit eine Überprüfung durchführen kann, die alle Konsequenzen erfasst. Unabhängig von den Ergebnissen dieser Überprüfung wird der SSW an seiner Haltung festhalten, dass es nicht den einzelnen Kommunen überlassen werden darf, welche Standards sie absenken wollen. Zu Ende gedacht, führt die Umsetzung eines solchen Gesetzentwurfes dazu, dass sich das Land als Gesetzgeber aus wesentlichen Bereichen der Gesellschaft herauszieht. Daher lehnt der SSW die Vorgehensweise der Landesregierung in dieser Frage ab.

Der SSW unterstützt insbesondere die Forderung der Wohlfahrtsverbände und der Grünen, dass es keine Freigabe der Kindergartenstandards geben darf. Wir hoffen, dass die Grünen in dieser Frage hart bleiben.

Selbstverständlich ist auch der SSW für eine Stärkung der Eigenverantwortung der Kommunen. Wir können zum Beispiel eine ganze Reihe der gestern vom Kabinett beschlossenen Aufgabenverlagerungen vom Land auf die kommunale Ebene unterstützen. So erscheinen die 22 Deregulierungsvorschläge, die die Landesregierung im Rahmen der Funktionalreform beschlossen hat, auf den ersten Blick durchdacht und sinnvoll.

Nur, wenn man diese Stärkung der Eigenverantwortung mit einer Schwächung der Finanzkraft verbindet, erreicht man leider insgesamt keine Stärkung der kommunalen Ebene. Im Gegenteil, man höhlt das gesamte kommunale System weiter aus. Wer durch Deregulierung und Standardöffnung eine Stärkung der Kommunen erreichen will, muss auch dafür sorgen, dass sie über ausreichende Finanzkraft verfügen. Das ist leider in einer ganzen Reihe von kreisfreien Städten, Landkreisen und Gemeinden weiterhin nicht der Fall. Der geplante Eingriff des Landes wird diesen negativen Trend - trotz einer Minderung des 100 Mio. Betrages – weiter verstärken.

In diesem Zusammenhang ist auch die vorgeschlagene Änderung des interkommunalen Finanzausgleiches eher kontraproduktiv, denn sie trifft gerade die finanzschwachen Landkreise und kreisfreien Städte und vergrößert so den Unterschied in der Finanzkraft innerhalb der kommunalen Familie.

Es mag sein, dass sich einzelne Kreise im Hamburger Randgebiet im jetzigen kommunalen Finanzausgleich der Kreise benachteiligt sehen. Der Vorschlag von SPD und Bündnis90/Die Grünen führt nach Angaben der Landesregierung aber dazu, dass die Kreise und die kreisfreie Stadt Flensburg im strukturschwachen Landesteil Schleswig fast 1 Mio. DM im interkommunalen Finanzausgleich verlieren, während die Kreise im wirtschaftsstarken Hamburger Randgebiet über 3 Mio. DM mehr bekommen.

Die Forderung der Kreise aus dem Hamburger Randgebiet kann man durchaus gleichsetzen mit den Forderungen, die die Ministerpräsidenten Stoiber, Koch und Teufel auf Bundesebene zum Bundesfinanzausgleich erheben. Denn obwohl die Kreise rund um Hamburg über die absolut höchste Wirtschaftskraft und die niedrigsten Arbeitslosenzahlen verfügen und auch im Vergleich zu den übrigen Kreisen finanziell sehr gut dastehen, wollen sie weniger zur Solidarität mit den finanzschwachen Kreisen und kreisfreien Städten beitragen.

Das mag aus Sicht der betroffenen legitim und berechtigt sein. Was uns aber verwundert ist, dass die Mehrheitsfraktionen des Landtages bereit sind diesem Anliegen zu folgen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf den Bericht der Landesregierung zur Situation der Kommunalen Finanzen vom Frühjahr hinweisen, wo sehr deutlich wurde, dass beispielsweise die Landkreise Nordfriesland, Ostholstein und Schleswig-Flensburg mit erheblichen finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Für die kreisfreie Stadt Flensburg gilt ähnliches.

Und jetzt will man den Finanzausgleich in umgekehrter Robin-Hood-Art ändern. Die Reichen sollen also noch reicher werden. Dies ist eigentlich eine Politik, die die regierungstragenden Fraktionen auf Bundesebene immer abgelehnt und bekämpft haben. Gleichzeitig versucht man ja gerade diese Regionen - beispielsweise durch die Mittel im Regionalprogramm 2000 - zu unterstützen. Man gibt also mit der einen Hand und nimmt mit der andere.

Das kann also kein ernstgemeinter Vorschlag der Mehrheitsfraktionen sein. Dadurch würde die Anpassung der Lebensverhältnisse zwischen dem Norden Schleswig-Holsteins und dem Hamburger Randgebiet noch weiter auseinander klaffen. Dies widerspricht auch den klaren Zielsetzungen der Landesregierung, die Entwicklung des nördlichen Landesteils zu unterstützen und voranzubringen.

Nach unseren Informationen könnten die Probleme der Kreise im Hamburger Randgebiet auch dadurch gelöst werden, dass sie eine Erhöhung der Kreisumlage vornehmen. Zu diesem Mittel haben die nördlichen Kreise – leider – schon lange greifen müssen, um ihre Haushalte zu finanzieren. Es ist nicht einzusehen, warum dieses nicht auch von anderen Kreisen so vorgenommen werden kann.

Durch die vorgeschlagene Möglichkeit einer differenzierten Kreisumlage werden darüber hinaus Streitigkeiten um die Finanzen auf die kommunale Familie abgewälzt. Auch hier hat der SSW Bedenken. Die kommunalen Landesverbände lehnen die Vorschläge des Gesetzentwurfes zur differenzierten Kreisumlage ab. Aus guten Gründen. Man kann sich die Schlammschlacht, die womöglich innerhalb der Kreise ausbrechen wird, durchaus vorstellen. Dies kann nicht das Ziel der Landesregierung sein.

So richtig es ist, steuerstarke Gemeinde stärker finanziell am Gemeinwesen zu belasten, so schwierig wird der vorgeschlagene Weg. Wir meinen, dass die Kreise lieber verstärkt das Instrument der Förderrichtlinien benutzen sollen, um finanzschwache Gemeinden zu stärken und zwar dadurch, dass finanzstarke Gemeinden bei der Förderung eben weniger berücksichtigt werden.

Wie gesagt lehnt der SSW nicht alle Vorschläge dieses Gesetzentwurfes ab. Beispielsweise können wir insbesondere, die vorgeschlagene Änderung bei den Jugendhilfekosten unterstützen.

Es erscheint sinnvoll, dass die Jugendhilfeausgaben in Zukunft über den kommunalen Finanzausgleich geregelt werden und nicht mehr über den Haushalt des Jugendministeriums. So würde die Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung im Bereich der Jugendhilfeausgaben zusammen geführt werden.

Wichtig ist dabei aber, dass das bisherige Verteilungsverfahren an die Kreise und kreisfreien Städte gemäß Jugendhilfefinanzierungsbeteiligungsverordnung beibehalten wird. So, dass bei der Verteilung der Mittel weiterhin die Bevölkerungsstruktur, die Sozialstruktur und die Höhe der Aufwendungen in der Jugendhilfe zu berücksichtigen sind. Auch muss ein Mitwachsen des FAG-Ansatzes mindestens im Umfang der bisherige Dynamisierungsregelung im Jugendförderungsgesetz gewährleistet werden.

Auch den vorgeschlagenen Änderungen des Kommunalen Investitionsfond (KIF) steht der SSW positiv gegenüber. Nachdem der Vorschlag, jeweils 50 Mio. DM vier Jahre lang aus dem KIF zu entnehmen und für investive Maßnahmen der Kommunen zu nutzen, sicherlich aus verständlichen Gründen keine Unterstützung der kommunalen Landesverbände gefunden hatte, erscheint das jetzt gefundene Finanzierungsmodell zum Abbau des Sanierungsstaus bei den Schulen vielversprechender.

Aus dem Bericht geht hervor, dass dieser Vorschlag - der durch Vorfinanzierung des KIF ein Investitionsschub bei den kommunalen Schulträgern ermöglicht würde, der den akuten Stau bei Sanierungen und Neubauten im Schulbau abbauen könnte – ohne eine Änderung des FAG umsetzbar ist. Nur die Richtlinien des KIF müssten geändert werden.

Die beiden konkreten Vorschläge zum KIF, die im Gesetzentwurf beinhaltet sind, finden vorbehaltlich einer intensiven Ausschussberatung, die Zustimmung des SSW. So erscheint es sinnvoll, zur Verbesserung der Einsatzmöglichkeiten der KIF-Mittel auch künftig Zuschüsse bis zur Höhe des jährlichen Überschusses für besondere Förderungsschwerpunkte gewähren zu können. Auch, dass die von Gemeinden gegründeten Wasser- und Bodenverbände in Zukunft Darlehen und Zuschüsse aus dem Kommunalen Investitionsfond erhalten können, erscheint uns unproblematisch.

Wir stimmen also der Ausschussüberweisung dieses Gesetzentwurf zu.

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