Rede · 27.04.2022 Alle Menschen überall im Land müssen Zugang zu hausärztlicher Versorgung in ihrer Nähe haben

Wir stehen in Schleswig-Holstein vor der Herausforderung, dass Versorgungssicherheit nicht überall gleichermaßen gegeben ist. Insbesondere im ländlichen Raum ist der Weg zum Arzt, erst Recht zum Facharzt, aber auch in die Klinik, weit.

Christian Dirschauer zu TOP 14 und 17 - Gesundheitsberufe brauchen Freiheit – Einrichtungsbezogene Impfpflicht zurücknehmen,
Sektorenverbindende medizinische und pflegerische Versorgung in Schleswig-Holstein für die Zukunft sichern – Versorgungssicherungs-fonds als landesspezifisches Innovations- und Erfolgsmodell ausbauen (Drs. 19/3804, Drs. 19/3808)

In den letzten Wochen sind wir, was die Corona-Maßnahmen angeht, in fast allen Bereichen zur Normalität zurückgekehrt. Und das ist gut so. Das heißt aber nicht, dass die Pandemie vorbei ist. Vor allem in den Kliniken sehen wir aktuell eine hohe Belastung. Dort ist man vielerorts noch weit vom Normalbetrieb entfernt. Das ist überwiegend nicht den schwer kranken Corona-Patienten geschuldet, hier sehen wir einen großen Unterschied zum Frühjahr 2020. Die Impfung wirkt, das können wir festhalten. 
Aber durch die vielen Corona-Fälle in der Bevölkerung fällt eben auch viel Klinikpersonal aus, so dass die ohnehin dünne Personaldecke noch dünner geworden ist. 
Viele Häuser verschieben nun planbare Eingriffe, weil nicht mehr ausreichend Personal da ist. Können wir hier Abhilfe schaffen, indem wir die einrichtungsbezogene Impfpflicht abschaffen? Wo doch geschätzt 98% der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen geimpft sind? 
An dieser Stelle von mir ein ganz klares Nein, das können wir nicht. 
Auch wenn es vermehrt Impfdurchbrüche gibt, so ist doch nachgewiesen, dass geimpfte Menschen kürzere Zeit infektiös sind und wohl auch seltener andere anstecken. 
Und auch wenn die meisten Menschen mittlerweile geimpft sind und nur leicht erkranken, so ist es doch unsere Aufgabe, diejenigen, die das größte Risiko haben, schwer zu erkranken, also die Betagten und die Vorerkrankten, mit angemessenen Mitteln zu schützen. 

Und genau darauf zielt die einrichtungsbezogene Impfpflicht ab: die vulnerablen Gruppen dort schützen, wo sie dem höchsten Risiko ausgesetzt sind. Und das ist in Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gegen Corona ist ja auch nicht die erste ihrer Art. Es gibt auch eine einrichtungsbezogene Masernimpfpflicht. 
Auch dort sind vor allem Mitarbeitende von der Impfpflicht betroffen, bei denen die Personalknappheit ohnehin groß ist. Und trotzdem setzen wir die Impfpflicht nicht aus, um Personalengpässe zu vermeiden. Nein, sie hat ihre Berechtigung, um diejenigen zu schützen, die selbst noch nicht geschützt sind. 
Es stehen sichere Impfstoffe verschiedener Art für die Corona-Impfung zur Verfügung, so dass alle sich mit dem Impfstoff impfen lassen können, der Ihnen am liebsten ist. Aber das Recht der vulnerablen Gruppen auf Gesundheit kann und darf nicht gegen das Recht einiger weniger Pflegender aufs Nicht-Impfen ausgespielt werden. 

Die Versorgungssicherheit der Menschen bringt mich zum Thema sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung. Wir stehen in Schleswig-Holstein vor der Herausforderung, dass Versorgungssicherheit nicht überall gleichermaßen gegeben ist. Insbesondere im ländlichen Raum ist der Weg zum Arzt, erst Recht zum Facharzt, aber auch in die Klinik, weit. Es kann nicht in unserem Sinne sein, dass Menschen ihre Heimat auf Inseln und Halligen oder an der dünn besiedelten Westküste verlassen müssen, weil der Weg zur Gesundheitsversorgung zu weit geworden ist. Fachleute sagen schon lange, dass der in Schleswig-Holstein beschrittene Weg zu einer sektorenverbindenden medizinischen Versorgung der richtige ist. Dieser Weg muss konsequent weiter gegangen werden. Ambulante und stationäre Versorgungsangebote müssen konsequent zusammen betrachtet werden, nur durch eine integrierte Planung können hier Synergien gehoben werden. Wichtig ist dabei auch eine möglichst weitgehende Anpassung der Vergütung ambulanter Leistungen. Es darf nicht die Höhe der Vergütung darüber entscheiden, wie und wo Patienten behandelt werden.
Der Versorgungssicherungsfonds hat sich als geeignetes Instrument erwiesen, um innovative Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung umzusetzen. Nun müssen diese, wo sie sich bewährt haben, in die Regelversorgung integriert werden. Aber, auch wenn neue Technologien und innovative Lösungen einen Teil der bestehenden Probleme lösen, so muss auch in Zukunft sichergestellt sein, dass alle Menschen überall im Land Zugang zu hausärztlicher Versorgung in ihrer Nähe haben. Für eine solche zukunftsfähige verbundene Versorgungslandschaft, in der zum Besten der Patienten kooperiert wird, setzen wir als SSW uns gern ein.

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