Rede · 14.12.2011 Armuts- und Reichtumsberichterstattung

Armut ist hier in Schleswig-Holstein nicht erst seit gestern ein ernstes Problem. Egal ob Kinder- oder Altersarmut: Wir versuchen seit Jahren, diese Probleme in den Griff zu bekommen. Doch leider ist es uns bis heute nicht gelungen. Aktuelle Studien zur Verschuldung der Bürgerinnen und Bürger im Land belegen sogar, dass die Zahl der Menschen, die ihre Rechnungen nicht mehr zahlen können und ihre Kredite nicht mehr tilgen können, weiter wächst. Uns allen ist sicher bewusst, dass Teile unserer Gesellschaft von Armut bedroht sind. Dass sich dieses Problem aber trotz wirtschaftlicher Erholung verschärft, ist aus Sicht des SSW beschämend.

Auch wenn der vorliegende Bericht der Landesregierung leider nicht das ganze Ausmaß des Problems in unserer Region zeigt, sind auch die hier vorgelegten Zahlen schlicht und einfach erschreckend: Nach wie vor sind über 50 Prozent der Erwerbslosen und deutlich über 40 Prozent der Alleinerziehenden in Schleswig-Holstein armutsgefährdet. Die so genannte „Armutsrisikoquote“ – gemessen am Durchschnittseinkommen – liegt bei 15,9 Prozent. Damit liegen wir im Ländervergleich nur knapp vor den Schlusslichtern Hamburg und Bremen.

Statistiken sind ganz sicher nicht immer gleich aussagekräftig und in manchen Fällen führen sie sogar in die Irre. Doch diese Zahlen zeigen, dass das Risiko, in unserer Wohlstandsgesellschaft zu verarmen und dauerhaft arm zu bleiben, auch heute noch viel zu hoch ist. Vor diesem Hintergrund habe ich große Zweifel an der Behauptung, dass die Sozialpolitik in Schleswig-Holstein für einen gut funktionierenden Sozialstaat steht und den Hilfebedürftigen ein verlässlicher Partner ist. Aus Sicht des SSW muss viel mehr passieren, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Leider wird damit in naher Zukunft wohl kaum zu rechnen sein. Denn schon in der Einleitung des Berichts heißt es: „Die Umsetzung der Maßnahmen (zur Armutsbekämpfung) erfolgt im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel und unter Beachtung der Erfordernisse der Haushaltskonsolidierung.“ Nach dieser Logik kann die Landesregierung also gleich die Hände in den Schoß legen. Dies können wir nicht akzeptieren.

Armut hat bekanntlich viele verschiedene Ursachen: Das größte Risiko hier im Land haben Arbeitslose und Alleinerziehende. Ein geringes Bildungsniveau, ein Migrationshintergrund oder einfach nur das Älterwerden sind wesentliche Ursachen für Armut. All diese Faktoren sind schon seit vielen Jahren bekannt – und trotzdem kommen wir hier ganz offensichtlich nicht voran. Ich möchte noch einmal deutlich sagen: Ein Armutsbericht alle 10 Jahre ist zu wenig. Wir brauchen regelmäßig aktualisierte Daten, um dieses Problem gezielt angehen zu können. Ich denke, mittlerweile muss allen klar sein, dass hier endlich gehandelt werden muss. Doch egal ob es um frühkindliche Bildung, Wirtschaftsförderung, Arbeitsmarktpolitik oder die Förderung von Frauen geht: Viele der bewährten Maßnahmen in diesen Bereichen sind Opfer der Sparmaßnahmen von Schwarz-Gelb.

Neben den Zahlen zur Armutssituation sagt der Bericht auch etwas zur Verteilung von Reichtum im Land. Zwar hat die Zahl derjenigen, die Einkünfte von über einer Million Euro im Jahr haben, leicht abgenommen. Aber auch der allgemeine bundesweite Trend, nach dem es immer mehr Arme gibt während die Wohlhabenden immer mehr verdienen, setzt sich fort. Aus unserer Sicht kommen wir mittel- bis langfristig nicht daran vorbei, große Vermögen und hohe Einkommen stärker zu besteuern als bisher. Und der Zustand, dass Menschen hier im Land arm trotz Arbeit sind, muss endlich durch einen flächendeckenden Mindestlohn beendet werden. Klar ist, dass es nicht ausreicht, auf die Almosen von reichen Mitbürgern zu hoffen.

Wir alle wissen, dass wir bei der Bekämpfung von Armut nur weiterkommen, wenn der Bund dabei eine wichtige Rolle spielt. Es gibt aber auch keinen Zweifel daran, dass wichtige Handlungsfelder in der Zuständigkeit des Landes liegen: Wir sehen die Regierung vor allem in der Pflicht, wenn es um Chancengleichheit im Bildungssystem geht. Auch im Bereich der arbeitsmarktpolitischen Leistungen gibt es Spielräume, die das Land nutzen muss. Wir müssen uns zum Beispiel stärker um die Gruppe der Langzeitarbeitslosen bemühen und dafür sorgen, dass wirklich alle Menschen gleiche Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt haben. Beides muss zum Kern einer Strategie gegen Armut und soziale Ausgrenzung gehören.

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