Rede · 24.01.1997 Ausländerrecht

In Verbindung mit dem Politikverständnis Jugendlicher wird wiederholt von Experten betont, daß junge Menschen Politik ganzheitlich verstanden wissen wollen und nicht nur als rationales Aushandeln von Interessen. Die Frage hier und heute ist, ob wir eine solche Politik machen wollen. Ob wir die Erfüllung von Rechtsnormen bis auf das letzte Komma am höchsten setzen, oder ob wir menschliche Politik für Menschen machen wollen.

Ich glaube, daß es einem demokratischen Rechtsstaat gut zu Gesicht steht, wenn er auch einmal aus humanitären Gründen Ausnahmen von starren Regeln macht. Gesetze sind immer allgemein abgefaßt. Aus guten Gründen können sie nicht jeden Einzelfall berücksichtigen. Es gibt deshalb aber auch immer Menschen, denen durch rechtlich korrekte Behandlung großes Unrecht widerfährt. Es ist die Aufgabe der zur Gesetzgebung gewählten Menschen, solche Fallgruben in der Gesetzgebung aufzudecken und zuzuschütten, damit nicht jemand unbeabsichtigt hineinfällt; und es ist die Aufgabe der Verwaltung, die ihnen gegeben Ermessensspielräume großzügig zu nutzen, wenn es um eine so grundlegende Sache wie das Aufenthaltsrecht von Menschen geht.

Sicher, man kann immer sagen, daß die überlebenden Opfer der Lübecker Brandkatastrophe unter die Asylgesetze der Bundesrepublik fallen und somit keine juristische Berechtigung haben, in Deutschland zu bleiben. Das wäre juristisch korrekt. Aber wäre es auch human? Das Rechtsbewußtsein vieler Menschen ist verletzt, wenn ideologisch verbohrte Politiker und Verwaltungen auf Paragraphen angeritten kommen, um diese Menschen des Landes zu verweisen. Sie erwarten zu recht, daß ein moderner Rechtsstaat auch flexibel auf Einzelfälle reagieren kann, um unmenschliche Folgen abzuwenden.

Die Schülerinnen und Schüler und andere Lübecker, die vergangene Woche ihre Solidarität mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Asylunterkunft in der Hafenstraße bekundet haben, haben sich eben aus einem ganzheitlichen Politikverständnis heraus für das Bleiberecht der überlebenden Brandopfer eingesetzt. Sie interessiert in erster Linie, wie der Staat mit so schwer geschlagenen Menschen umgeht, und nicht, was die Gesetze für einen Durchschnittsausländer vorsehen.

Eben aus solchen Erwägungen heraus hat die Mehrheit des Schleswig-Holsteinischen Landtages auch der Einrichtung einer Härtefallkommission zugestimmt, und in diesem Sinne sollen ebenso die Bürgerbeauftragte und der Eingabenausschuß des Landtages tätig werden.

Die Arbeit der Härtefallkommission hat bereits bewiesen, daß ein solches Gremium helfen kann. Ihm sind aber weitgehend die Hände gebunden, wenn die Bundesgesetzgebung keine Ermessenspielräume für Ausnahmen im Einzelfall offenläßt. Es ist an uns, die wir eine solche Gesetzgebung ablehnen, immer wieder auf die unmenschlichen Aspekte der eisernen Bonner Asylgesetzgebung aufmerksam zu machen - sowohl als Landtag als auch innerhalb der Parteien.

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