Rede · 17.12.2004 Bahnverbindung Kiel – Hamburg

Meine Vorredner haben es ja schon erwähnt. Es wirkt sehr merkwürdig, wenn man sich untereinander verständigt, das Thema Bahnstrecke Kiel-Hamburg gemeinsam auf die Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses zu setzen und man dann kurz darauf einen Schnellschuss-Antrag der FDP vorgelegt bekommt, ohne dass das Thema überhaupt erst einmal von allen Seiten beleuchtet worden ist. Ich glaube so ein Schnellschuss-Antrag schadet der Sache eher, als dass er ihr dient.

Eine direkte Verbindung von Kiel - aber auch von Flensburg und Neumünster aus - nach Hamburg-Fuhlsbüttel und zum Hamburger Hauptbahnhof ist schon ein alter Wunsch der Landespolitik. Aber dieser Wunsch wurde noch nie so konkret ausformuliert, wie vor kurzem, als uns das Konzept „Schienenflieger“ vorgelegt wurde. Hiernach soll die Strecke von südlich Neumünster nicht mehr über den Engpass Pinneberg-Elmshorn nach Süden geführt werden, sondern über die AKN-Achse Neumünster-Bad Bramstedt-Kaltenkirchen weiter nach Hamburg-Fuhlsbüttel und zum Hauptbahnhof laufen.

Hintergrund ist, dass zwar viele Pendler von der Westküste die Züge von und nach Hamburg nutzen und dass auch aus dem Lübecker Raum heraus die Pendelzüge nach Hamburg sehr gut genutzt werden, aber man auf der Nord-Süd-Achse kaum Pendelverkehre auf die Bahn bringen konnte. Deshalb sollen hier Züge durchgebunden werden und eine neue Strecke von Quickborn nach Fuhlsbüttel und weiter zum Hauptbahnhof gebaut werden. Im direkten Umfeld der neuen Strecke leben zwischen Neumünster und Hamburg rund 250.000 Menschen, von denen bisher nur ein verschwindend geringer Anteil aufgrund der schlechten Bahnanbindung diese Strecke nutzt. Sieht man weiter nach Norden Richtung Flensburg und Kiel, so findet man weiteres Potential für diese Strecke. Mehr als 400.000 Menschen leben in diesen Einzugsbereichen. Es besteht also die realistische Chance hier wesentlich mehr Pendler aus diesen Regionen auf die Schiene zu bekommen und so den Straßenverkehr zu entlasten.

Natürlich kann man dieses Projekt nicht betrachten, ohne die Ausbaupläne für den Kieler Flughafen anzusehen. Innerhalb von knapp einer Stunde kann man von Kiel aus den zweitgrößten Flughafen Deutschlands mit all seinen internationalen Verbindungen erreichen. Das ist eine Fahrtzeit, wie sie durchaus noch annehmbar ist. Ohnehin fliegen schon 98 % aller Schleswig-Holsteiner ab Fuhlsbüttel. Auf alle anderen Flughäfen inklusive Kiel-Holtenau verteilen sich die restlichen 2 %. Damit wird deutlich, dass Fuhlsbüttel mit Sicherheit auch die restlichen Geschäftsflieger aus Kiel mit bedienen kann. Es gibt also allen Grund, den „Schienenflieger“, wie ihn Pro Bahn vorgestellt hat, als ernsthafte Alternative für den Pendlerverkehr und für die Flug-Geschäftsreisenden zu betrachten.

Kommen wir nun aber zu den Kosten, denn diese sind erheblich. Die günstigste Variante wird uns und die Hamburger 130 Millionen Euro kosten, wovon wir mit Sicherheit die Hauptlast zu tragen hätten. Aber trotzdem: Bedenkt man, dass sich die 50-Millionen-Investition Kiel-Holtenau gerade einmal vielleicht auf 50 bis 100.000 Reisende im Jahr beziehen wird und diese Zahlen wohl eher noch zu gut gemeint sind, so wird die neue Bahnverbindung vielleicht doch noch interessanter. Pro Bahn schätzt das Potential dieser neuen Strecke auf 6 Millionen Menschen jährlich. Also auf ein Vielfaches dessen.

Hauptargument, um eine Finanzierung auf die Beine stellen zu können ist, dass man die Beseitigung des Engpasses Pinneberg-Elmshorm sparen könnte, wenn man den Verkehr über die neue Strecke leitet. Das alleine würde schon ein mögliches Einsparpotential von rund 130 Millionen Euro bedeuten, die man dann vielleicht in die neue Strecke investieren könnte. Weiter besteht möglicherweise in der Umwidmung der Strecke die Möglichkeit dann Mittel aus dem Bundesverkehrswegeplan erhalten zu können. Allerdings, ob wir so einfach Mittel im Bundesverkehrswegeplan umschichten können, ist höchst unsicher. Diese Fragen müssen aber untersucht werden, mit dem Ziel das Projekt umzusetzen. Ich glaube, dieses Projekt wäre sinnvoller für das Land als Flughäfen in Holtenau oder Kaltenkirchen oder auch eine Fehmarn-Belt-Querung.

Was die Finanzierung des Betriebes der Strecke angeht, so bestünde die Möglichkeit die heutigen Verkehre von Flensburg und den Regional-Express von Kiel aus über diese neue Strecke laufen zu lassen. So müssten dann kaum neue Zugverkehre bestellt werden und trotzdem wäre ein guter Taktverkehr dort möglich.

Alles in allem handelt es sich bei dem „Schienenflieger“ um ein gutes Konzept, das es lohnt, sich näher anzusehen. Auch die Finanzfragen scheinen nicht unüberwindbar. Deshalb sollten wir das Projekt unvoreingenommen prüfen und uns auch mit den Hamburgern in Verbindung setzen, um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Für einen Antrag hierzu ist es allerdings immer noch zu früh, deshalb sollten wir den Antrag in den Wirtschaftsausschuss überweisen und uns dann wieder anhand unserer gemeinsamen Initiative im Ausschuss an das Projekt heranmachen.

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