Rede · 19.02.2015 Bericht zur Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein

„Wohnraum schaffen für junge Erwachsene ist keine Einbahnstraße“

Wohnraumförderung ist eine zentrale Aufgabe des Sozialstaates: Dabei geht es zum einen um die Stärkung der Mietzahlungsfähigkeit, also um das Wohngeld. Zum anderen geht es um die soziale Wohnraumförderung, also die Unterstützung von Wohnungsbau durch den Staat, ohne dabei den bestehenden Wohnungsmarkt zu stören. Daneben muss eine nachhaltige Wohnungsbauförderung das Wohnquartier und deren Akteure und, last but not least, die Nachfrageseite berücksichtigen; schließlich sind unter anderem behindertengerechte bzw. seniorengerechte Wohnungen in Schleswig-Holstein unterrepräsentiert. Wohnraumförderung ist also gleichzeitig ein zentrales, aber eben auch ein extrem vielschichtiges Instrument. Darum sollte das Parlament immer auf Augenhöhe sein, was die aktuelle Entwicklung betrifft. Wir sollten uns vormerken, dass wir auch die Evaluierung, die die Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein zwingend vorsieht, hier im Landtag diskutieren.

Zum aktuellen Programm der Wohnraumförderung liegt der Förderbericht vor. Die Zahlen lassen nur einen Schluss zu: Die Regierung hat die Zeichen der Zeit erkannt und mit erheblichen Anstrengungen den Bau von Wohnungen und Eigenheimen gefördert. Da die Mieten vor allem im Hamburger Umland immer weiter in die Höhe klettern, war es gut, hier einen regionalen Schwerpunkt zu setzen. Aber auch im Norden sind Mittel eingesetzt worden. Ich schaue natürlich immer auf die Zahlen für die Inseln. Ich bin davon überzeugt, dass die 144 neuen Einheiten auf der Insel Sylt den Weg frei machen, dass unter anderem Lehrer, Krankenschwestern und Polizisten auf der Insel wohnen können bzw. wohnen bleiben können. Dauerwohnen auf der Insel geriet in den letzten Jahren unter den konservativen Landesregierungen ein wenig unter die Räder. Gut, dass hier eine Kehrtwende eingeleitet worden ist; vor allem dem sozialen Leben auf der Insel tut das gut.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf den bildungspolitischen Effekt der Wohnungsbauförderung eingehen. Die Abiturrate in der Dänischen Minderheit geht unter anderem zurück auf das Internatsangebot des dänischen Gymnasiums in Flensburg sowie angemietete Wohnungen in Schleswig. Gerade Schülerinnen und Schüler von den Inseln, aber auch vom nordfriesischen Festland nutzen diese Angebote. Für die Eltern ist dieses Angebot eine spürbare Entlastung und gewährt ihnen die Sicherheit, dass ihre Kinder vernünftig untergebracht werden. Ohne Internat wäre für Viele aus der dänischen und friesischen Minderheit kein Abitur möglich. Diese Anstrengungen des Dänischen Schulvereins möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich erwähnen. Wohnungsangebote sind eben Bestandteil der Bildungspolitik in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein, wo Heimat- und Ausbildungsort traditionell weit auseinander liegen. Das gilt im besonderen Maß für den Landesteil Schleswig. Die hohe Pendlerrate ist ein eindeutiger Beleg für diese Tatsache. Wenn sich Fahrtzeiten auf mehrere Stunden am Tag aufsummieren, ist ein Umzug einfach die bessere Alternative.

Flensburgs große Wohnungsbaugenossenschaft, der Selbsthilfebauverein SBV, hat das erkannt. Seit wenigen Monaten gibt es in der Nähe des Bahnhofs einen Neubau mit Einzimmerapartments für Studenten und Berufsschüler. Ausdrücklich geht es in dem Neubau nicht nur um die Bereitstellung kleiner Wohnungen, sondern um eine neue Form jungen Wohnens, die mit Gemeinschaftsräumen so etwas wie ein WG-Feeling entstehen lässt. Also keine Studentenschließfächer, sondern ausdrücklich solidarisches Wohnen mit gemeinsamem Frühstück und Festen. Bereits beim Umzugswochenende ging das neue Konzept auf: Die neue Hausgemeinschaft organisierte reibungslos alle 72 Umzüge. Seit November wohnen dort auch Berufsschüler. Flensburg wurde damit als Bildungsstadt weiter gestärkt. Berufsschüler haben nämlich auf dem Markt auch an der Westküste gegen die zunehmende Zahl der Ferienwohnungs-Vermieter die schlechtesten Chancen. Schülerinnen und Schüler aus dem ländlichen Raum suchen kleine, bezahlbare Wohnungen in der Nähe zu einer der Berufsschulen. Hier muss die Politik tätig werden – und genau das tut sie auch.

Ich begrüße es, dass die Landesregierung die bildungspolitische Komponente in der Wohnraumförderung stärker berücksichtigt als das in der Vergangenheit der Fall war. Im Förderbericht des Innenministers ist ausdrücklich die steigende Zuwanderung in die großen Städte zu den Ausbildungs- und Studienorten eine hohe Priorität eingeräumt worden. Bedauerlicherweise stehen im realen Fördergeschehen Berufsschüler und Auszubildende im Schatten der Studierenden. Die Entwicklung sollten wir im Auge behalten. Schließlich ist ein gutes Wohnraumangebot für diese jungen Erwachsenen dringend notwendig. Die entsprechenden Wohnungen in Flensburg waren jedenfalls im Handumdrehen vermietet.

Langfristig ist die Förderung in diesem Bereich keine Einbahnstraße. Angesichts der demografischen Entwicklung liegt die Nachnutzung dieser Wohnungsmodelle auf der Hand: Schließlich wächst die Zahl alleinstehender Senioren. Sie könnten eines Tages Mieter in den Wohnungen der Berufsschüler und Studenten sein.

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