Rede · 29.10.2021 Die Fischerei in SH muss die EU-Fischsuppe auslöffeln

"Unsere Fischerinnen und Fischer haben sich Jahr für Jahr an die Fangquoten gehalten. Im Glauben daran, dass die Quotenregelung auf eine nachhaltige Fischerei ausgelegt ist und die Bestände entsprechend schützt. Jetzt sind sie es, die für diese Fehlentscheidungen büßen müssen."

Lars Harms zu TOP 28+ 32 - Maritime Tradition Schleswig-Holsteins bewahren – Strukturwandel in der Ostseefischerei aktiv mitgestalten und Bericht zu der Situation der Dorschbestände in der Ostsee Drs. 19/3356 + 19/3362

Die Fischerei gehört zu Schleswig-Holstein wie unsere Küsten und sie hat lange Tradition bei uns im Land wie kaum ein anderes Handwerk. Beispielhaft möchte ich hier den Heringszaun in Kappeln nennen, der ein mittelalterliches Zeugnis unserer Fischerei ist. Die Fischerei ist kulturprägend für Schleswig-Holstein und mittlerweile haben sich die Fischerei und ihre Häfen zu einem wichtigen touristischen Faktor entwickelt. Nicht nur für die Menschen in Schleswig-Holstein sondern auch für unsere Touristen ist es ein Erlebnis, in einem Hafen den frisch angelandeten Fisch oder die Krabben direkt vom Kutter zu kaufen. Auch diese Beispiele machen den Stellenwert deutlich, den die Fischerei bei uns im Land hat. 
Auf der anderen Seite erleben die Fischerinnen und Fischer, dass sie nicht mehr allein auf den Meeren unterwegs sind. Die Anzahl der unterschiedlichsten Nutzungen fordern ihren Tribut von der Fischerei. Eine Vielzahl von Fanggründen für die Küstenfischerei sind über die Jahre verlorengegangen. Sie mussten dort weichen, wo Stromkabel oder Gaspipelines am Meeresgrund verlegt wurden, Übungsgebiete für Marine geschaffen wurden oder Offshore-Windparks errichtet wurden, alle diese Gebiete stehen für die Küstenfischerei nicht mehr zur Verfügung. Aber damit haben sie sich – wohl oder übel – arrangiert.
Diese Einschränkungen beziehen sich auf die Fanggründe. Ausschlaggebender für ihre wirtschaftliche Existenz sind heute aber die Fangquoten. Und damit sind wir bei einem Thema, das die Fischerei nicht erst seit den letzten Jahren beschäftigt. Die Festlegung der Fangquoten ist europäische Fischereipolitik. Dazu haben wir immer wieder Debatten hier im Landtag gehabt, weil natürlich auch unsere Fischerinnen und Fischer davon betroffen waren und immer noch sind.
Die Fangquoten sind das Instrument, um Raubbau und der Überfischung entgegenzuwirken und um den Fischbestand auf einem gesunden und nachhaltigen Level zu halten. Soweit ist das nachvollziehbar und richtig. Aber nicht erst heute stellen wir fest, dass dieses Instrument sein Ziel verfehlt hat. Bereits für dieses Jahr wurden drastische Kürzungen – mit rund 60% – für den westlichen Dorsch und Hering ausgesprochen. Und jeder Freizeitfischer darf maximal fünf Dorsche pro Tag fangen und in der Schonzeit nur zwei. Und ob das für die Fischerei nicht schon genug war, sind die Fangquoten für Dorsch und Hering für das nächste Jahr noch drastischer ausgefallen. Die gezielte Fischerei auf Dorsch und Hering wird demnach faktisch verboten und nur noch eine geringe Menge ist über den Beifang erlaubt. Auch Freizeitfischer dürfen dann außerhalb der Schonzeit nur noch einen Dorsch pro Tag fangen. Das, was ab nächstem Jahr erlaubt sein wird, stellt eine existentielle Bedrohung für unsere Fischerinnen und Fische und für ihre Familien dar. Das ist eine in der Form noch nie dagewesene Krise.
Natürlich fallen die jährlichen Fangquoten nicht vom Himmel. Sie sind das Ergebnis des EU-Fischereirats, der den Empfehlungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des internationalen Rats für Meeresforschung und der EU-Kommission gefolgt ist. Die Dorsch- und Heringsbestände in der Ostsee werden seit langem reduziert und sind stark gefährdet. So dass jetzt nur drastische Maßnahmen helfen, damit die Bestände wieder anwachsen können. 
Aber ich sage ganz deutlich; das Problem, vor dem wir jetzt stehen, ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen falsch gelenkten EU-Fischereipolitik. Unsere Fischerinnen und Fischer haben sich Jahr für Jahr an die Fangquoten gehalten. Im Glauben daran, dass die Quotenregelung auf eine nachhaltige Fischerei ausgelegt ist und die Bestände entsprechend schützt. Jetzt sind sie es, die für diese Fehlentscheidungen büßen müssen. Das kann ihnen doch niemand erklären. 
Daher fordern wir als SSW, dass der Bund und gerade die EU ihrer Verantwortung für eine verfehlte Fischereipolitik gerecht werden müssen. Sie müssen den Fischerinnen und Fischern und ihren Familien Wege aus der Krise aufzeigen. Und es muss mehr sein als Abwrackprämien. Sie brauchen Optionen, wie sie die Krise überstehen können, um später wieder ihrem Beruf nachgehen zu können. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Krise sämtliche fischereilichen Strukturen bei uns im Land zerstört. Die Fischerei ist ein kultureller und traditioneller Teil des Landes Schleswig-Holstein und das wollen wir als SSW erhalten.

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