Rede · 03.05.2006 Einbürgerungen

Demokratie lebt vom Verfahren, deshalb vorab eine Bemerkung zum Procedere: Der Innenminister hat auf seiner Pressekonferenz am 27. April seine Leitlinien zur Frage der Einbürgerungsvoraussetzungen der Öffentlichkeit dargelegt. Der Landtag wurde an diesem Tag nicht unterrichtet. Wir haben unsere Informationen aus den Zeitungen, und das ärgert mich. - Damit kein falscher Zungenschlag entsteht: So etwas hat es auch schon gegeben, als das Land nicht von einer Große Koalition regiert wurde. Ich nehme aber für den SSW in Anspruch, dass wir dies auch immer kritisiert haben.

Nun zum Inhalt. Der SSW begrüßt grundsätzlich den Ansatz, den der Innenminister in der Einbürgerungspolitik verfolgt. Neu-Bürger und potenzielle Neu-Bürger sind eine Chance und eine Bereicherung für unsere Gesellschaft. Wer stark ist, kann offen sein, kann Neue und Neues aufnehmen. Nur wer schwach ist, wird sich ängstlich abkapseln. Die deutsche Gesellschaft verändert sich, das hat sie übrigens immer getan.

Der SSW betont stets, dass die Einzubürgernden in der Gesellschaft ankommen müssen. Es geht nicht nur um den formalen Staatsbürgerstatus. Derartige Diskussionen verfangen sich schnell in formaljuristischen Staats- und Grundsatzdebatten, statt die Lösung gesellschaftlicher Konflikte des Zusammenlebens in den Vordergrund zu rücken.

Der Vertrag, den die deutsche Gesellschaft mit den Neu-Bürgern eingeht, setzt Integrationswillen und Loyalität bei den Neu-Bürgern sowie faire Chancen und Hilfen seitens der Gesellschaft voraus. Faire Hilfen sind ein ausreichendes und niedrigschwelliges Angebot an Sprach- und Integrationskursen sowie ein Grundvertrauen gegenüber den Neu-Bürgern. Integration ist keine Einbahnstraße.

Die chancengleiche Teilhabe an Bildung ist eine Schlüsselgröße für die erfolgreiche In-tegration. Dies kann nicht genug betont werden. Es sei jedoch hier daran erinnert, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Industrieländern ein Bildungssystem vorhält, dass mit am selektivsten ist. Auf die Kritik des SSW zum gegliederten Schulsystem muss ich hier nicht näher eingehen, sie dürfte ausreichend bekannt sein. In Sachen Integration verschärft die Benachteiligung der Einwanderer den Handlungsbedarf. Darum sollten wir es mit der fairen Hilfestellung, der ausgestreckten Hand ernst meinen.

Die Vorstellung, dass man jemanden, der die deutsche Staatsangehörigkeit anstrebt, zunächst misstrauen und durch eine Gesinnungsschnüffelei seine wahren Motive ergründen müsste, ist pures obrigkeitsstaatliches Denken. Wer die deutsche Staatsbürgerschaft anstrebt, muss ausreichend Deutsch beherrschen und sich loyal erklären. Wir können nicht in die Köpfe hineinschauen und sollten es auch nicht versuchen.

Ich pflichte dem Innenminister bei, wenn er unterstreicht, dass Integration und nicht Assimilation das Ziel sein muss. Ich sage das bewusst auch als Vertreterin der dänischen Minderheit, in dem Wissen, dass Dänemark zurzeit eine Ausländerpolitik führt, die nicht das Prädikat liberal und modern verdient. Der SSW vertritt hier klar eine andere Position.

Es ist sicher eine nahe liegende Überlegung, die gleichen Anforderungen an Ausländer wie an Spätaussiedler in Bezug auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft zu stellen. Die Unterscheidung hat sich für den Einzelnen überlebt. Ich möchte jedoch unterstreichen, dass für die deutschen Minderheiten in Osteuropa als solches, die Verantwortung des Deutschen Staates auch über 60 Jahre nach dem 2. Weltkrieg weiterhin besteht. - Jedoch mit der Perspektive, als Teil der Gesellschaft – als vollwertige und gleichberechtigte Bürger deutscher Herkunft - anerkannt zu werden.

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