Rede · 20.06.2013 Energiewende und Klimaschutz in Schleswig-Holstein

Bereits beim Kauf von Äpfeln stellt sich die Frage nach dem Klimaschutz: greift man lieber bei hiesigen Sorten zu oder landen importierte Äpfel, die schon ein paar tausend Flugkilometer hinter sich haben, im Einkaufswagen? In unserer globalisierten Welt stellt sich diese Frage nach angewandtem Klimaschutz mehrmals täglich. Inzwischen betrifft Klimaschutz fast alle Lebensbereiche Der Klimaschutz hat sich von der einstigen Nische der Weltverbesserer und Hippies gründlich emanzipiert. Klimaschutz geht uns alle an. Wer aber alles zur Frage des Klimaschutzes macht, dem droht, sich zu verzetteln oder aber das Anliegen zu verwässern. Denn, wenn alles klimarelevant ist, spielt die individuelle Entscheidung keine Rolle mehr.
Darum ist es unerlässlich, Prioritäten zu setzen. Genau das tut der vorliegende Bericht: er setzt Schwerpunkte. Dazu gehören der Ausstieg aus der Atomenergie und die Förderung regenerierbarer Energieformen. Außerdem will die Landesregierung klimaschonende Mobilitätsformen etablieren. Diese drei Schwerpunkte werden jeweils mit Maßnahmen bzw. Maßnahmenvorschlägen unterlegt. Nur auf diese Weise, durch die Konzentrierung, erreichen wir dauerhafte Erfolge. Dementsprechend fehlen einige Bereiche wie Beschaffungsmanagement der Landesregierung oder die Waldwirtschaft. Das ist aber nicht anders zu machen: ansonsten bleibt der Klimaschutz ein nebulöses Ziel, das nur dazu taugt, Sonntagsreden zu garnieren.
Stattdessen: je konkreter, desto wirkungsvoller. Und genau das belegt der vorliegende Bericht auf eindrucksvolle Weise. Die Umsteuerung hin zu Energiewende und Klimaschutz funktioniert! Fairerweise muss man sagen, dass das keine Erfindung der aktuellen Regierung ist, denn auch die Vorgängerregierungen haben teilweise beachtliche Erfolge erzielen können. So sinkt beispielsweise dank der Anstrengungen der letzten Jahre der Endenergieverbrauch seit 1996 kontinuierlich (S. 71). Jede Kilowattstunde Strom, die nicht verbraucht wird, ist letztlich eine Investition in die Zukunft, denn die Energiewende ist ein Generationenprojekt, von dem unsere Kinder und deren Kinder profitieren werden.
Dazu bedarf es gemeinsamer Anstrengungen. Lange Zeit wurden darunter ausschließlich Verzicht und Verteuerungen verstanden. In einigen Bereichen trifft das durchaus zu, zum Beispiel bei der so genannten zweiten Miete. Der Landtag hat unter anderem deswegen den Verbraucherzentralen Geld bewilligt, damit sie einkommensschwache Familien über Möglichkeiten des energiesparenden Wirtschaftens informieren.
Die Energiewende eröffnet aber vor allem Gewinne. Der Bericht nennt wirtschaftlich positive Effekte und liefert auch die Zahlen dazu. Man kann Geld mit alternativer Energie verdienen. Voraussetzung ist aber, dass man ständig am Ball bleibt. Ein Beispiel: Die Flensburger Werft erforscht und baut neuartige Schiffsrümpfe mit extrem kleinen Wellenwiderstandswerten. Dieser Wettbewerbsvorteil am Markt sichert der Werft langfristig Aufträge und den Beschäftigten Arbeitsplätze; unterstützt durch entsprechende Förderung seitens der Landesregierung und Knowhow durch die Flensburger Hochschulen. Dieses Bündnis steht stellvertretend für andere. Ihnen muss unsere Unterstützung gelten.

Symbol fürs Energieland sind die Windenergieanlagen, die auch im Bericht einen breiten Raum einnehmen. Die Bürgerwindparks zeigen neue Wege und werden inzwischen im selbst ernannten Hightech-Land Bayern erfolgreich kopiert. Das, was da von unten gewachsen ist, ist vorbildlich und lässt mich insgesamt positiv in die Zukunft blicken. Die Bürgerinnen und Bürger bringen ihre Ortskenntnis und ihren Sachverstand ein. Das kommt jetzt im nächsten anstehenden Schritt, und zwar bei der Ertüchtigung der Leitungsnetze und dem Trassenneubau, zum Tragen. In Sachen Leitung und auch Energiespeicherung sind wir allerdings teilweise noch im GROWIAN-Stadium. Vor ziemlich genau dreißig Jahren, im Oktober 1983, wurde die Anlage im Kaiser-Wilhelm-Koog als Zweiflügler errichtet. Damals wusste man kaum etwas von optimaler Windnutzung an Land. Das hat sich inzwischen gründlich geändert. Ich hoffe nicht, dass wir noch einmal dreißig Jahre warten müssen, bis die Leistungsfähigkeit der Netze der erneuerbaren Energie gerecht werden. Das Abstellen der Anlagen aufgrund von Leitungsengpässen ist und bleibt ein enormes Ärgernis, das möglichst schnell aus der Welt zu schaffen ist. Die Landesregierung steht darum im ernsthaften Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern. Das war nicht immer einfach, nachdem einige Parteien den Protest gegen CCS-Lagerung zunächst überhaupt nicht ernst genommen hatten. Damals wurde viel Vertrauen verspielt, das jetzt mühsam zurückgewonnen werden muss.
Gerade vor diesem Hintergrund hätte ich mir einen leichter lesbaren Bericht gewünscht. Zugegeben ist die Materie nicht leicht - die Förderpolitik der EU durchdringt sicherlich nicht einmal die EU selbst in allen Zügen – dennoch sollte die Überarbeitung des Textes erwogen werden, damit sich möglichst viele Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner eine Meinung zur Energiewende machen können.


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