Rede · 14.12.2011 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Versammlungsfreiheit
Nach der Föderalismusreform fällt das Versammlungsrecht in die Kompetenz der Länder, die allerdings ohne eigenes Gesetz einfach das Bundesgesetz weiter gelten lassen können. Das halten auch die allermeisten Bundesländer so, weil das Versammlungsgesetz es nämlich in sich hat. Die ersten Länder, die ein eigenes Versammlungsgesetz verabschiedeten, allen voran Bayern, holten sich vor Gericht eine blutige Nase.
Das Versammlungsrecht gehört zu den besonders schützenswerten Grundrechten. Darum sollten wir sorgfältig, ohne Zeitdruck und ohne ideologische Scheuklappen vorgehen. Der vorliegende Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen könnte Ausgangspunkt für ein schleswig-holsteinisches Versammlungsrecht sein. Es bedarf aber einer gründlichen Diskussion, weil das Gesetz in der vorliegenden Fassung einseitig auf die Kontrolle der Polizei ausgerichtet ist. Da mögen individuelle Demonstrationserfahrungen eingeflossen sein. Die sollte man nicht verallgemeinern.
Tatsächlich verändert die Polizei ihre Taktik und beweist oftmals Flexibilität und Einfallreichtum. Ein Beispiel: die erste Montagsdemonstration gegen Atomkraft nach der Katastrophe von Fukushima auf dem Flensburger Südermarkt. Die Demonstranten wollten ihre Entschlossenheit zeigen und ihrer Betroffenheit Raum geben. Darum machte sich die Demonstration spontan auf den Weg durch die Stadt. Die Polizisten vor Ort bewiesen ihre Flexibilität: anstatt sich auf die fehlende Erlaubnis zu berufen, sicherten sie den Verkehr und ermöglichten auf diese Weise den gewaltfreien Protest.
Sicherlich gibt es auch andere Beispiele. Gerade darum ist es sinnvoll, Polizei und Demonstrationsleitung gesetzlich zur Abstimmung zu verpflichten.
Dem wird der vorliegende Gesetzentwurf zur Versammlungsfreiheit nicht gerecht. Es werden unbestimmte Rechtsbegriffe eingeführt und das Versammlungsrecht wird vor allem dazu genutzt, der Polizei feste Abläufe vorzuschreiben.
Nach unserer Ansicht sollte ein Gesetzentwurf zum Versammlungsrecht auch den Fokus auf dieses Recht richten. Das ist bislang nicht zu erkennen. Es geht nämlich nicht mehr um den Schutz der Versammlungsfreiheit, sondern, wie schon erwähnt, um die Kontrolle der Polizei, der sehr detailliert vorgeschrieben werden soll, wie sie vorzugehen hat. Das widerspricht allen Erfahrungen, wonach sich Demonstrationen völlig unvorhersehbar entwickeln können.
Diskussionsbedarf besteht unter anderem bei folgenden Punkten:
Erstens: Unabhängige Versammlungsbeobachter werden zugelassen und durch das Justizministerium akkreditiert. Interessant ist, dass diese Beobachter auch Fortbildungen zu besuchen haben. Wer soll diese Fortbildungen geben und welchem Zweck dienen diese?
Zweitens dürfen die Versammlungsbeobachter im Gegensatz zur Polizei ungehindert Daten aufnehmen und ihre Bild- bzw. Tonaufnahmen unkontrolliert speichern, verschicken und veröffentlichen. Hier stellt sich die Frage nach dem Recht auf das eigene Bild und nach einem wirkungsvollen Datenschutz.
Drittens werden Konfliktmanager eingeführt, die Gewaltpotential erkennen und deeskalierend wirken sollen. Aus dem Innen- und Rechtsausschuss und den Erfahrungen vor Ort wissen wir, dass die Polizei bereits Konfliktmanager einsetzt und sowohl präventiv als auch deeskalierend tätig ist. Unklar ist, wieso hier eine gesetzliche Festschreibung notwendig ist.
Insgesamt besteht also noch Beratungsbedarf.