Rede · 17.06.2009 Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss

Gemeinsam stellt die Opposition heute einen Antrag zur Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur HSH Nordbank. Um zu verstehen, wie es soweit kommen konnte und warum die Opposition dieses scharfe Schwert zieht, muss man sich anschauen, was eigentlich die letzten Monate geschehen ist. Der Landesregierung sei nämlich versichert, es hätte nicht zu einem PUA kommen müssen - aber sie hat es herausgefordert.

Ein PUA ist nicht nur ein unentbehrliches Instrument der parlamentarischen Kontrolle, sondern auch ein Instrument, um sich mit politischen Geschehnissen im Fokus der Öffentlichkeit auseinanderzusetzen. Den Sinn und die Notwendigkeit eines PUA zur HSH Nordbank sieht der SSW nicht darin, die Mitglieder der Landesregierung in den verschiedenen Gremien der HSH Nordbank vorzuführen und ihren Rücktritt zu fordern. Es geht uns stattdessen erstens darum aufzuklären, wie es dazu kommen konnte, dass die HSH Nordbank ohne erhebliche staatliche Kapitalaufstockungen und Garantiegewährungen heute mitten in einem Insolvenzverfahren stecken würde. Und zweitens geht es uns darum aufzuklären, wieso die Mitglieder der Landesregierung in den verschiedenen Gremien nicht frühzeitig gemerkt haben, dass diese Bank völlig aus dem Ruder läuft und so lange gewartet haben zu handeln, bis die schlechteste Lösung für Schleswig-Holstein laut Landesregierung die einzige Lösung war.

Um Ihnen allen die Dimensionen noch einmal klar zu machen: Wie reden hier nicht über Peanuts! Wir reden über 2 Milliarden Euro Kapitalaufstockung durch Hamburg und Schleswig-Holstein im Frühjahr 2008. Wir reden über 3 Milliarden Euro Kapitalaufstockung durch die beiden Länder genau ein Jahr später. Und wir reden über 10 Milliarden Euro Garantien durch die beiden Länder und dann noch einmal 30 Milliarden Euro Garantien durch den SoFFin des Bundes. Und als wenn diese Summen nicht schon längst unsere gesamte Vorstellungskraft und unser Verständnis sprengen, kann noch niemand sagen, welche weiteren Summen noch auf unser Land zukommen, um der HSH Nordbank in Zukunft ihre miserable Geschäftspolitik zu finanzieren. Die Landesregierung hat in den letzten Monaten nämlich sehr deutlich gemacht, dass sie auch bei weiteren Verlusten der HSH Nordbank kein Interesse daran hat, die Hilfsangebote des Bundes in Anspruch zu nehmen.

Schon frühzeitig wurde vor verschiedenen Geschäften der HSH Nordbank und ihren Auswirkungen gewarnt. Nicht nur der ehemalige Wirtschaftsminister Herr Marnette hat zeitig kritische Nachfragen gestellt und Informationen eingefordert. Wie am Montag im Flensburger Tageblatt nachzulesen war, hat auch die Investorengruppe um J. C. Flowers frühzeitig auf Probleme hingewiesen und immer wieder einen Kurswechsel angemahnt. Trotzdem hat dem Anschein nach in den entscheidenden Gremien niemand verstehen wollen, was eigentlich passiert. Mit der Finanzkrise ließen sich die Gefahren der riskanten Geschäftspolitik der HSH Nordbank aber nicht mehr verhehlen und sind völlig außer Kontrolle geraten.

Die Landesregierung trägt die Verantwortung für das Land Schleswig-Holstein in den verschiedenen Gremien der Bank. Ihre Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass diese private Geschäftsbank in überwiegend öffentlicher Trägerschaft ihre besondere Verpflichtung wahrnimmt und dementsprechend handelt. Von dieser Verantwortung hat man in den letzten Monaten allerdings reichlich wenig gemerkt. Und auch die HSH Nordbank ist kaum daran interessiert, dass sie eine öffentliche Verantwortung trägt.

Was uns stattdessen geboten wurde, lässt jegliche Distanz zwischen Landesregierung und HSH Nordbank vermissen. Die Landesregierung und insbesondere Herr Wiegard haben eindrucksvoll bewiesen, dass sie ihre Interessen von einer Bank leiten lassen und am Wohl des Landes Schleswig-Holstein nicht interessiert sind.

Da ist zum einen die geplante Auszahlung der Dividenden für 2008 zu nennen, die bei allen Interessierten nur noch Kopfschütteln erzeugte. Da ist der Umgang mit den verabschiedeten Resolutionen der Großen Koalition zu nennen, die gutgläubig mit „sollte“, „könnte“, „müsste“ versucht zum Ziel zu kommen und nicht verstehen will, dass weder Landesregierung noch HSH Nordbank daran interessiert sind, was sich die Parlamentarier so alles wünschen. Und dann ist da natürlich das Wichtigste zu nennen, die Kapitalaufstockung und Garantiegewährung sowie die damit verbundene strategische Neuausrichtung der HSH. Seit November letzten Jahres haben sich die Parlamentarier um Kopf und Kragen diskutiert, um herauszufinden, welche Handlungsspielräume und welche Alternativen es gibt, damit Schleswig-Holstein nicht für die Rettung der Bank aufkommen muss.

Die Landesregierung und ebenso die Vertreter der Bank haben mit nebulösen Darstellungen und einer katastrophalen Informationspolitik geglänzt, so dass erst nach einer ganzen Weile deutlich wurde, was hier gespielt wird. Die Entscheidung für einen Mini-SoFFin durch die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg war schön längst gefällt, die strategische Neuausrichtung der Bank längst geplant. Der Landesregierung ging es jetzt nur noch darum, diesen Alleingang möglichst unauffällig allen Entscheidungsträgern unterzujubeln. Hat ja auch geklappt - könnte man denken. Stimmt aber nicht, hat nicht geklappt - vor allem die Opposition hat es gemerkt und sich gewehrt.
In den Ausschüssen hat die Opposition wiederholt dafür gesorgt, dass das Thema HSH Nordbank auf der Tagesordnung stand und dass ganz langsam Licht ins dunkle Handeln der Landesregierung kam. Wir haben Kleine Anfragen gestellt, Unterlagen eingefordert, den verantwortlichen Personen Fragen gestellt und mit ihnen gestritten. Spätestens mit dem Steinbrück-Papier wurde deutlich, dass sich die Landesregierung frühzeitig gegen eine Rekapitalisierung über den SoFFin entschieden hat und damit völlig unverantwortlich und ohne Rücksicht auf Verluste die finanzielle Zukunft dieses Landes aufs Spiel setzt. Für dieses Handeln muss die politische Verantwortung festgenagelt werden.

Wir brauchen daher vor allem einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um zu klären, ob die Mitglieder der Landesregierung in den Gremien der HSH Nordbank im Interesse des Landes Schleswig-Holstein gehandelt und alles getan haben, um Schaden vom Land abzuweisen. Um dies zu klären, müssen wir nachvollziehen können, was in den Jahren 2003 bis 2009 in der HSH Nordbank passiert ist. Dabei steht das Kreditersatzgeschäft neben der Gründung von Zweckgesellschaften und dem Risikocontrolling der Bank im Fokus des Untersuchungsausschusses. Hierzu ergeben sich zahlreiche Fragen. So zum Beispiel, wieso das Kreditersatzgeschäft von einem Tochterunternehmen in Luxemburg aufgebaut wurde, fernab von jeglicher Aufsicht durch die Zentrale. Oder ob die Mitglieder der Landesregierung ihre Kontrollpflicht in den Gremien der Bank überhaupt wahrgenommen haben. Auch die Frage, ob es notwendig war, in verschiedensten Regionen der Erde Geschäfte zu machen und ob wir es bei der HSH noch mit einer Landesbank mit öffentlichem Auftrag oder längst mit einer internationalen Geschäftsbank zu tun haben, ist von Bedeutung.

Für den SSW ist außerdem der vierte Punkt des Antrags zu den Informationspflichten der Landesregierung gegenüber dem Parlament und den zuständigen Ausschüssen am wichtigsten. Aus Sicht des SSW besteht der Verdacht, dass die Landesregierung nicht alles getan hat, um Schaden vom Land abzuweisen und dass viel mehr die Interessen der Bank als des Landes vertreten wurden. Teilweise hat man den Eindruck bekommen, dass die Landesregierung nicht komplett informiert war oder Informationen vorenthalten hat. Außerdem besteht der Verdacht, dass Landesregierung und Bankenvorstand ein Rettungsmodell favorisiert und selbstgefällig durchgedrückt haben. Ganz egal, welcher Verdacht sich im Untersuchungsausschuss verhärten wird, spricht all dies nicht gerade für diese Regierung.

Die Landesregierung muss offen legen, wie ihre Informations- und Entscheidungswege ausgesehen haben. Dies gilt sowohl für Finanzminister Wiegard und seine lückenhafte Information des Parlaments. Und dies gilt auch für Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, der sich den Vorwurf gefallen lassen muss, kritische Stimmen innerhalb der Landesregierung zum Schweigen gebracht zu haben.

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss in Schleswig-Holstein wird aufgrund der kommenden Landtagswahl zügiger arbeiten müssen, als der Hamburger PUA. Aber lassen Sie sich gesagt sein, wenn die Untersuchungen behindert und Ergebnisse herausgezögert werden, wird es in der neuen Legislaturperiode einen neuen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur HSH Nordbank geben. Wir lassen uns nicht mehr mit undurchsichtigen Darstellungen abspeisen.

Das Parlament trägt im Endeffekt die finanzielle Verantwortung für das Modell 3 + 10. Da darf es nicht sein, dass die Landesregierung das Parlament hintergeht und weder ausreichend über die Alternativen informiert noch in die Entscheidungsprozesse mit einbezieht.
Auch mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss können wir das Modell 3 + 10 nicht rückgängig machen. Aber wir können unabhängig und selbständig die Sachverhalte prüfen, begangene Fehler aufdecken und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. So bleibt uns die Hoffnung, dass aus den Fehlern gelernt wird und das Land Schleswig-Holstein in Zukunft nicht noch einmal in eine solche Situation gerät.

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