Rede · 24.04.2008 Große Anfrage zum Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein


Die grundlegenden Rahmenbedingungen für den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein werden – „leider“, ist man geneigt zu sagen – in Berlin gemacht. Und hier haben wir in den letzten Jahren bei der ambulanten und insbesondere im Bereich der stationären Versorgung durch die verschiedenen Gesundheitsreformen des Bundes negative Entwicklungen zu verzeichnen.

Dies betrifft gerade auch die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein, die vor großen finanziellen Herausforderungen stehen. Nicht nur, dass der so genannte Basisfallwert – also quasi die Bezahlung der Krankenhausleistungen- immer noch weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt, sondern durch die letzte Gesundheitsreform und die Begrenzung der Budgets haben die Krankenhäuser Schleswig-Holsteins große Probleme.

In einem Schreiben, das sicherlich allen Abgeordneten vorliegt, bezeichnet die Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein die Lage als dramatisch, weil natürlich auch der jüngste Tarifabschluss verkraftet werden muss. Laut KGSH belastet die Erhöhung der Löhne die Krankenhäuser in den nächsten Jahren mit 90 Millionen Euro.

Damit kein falscher Zungenschlag entsteht, möchte ich klarstellen, dass der SSW die Erhöhung der Gehalter und Löhne für die Beschäftigen der Krankenhäuser als angemessen und äußerst berechtigt ansieht. Das Problem liegt aber im Finanzierungssystem des Bundes. Denn zum einen fließen die Gehaltssteigerungen überhaupt nicht in die Krankenhaus-Fallpauschalen ein und zum anderen sind die tarifbedingten Mehrkosten durch die marginale Budgetsteigerungsrate von 0,64 % - wovon bekanntlich 0,5% als Sanierungsbeitrag an die Krankenkassen zurückfließt – nicht finanzierbar.

Dabei haben sich die meisten der schleswig-holsteinischen Krankenhäuser seit Jahren vorbildlich spezialisiert und auch den Betrieb so effektiv wie möglich gestaltet. Ein weiterer Personalabbau – zum Beispiel durch einen Abbau von Krankenschwestern und -pflegern würde die Qualität des Krankenhauswesens in Schleswig-Holstein in Gefahr bringen. Die Landesregierung muss hier also unbedingt schnellstens handeln, wenn ein schwerwiegender Schaden vom Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein abgewendet werden soll. Die Große Koalition muss sich in Berlin für eine Änderung der Finanzierungsrahmenbedingungen für die Akteure im Gesundheitswesen einsetzen und - wir sprachen ja bereits gestern darüber – am besten geschieht dies über eine Gesundheitsreform, die diesem Namen auch verdient und die insbesondere die Finanzierungsgrundlagen verbessert.

Dies ist aus Sicht des SSW das vordringlichste Problem, das die Landesregierung in Zusammenhang mit dem Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein anpacken muss und daher habe ich dies heute im Zusammenhang mit der Debatte über die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der FDP vorangestellt.

Ansonsten zeigt die Antwort der Landesregierung die eigentlich recht gute Ausgangslage und das große Potential des Gesundheitsmarktes in Schleswig-Holstein. Schon im Jahre 2000 startete die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis die Gesundheitsinitiative für Schleswig-Holstein, die dazu dienen sollte, vorhandene Ressourcen in diesem Bereich zu bündeln und ungenutzte Potentiale sowie Leitprojekte zu entwickeln. Die CDU-SPD-Landesregierung hat diese Initiative dann 2005 weitergeführt. Natürlich ist es daher sehr berechtigt, wenn die FDP in ihrer Großen Anfrage nach den Ergebnisse und Kosten dieser Initiative fragt.

Die Bedeutung des Gesundheitsmarktes für Schleswig-Holstein wird schon dadurch unterstrichen, dass laut Bundesagentur für Arbeit mindestens 92.000 Personen hier arbeiten, wobei wegen dem fehlenden statistischen Material von einer Untergrenze auszugehen ist. Das Institut für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen geht sogar von 137.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und einem Umsatz von fast 5 Mrd. Euro für die Jahre 2004 und 2005 aus.

Diverse Studien belegen die hohe Kompetenz und das Potential der Gesundheitswirtschaft in Schleswig-Holstein. Zum Beispiel ist dies der Fall im Bereich Life Science/Medizintechnik und im Gesundheitstourismus, wo es auch viele große Unternehmen gibt, die zu den ersten 30 größten Arbeitgebern im Lande gehören.

Die Leitprojekte der Landesregierung haben sich daher im Rahmen der Gesundheitsinitiative naturgemäß auf diese Gebiete konzentriert. Dies gilt für die Landesunterstützung des Medizintechnik-Campus in Lübeck, dem landesweiten Forum „Life Science“ oder dem Gesundheits- und Wellness-Tourismus in den Urlaubsorten.

Wobei für einige dieser Projekte, die über die Jahre mit Fördermitteln bedacht wurden, laut der Antwort der Landesregierung leider nicht immer unmittelbar messbare Ergebnisse vorzuweisen sind. Dies gilt natürlich insbesondere für die Forschungsbereiche im Rahmen der Gesundheitsinitiative, wo die Landesregierung allerdings zurecht darauf hinweist, dass bei direkten Produktinnovationen als Folge der durch die Leitprojekte angestoßenen Maßnahmen, zum Beispiel im Medizinbereich, bis zu zehn Jahre bis zur Markteinführung eines Produktes brauchen.

Im Gesundheitstourismus ist dies etwas anders, weil hier die Gesundheitsinitiative ganz konkret dazu beigetragen hat, dass vor allem die Kurorte die notwendige gesundheitstouristische Neuausrichtung vorgenommen haben. Laut Große Anfrage haben vor allem Westerland, St. Peter-Ording, Büsum und Damp ihre Angebote an die Neuausrichtung der Tourismusstrategie der Landesregierung im Gesundheitsbereich erfolgreich angepasst. Das im Aufbau befindliche Kompetenzzentrum Gesundheitstourismus soll dazu beitragen, diese gesundheitstouristischen Angebote in Schleswig-Holstein noch mehr zu auszubauen und besonders die Qualität noch mehr an den Ansprüchen der Zielgruppen anzupassen. In diesem Bereich sind wir also weiterhin auf einem guten Weg.

Das kann man leider für die elektronische Gesundheitskarte nicht behaupten. Vom Grundsatz her ist das Konzept der Gesundheitskarte, auf der die medizinischen Daten der Patienten gespeichert sind, natürlich zu begrüßen. Denn es dreht sich um ein wichtiges Strukturelement der Telematikanwendung und es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass die Tests zur bundesweiten Einführung der elektronischen Gesundheitskarte das Profil Schleswig-Holstein als innovatives Gesundheitsland weiter gefördert haben.

Allerdings sind die so genannten „Feldtests“ in letzter Zeit ins Stocken geraten. In den Feldversuchen zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte hat sich die Eingabe der Patienten-PIN als verfahrenstechnische Hürde herausgestellt. Vor allem ältere oder behinderte Testteilnehmer haben Probleme, die sechsstellige PIN einzugeben, mit der sie etwa ihre Zustimmung dafür signalisieren, dass ein Notfalldatensatz angelegt wird. Im Flensburger Feldversuch wurden 75 Prozent der ausgegebenen elektronischen Gesundheitskarten durch falsche PIN-Eingaben gesperrt, in anderen Regionen sollen die Quoten nicht viel besser sein.

Hier muss also noch nachgearbeitet werden, aber wenn die elektronische Gesundheitskarte ein Erfolg wird, dann kann der Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein davon profitieren, weil unsere Unternehmen und die Akteure im Gesundheitswesen bei uns die ersten Erfahrungen mit dieser modernen Technologie gemacht haben. Aber es scheint noch ein längerer Weg bis zum Erfolg zu werden.

Die Landesregierung sieht laut Großer Anfrage die ärztliche Versorgung in Schleswig-Holstein auch im ländlichen Raum zur Zeit als ausreichend an. Dies deckt sich nicht immer mit der Wahrnehmung der Bevölkerung auf dem Lande, aber ich will die Zahlen, die vorliegen, nicht in Frage stellen. Denn die Landesregierung macht ja selbst darauf aufmerksam, dass man für die Zukunft schon einen Ärztemangel speziell auf dem Lande befürchtet, weil viele Ärzte pensioniert werden und weil es sehr schwer sein wird, adäquate Nachfolger zu finden. Wir haben bereits im Landtag über dieses wichtige Thema debattiert und die Landesregierung hat gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Initiativen angekündigt, um dem entgegen zu wirken. Leider gibt es aber keinen Königsweg, um dieses Problem zu lösen, denn auch hier haben wir es mit Rahmenbedingungen zu tun, die vom Bund her vorgeben werden.

Dies kann man allerdings nicht sagen, wenn es um das notärztliche Versorgung im ländlichen Raum geht. Hier gibt ein Landesgesetz die Rahmenbedingungen vor. Seit der Neustrukturierung des ärztlichen Notfalldienstes in Schleswig-Holstein zum 1. Januar 2007 gibt es nur noch einen eingeschränkten Notfalldienst der niedergelassenen Ärzte in Kappeln und Umgebung. Die Landesregierung sagt selbst, dass die Menschen in der Region Kappeln heute bis zu einer halben Stunde auf einen Notarzt warten müssen. Das ist weiterhin eine vollkommen unhaltbare Situation. Wir können von Glück sagen, dass dies offenbar noch keine schlimmeren Konsequenzen hatte. Die Krankenkassen lehnen immer noch die Kostenübernahme für einen zweiten Notarztstandort in Schleswig-Flensburg ab, obwohl der Kreis der einzige in Schleswig-Holstein mit nur einem Standort ist. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass diese unhaltbare Situation in der Region Kappeln umgehend behoben wird. Und ich erwarte, dass wir im Ausschuss dann eine fertige Lösung des Problems präsentiert bekommen.

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