Rede · 14.07.2000 Haushaltsgesetz 2001 und Finanzplan 2000-2004

Bereits bei der Pressekonferenz zum Haushalt 2001 der Landesregierung im Juli sagte ich: Der von der Landesregierung vorgelegte Haushaltsentwurf für das Jahr 2001 ist ein ganz harter Brocken. Er wird schwer zu verdauen sein - nicht nur für die Kommunen, sondern auch für Vereine und Verbände sowie für Bürgerinnen und Bürger, die von den umfangreichen Kürzungen der Landesregierung betroffen sein werden.
Der SSW kann sich also überhaupt nicht der Beurteilung des Kollegen Sager anschließen, dass der Sparkurs der Landesregierung nur eine Seifenblase ist. Angesichts der vielen Proteste aus nahezu allen Bereichen unserer Gesellschaft ist dies eine Verkennung der Tatsachen. Die im Haushalt 2001 vorgeschlagenen Kürzungen stellen aus unserer Sicht die härtesten finanziellen Eingriffe seit vielen Jahren dar. Ich sage dies nicht unbedingt als Lob, sondern als Beschreibung der Wirklichkeit.
Aber es gibt auch ein altes Sprichwort, dass besagt: Mit der Bremse zu lenken ist untauglich". Versucht man es, kann man sehr schnell auf die Nase fallen. Übersetzt auf den Landeshaushalt 2001 bedeutet dies, dass die Landesregierung aufpassen muss, dass das Sparen nicht als Mittel zum Zweck verkommt.
So wie der Haushaltsentwurf 2001 vorbereitet und in der Öffentlichkeit dargestellt wurde, - und hier gab es aus Sicht des SSW große Defizite in der Informationspolitik sowohl für die Betroffenen der Sparmaßnahmen als auch für die Landtagsabgeordneten - kann man leider den Eindruck gewinnen, dass alle anderen politischen Ziele den Sparzielen untergeordnet worden sind. Finanzminister Möller hat seine Methode für den Haushalt 2001 in einer Pressemitteilung selber als Rasenmäher a la Carte" dargestellt. Und genau so sind die vielen Sparvorschläge zum Teil auch in der Öffentlichkeit angekommen.
Aus der Sicht des SSW beinhaltet der Entwurf der Landesregierung zu wenige Konzepte und Perspektiven dazu, wie man die politischen Ziele, die noch in der Regierungserklärung im Mai von der Ministerpräsidentin vorgetragen wurden - und die der SSW im großen und ganzen unterstützt - trotz der Sparzwänge umsetzen will.
Die wesentlichen Eckpunkte des Haushalts 2001 sind stark durch die Verabschiedung der Steuerreform beeinflusst worden. Dabei hatte es der SSW begrüßt, dass die Bundesregierung im Zuge der Diskussion um die Steuerreform - in letzter Minute sozusagen - dem Mittelstand weitere finanzielle Zugeständnisse machte. Auch verkennt der SSW nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger durch die Steuerreform in den nächsten Jahren erhebliche steuerliche Entlastungen bekommen.
Sicherlich muss man die Steuerreform nach jahrelangem Stillstand auf Bundesebene als ein wichtiges Signal des wirtschaftlichen Aufbruchs in Deutschland bewerten. Die Konjunkturdaten haben sich ja auch seit dem Beschluss stark verbessert, wobei die letzten Wachstumsdaten für Schleswig-Holstein im ersten Halbjahr 2000 leider nicht mehr ganz so rosig aussehen.
Aus unserer Sicht ist die Finanzierung der Steuerreform immer noch das Hauptproblem. Denn allein durch die Steuerreform entsteht dem Land im Haushalt 2001 Netto eine Deckungslücke von über 500 Millionen DM. Bis 2004 bewirkt die Reform Einnahmeverluste für das Land von über 1 Milliarde DM. Auch die Kommunen werden in den nächsten Jahren dreistellige Millionen Verluste durch diese Reform zu verzeichnen haben.
Der SSW bleibt deshalb dabei: Wir hätten uns eine Steuerreform gewünscht, deren Finanzierung nicht weiter zu Lasten der Länder und Kommunen gegangen wäre. Auch von den Einnahmen der UMTS-Lizenzen profitiert der Bund mehr als die Länder. Denn durch den Verkauf der UMTS-Lizenzen bekommt die Bundesregierung Einnahmen in Höhe von fast 100 Milliarden DM. Laut Angaben der Landesregierung werden sich die Steuerausfälle durch die Abschreibungsmöglichkeiten der Lizenznehmer für das Land Schleswig-Holstein und die Kommunen in den nächsten 20 Jahren auf 857 Millionen DM belaufen.
Allein im Haushaltsjahr 2001 rechnet die Landesregierung mit Steuerausfällen von 43 Millionen DM für Schleswig-Holstein (Land 20 Mio., Kommunen 23 Mio. DM). Deshalb wäre eine gerechtere Verteilung der UMTS-Milliarden als bisher vorgesehen notwendig.
Wir hätten uns gewünscht, dass sich die Landesregierung stärker bei der Bundesregierung dafür einsetzt, dass die Länder und Kommunen einen angemessenen Anteil aus den Einnahmen des Verkaufs der UMTS-Lizenzen bekommen. Nur auf einen minimalen Anteil der eingesparten Zinsen des Bundes zu hoffen, ist zu wenig.
Auch die Vorschläge der Bundesregierung, um die negativen Wirkungen der Öl- und Benzinpreise abzufedern, werden den Landeshaushalt belasten. Denn die Einführung einer allgemeinen Entfernungspauschale - die wir politisch unterstützen und auch im Interesse der Pendler gefordert haben - wird zu weiteren Verlusten in der Einkommenssteuer führen.
Der SSW steht aber dazu, dass die Bundesregierung an der Ökosteuer festhalten muss. Denn sowohl für die sozialen Sicherungssysteme - sprich: Sicherung der Rentenversicherung - als auch für die Verringerung der Lohnnebenkosten in Deutschland muss die Ökosteuer weiter beibehalten werden. Wer die Ökosteuer abschaffen will, muss erzählen, wo dann das Geld für die Renten und die Senkung der Lohnnebenkosten herkommen soll. Dazu darf man nicht vergessen, dass höhere Energiepreise langfristig zu verstärkten Investitionen in Energieeinsparmaßnahmen, in alternativen Verkehrsträgern und in neueren weniger umweltschädlichen Technologien führen und somit unserer Umwelt zu Gute kommen werden. Ich nenne nur als Stichwort das 1-Liter-Auto wie vom VW-Konzern jetzt angekündigt.
Aus der Sicht des SSW sind also diese auf Bundesebene beschlossenen Rahmenbedingungen eindeutig zu Lasten des Landes und der Kommunen gegangen. Der wirtschaftliche Aufschwung - und somit steigende Steuereinnahmen für Bund, Land und Kommunen, der diesen Beschlüssen hoffentlich folgen wird - kann die finanziellen Einbussen kurzfristig nicht kompensieren.
Die Eckdaten des Haushalts 2001 und die Finanzplanung von 2000 bis 2004 sprechen dann auch ihre deutliche Sprache. Die Landesregierung will in fast allen Förderprogrammen des Landes - von den ASH-Programmen über dem ZIEL-Programm bis hin zum hochgelobten Programm Arbeit, Innovation, Bildung" - streichen. Die Investitionsquote des Landes wird daher weiter auf einen Negativ-Rekord von 8,9% in 2004 fallen. Dennoch werden die Schulden und die Zins-Ausgaben-Quote weiter ansteigen. Die Nettoneuverschuldung soll bis zum Jahr 2002 weiter ansteigen.
Natürlich weiß auch der SSW, dass deshalb Einsparungen in fast allen Bereichen unumgänglich sind. Wir sind aber in vielen Punkten mit der Prioritätensetzung nicht zufrieden.
Es fehlt einfach der große Wurf oder anders formuliert: Es fehlen vor dem Hintergrund der schweren Spareinschnitte Visionen, die eine langfristige Linie in den Schwerpunkten der Landespolitik besser sichtbar machen. Ich möchte dies im folgenden an einigen Beispielen verdeutlichen:
Schon als kurz vor den Sommerferien der Sonderausschuss zum Thema Finanzbeziehungen Land-Kommunen" seine Arbeit abschloss, sagte ich für den SSW, dass die Landesregierung aus unserer Sicht nicht hat nachweisen können, warum den Kommunen im Haushaltsentwurf 2001 100 Mio. DM gekürzt werden sollen. Alle Zahlen belegen unserer Meinung nach, dass die Kommunen in den neunziger Jahren genau wie das Land mit erheblichen finanziellen Problemen zu kämpfen gehabt haben.
Es gibt keine objektiven Zahlen, die automatisch als Begründung für einen Eingriff in die kommunalen Kassen sprechen, das ist für den SSW der entscheidende Punkt, dazu stehen wir. Das heißt, ob den Kommunen ein Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts zugemutet werden kann, ist also ausschließlich eine politische Frage, mit der man sich auch politisch auseinander setzen muss. Eine Kürzung von 100 Mio. DM oder von Beträgen in ähnlicher Größenordnung können wir nicht mittragen. Dazu ist die Haushaltslage zu vieler Kommunen und insbesondere der Landkreise zu schlecht.
Der SSW begrüßt zwar, dass die Landesregierung bis zum Jahr 2005 den Abbau von dreistufigen Verwaltungen und die Fortsetzung der Funktionalreform voranbringen will, aber wenn man sich die bisherigen Ergebnisse ansieht, darf man skeptisch bleiben. So haben die bisherigen jahrelangen Bemühungen laut Bericht des Innenministeriums zwar viele Vorschläge im Bereich der Funktionalreform ergeben, aber konkret umgesetzt wurde sehr wenig mit einem sehr bescheidenen Einsparvolumen.
Dabei ist das in den Landtag eingebrachte Standardöffnungsgesetz aus unserer Sicht kein guter Vorschlag, um bei der Verwaltungsreform und der Modernisierung der kommunalen Selbstverwaltung weiter zu kommen. Mit der Annahme des vorgelegten Gesetzes laufen wir Gefahr, dass die Kommunen viele notwendige Aufgaben drastisch reduzieren werden. Insbesondere in den sensiblen sozialen Bereichen - wie den Kindertagesstätten - kann dieses zu erheblichen Problemen führen.
Statt eines einseitigen Eingriffs der Landesregierung, wo nur die Lasten von der einen öffentlichen Hand auf die andere abgewälzt werden, brauchen wir endlich eine breite Diskussion in Schleswig-Holstein, ob die Art, wie wir uns bisher auf kommunaler Ebene organisiert haben, wirklich sinnvoll ist.
Beispielsweise muss man sich ernsthaft fragen, ob eine kommunale Struktur mit über 1.100 Gemeinden wirklich den Anforderungen einer globalisierten Welt genügt und ob sich Schleswig-Holstein das eigentlich leisten kann. Selbst Experten fällt es bisweilen schwer, den Überblick zu bewahren, wer denn nun im Gestrüpp zwischen Land, Landkreisen, kreisfreien Städten, kreisangehörigen Städten, Ämtern und Gemeinden für welche Aufgabe zuständig ist.
Bei unseren nördlichen Nachbarn gibt es zum Beispiel nur ca. 270 Kommunen, die alle eine gewisse Mindestgröße haben, damit sie auch wirklich effektiv funktionieren können. Dennoch wird keiner in Dänemark sagen, dass diese Kommunen nicht bürgernah organisiert sind.
Das heißt, wenn man in der Diskussion um Funktionalreform und Deregulierung wirklich weiter kommen will, sollte man ernsthaft auch Überlegungen zu Gebietsreformen miteinbeziehen. Der Innenminister des Landes hat dieses zwar angesprochen, aber ich glaube es ist an der Zeit, dass wir in dieser wichtigen Frage wirklich handeln. Es gibt genügend Modelle, an die man sich anlehnen kann. In Rheinland-Pfalz gibt es zum Beispiel schon lange Verbundsgemeinden, die gemeinsame Aufgaben lösen. Der SSW wird sich dafür einsetzen, dass sich die Enquete-Kommission des Landtages mit dieser Problematik befasst.
Am vergangenen Wochenende nahm die dänische Minderheit zum zweiten Mal in ihrer Geschichte am Schleswig-Holstein-Tag teil. Damit sind wir in Richtung eines Füreinanders einen großen Schritt weiter gekommen. Die Minderheiten des Landes sehen sich selbst als gleichberechtigte und selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Sie haben ihre Berührungsängste überwunden.
Das Zusammenleben von Mehrheit und Minderheit in Schleswig-Holstein ist also im Jahr 2000 im Alltag zunehmend von Normalität und Akzeptanz geprägt. Dies wurde auch auf dem Minderheitenkongress 2000 am letzten Freitag in Sankelmark unterstrichen. Dennoch: Die These, dass das schleswigsche Grenzland eine Art Modell-Region für ganz Europa darstellt, können wir trotz aller Fortschritte in den Beziehungen zwischen Deutschen und Dänen nicht unterstützen. Das deutsch-dänische Grenzgebiet hat seine eigene unverwechselbare Geschichte, die nicht auf andere Länder in Europa übertragbar ist.
Das heutige friedliche und vorbildliche Miteinander in unserem Grenzland ist die Folge eines langen - nicht immer leichten - Prozesses, der über 150 Jahre gedauert hat. Deshalb kann man nicht davon sprechen, dass wir eine Modellregion für Europa sind. Der Begriff Modell ist zu theoretisch und würde bedeuten, dass man unsere Bedingungen einfach in andere Länder übertragen könnte.
Dazu kommt, dass es trotz dessen, was wir gemeinsam erreicht haben, immer noch offene Fragen bei der finanziellen und kulturellen Gleichstellung zwischen Mehrheit und Minderheit gibt. Es ist daher immer wieder notwendig, dass die Minderheiten auf ihre besonderen Probleme aufmerksam machen.
In ihrer Regierungserklärung Anfang Mai sprach die Ministerpräsidentin davon, dass Schleswig-Holstein in Europa als Vorbild für partnerschaftliches Zusammenleben von Mehrheiten und Minderheiten gilt" und dass Dänen, Friesen, Sinti und Roma aktiv und selbstbewusst zur kulturellen Vielfalt und Attraktivität unseres Landes beitragen". Alles dies unterstützt der SSW. Wir wissen auch zu schätzen, dass die Ministerpräsidentin mit ihrer Wiederwahl auch gleich eine neue Minderheitenbeauftragte berief. - Wobei Renate Schnack schon längst nicht mehr neu" wirkt, sondern mit großem Engagement und Sachverstand sich an die Arbeit gestürzt hat. Dafür danke ich ihr ganz ausdrücklich, möchte ich in diesem Zusammenhang hinzufügen.
Uns allen ist auch bewusst, dass wir heute sehr viel weiter gekommen sind - z.B. in der Akzeptanz von Minderheitenpolitik. Rückschläge wird es immer geben. Die Landtagsdebatte zum Thema Sprachencharta" war einer, aber nach der letzten Beratung im Europaausschuss bin ich zuversichtlich, dass wir dazu einen interfraktionellen Antrag hinbekommen werden.
Dennoch werden wir die Landesregierung an den Aussagen der Ministerpräsidentin messen. Minderheitenpolitik darf nicht zur Schönwetterpolitik verkommen. Alle Formulierungen zum Schutz der Minderheiten sind nur so gut, wie sie sich auch im alltäglichen Leben bewähren oder verwirklichen lassen. Für den SSW geht es deshalb immer in erster Linie darum, dass diese Zielsetzungen mit Leben erfüllt werden.
Bei den Beratungen zum Haushalt 2001 werden wir uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die angepeilten Kürzungen bei den Organisationen der Minderheiten zurückgenommen werden. Weiterhin sind wir uns bewusst, dass wir realistisch betrachtet bei einer ganzen Reihe von Kollegen - neu gewählte in den holsteinischen Wahlkreisen - erst noch Überzeugungsarbeit leisten müssen. Darum möchte ich noch mal auf die besondere Problematik aufmerksam machen, die von den Sparvorschlägen der Landesregierung im Minderheitenbereich ausgeht.
Im Frühjahr dieses Jahres hat die dänische Regierung eine Analyse erstellt, die zeigt, dass Dänemark sowohl den größten finanziellen Anteil für die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein, als auch den größten Anteil für die deutsche Minderheit in Nordschleswig trägt. Das Verhältnis beträgt ungefähr 60 zu 40. Auch wenn Finanzminister Möller in der Presse dazu gesagt hat, er kenne diese Zahlen nicht, so können sie ihn wohl kaum überrascht haben. Diese Entwicklung ist seit Jahren bekannt. Gerade deshalb sind die Kürzungen der Landesregierung bei der dänischen Minderheit ein ganz schlechtes Signal, weil dadurch die finanzielle Schieflage im Grenzland weiter wachsen wird.
Dass die Kürzungen dann nicht wie angekündigt zwischen 2,5% und 5% liegen, sondern bei 13% hat die Lage nicht besser gemacht. Vor dem Hintergrund der fehlenden finanziellen Gleichstellung - beispielsweise bei der Finanzierung der Schülerbeförderung - haben die Pläne der Landesregierung natürlich für negative Schlagzeilen auf beiden Seiten der Grenze geführt.
Gleichzeitig müssen wir zum wiederholten Mal darauf aufmerksam machen, dass wir als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auch davon betroffen sind, wenn ansonsten in Schleswig-Holstein gespart werden muss. Dies gilt insbesondere, wenn auch die Kommunen betroffen sind, denn bekanntlich sind die Zuschüsse für die Minderheiten in den kommunalen Haushalten immer noch freiwillige Leistungen.
Für den SSW wird es deshalb eine der wichtigsten Aufgaben sein, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Dänisch und Friesisch gleichberechtigt zu unserem Land gehören. Wir werden darauf drängen, dass dies in der täglichen Politik der Landesregierung sichtbar wird. Wir wollen nicht, dass wir uns weiterhin von den Zielen entfernen, von denen wir manchmal glaubten, dass sie schon fast erreicht seien.
Wir brauchen deshalb Perspektiven in der Minderheitenpolitik, und wir erwarten deutliche Signale der Landesregierung, wie sie das Ziel der Gleichstellung der Minderheiten mit uns erreichen will.
Neben den Kürzungen bei den Kommunen und in der Minderheitenpolitik sieht der SSW insbesondere Probleme bei den Sparvorschlägen des Sozialministeriums, wo Förderprogramme in Höhe von 17,9 Mio. DM im sozialen Bereich und in der Jugendhilfe gekürzt werden sollen. Wir können der Landesregierung nur raten aufzupassen, dass der Haushalt keine soziale Schieflage bekommt. - Oder anders formuliert: Trotz der schlechten Finanzlage des Landes ist es für den SSW nicht nachvollziehbar, warum gerade eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung solche schweren Eingriffe im Sozialbereich vornimmt.
Die Landesregierung darf aus meiner Sicht nicht vergessen, dass sie nicht zuletzt die Landtagswahl gewonnen hat, weil viele Wählerinnen und Wähler das Thema Soziale Gerechtigkeit" bei der Regierungskoalition besser aufgehoben sah als bei CDU und F.D.P.
Gerade im Zuge der aktuellen Diskussion über die Ursachen und die Bekämpfung des Rechtsradikalismus wirken die Streichlisten in diesen Bereichen kontraproduktiv. Was bringt es, wenn man in Resolutionen gegen Rechts über die herausragende Bedeutung der Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen spricht, wenn gleichzeitig die Fördermittel für die Demokratiekampagne gekürzt werden sollen.
Das Programm Schleswig-Holstein Land für Kinder" soll gar um ein Drittel beschnitten werden.
Man will junge Menschen daran hindern abzugleiten, und gibt nichts für neue Wege in der Jugend-Straffälligen-Hilfe aus. Man spricht über die Bedeutung der Kinder- und Jugendhilfe und will gleichzeitig die Mittel für Jugendbildung und Modellvorhaben drastisch zusammenstreichen.
Und dies alles sind Bereiche, die ohnehin seit Jahren mit dem Status Quo auskommen müssen, obwohl die Personalausgaben stetig steigen. So geht das nicht!
Die Demokratie lebt von sozialer Stabilität. Wer nicht die Ressourcen hat, um den Alltag zu bewältigen, der wird in der Regel kaum die Kräfte haben, sich aktiv in das demokratische Zusammenleben einzubringen. Es ist mühselig, das dauernde Gerede davon zu hören, dass soziale Probleme durch härteres Durchgreifen gelöst werden sollen. Es mag vielleicht helfen, wenn Politiker demonstrieren müssen, dass sie etwas tun. Eine wirkliche Problemlösung ist das aber nicht.
Kaum jemand redet noch von Solidarität, sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit. Das ist aber die Form der inneren Sicherheit, die wir uns wünschen!
Was die vorgeschlagenen Einschnitte bei den etablierten Organisationen und Verbänden im sozialen Bereich, beispielsweise bei den Wohlfahrtsverbänden, angeht, so mag es hier manche veraltete Strukturen geben, die modernisiert werden müssen. Diese Modernisierungen können dann sehr wohl zu gewünschten Einsparungen führen. Aber auch hier fehlen uns die langfristigen Strategien dazu, wie die Ziele der Landesregierung in der Sozialpolitik unter den veränderten Haushaltsbedingungen erreicht werden sollen. Wichtig ist es dabei auch in einen Dialog mit den betroffenen Institutionen und Verbänden um den richtigen Weg zu treten.
So unterstützt der SSW die Forderung der freien Wohlfahrtsverbände, die abgebrochene Diskussion über eine Reform der Finanzierung der Dienstleistungen der Freien Wohlfahrtspflege durch das Land und die Kommunen im Bereich der sogenannten Zuwendungen wieder aufzunehmen. Überlegenswert sind beispielsweise die Anregungen, die bisherige Förderungsform der Zuwendungen durch den Abschluss von Leistungsverträgen zu ersetzen. Durch diese Verträge entstehen eine neue Qualität der Zusammenarbeit, da an die Stelle des Zuwendungsempfängers und Zuwendungsgebers Vertragspartner treten. Eine solche Reform der Finanzierung könnte auch zu einer wirtschaftlicheren Verwendung öffentlicher Mittel führen.
Unsere Wissens- und Informationsgesellschaft fordert die Ausbildung in allen Ausprägungen heraus, denn die Lebenschancen der einzelnen Menschen hängen zunehmend vom Wissen ab. Seit Jahren fordert der SSW ein Weiterbildungsgesetz. Vieles deutet aber darauf hin, dass so ein Gesetz in weite Ferne gerückt ist. Somit bleibt Schleswig-Holstein vorerst neben Sachsen das einzige Flächenland ohne Weiterbildungsgesetz. Der SSW hat daher in einem Berichtsantrag die Landesregierung aufgefordert, in der Novembersitzung des Landtags darüber zu berichten, wie sie sich die Zukunft der Weiterbildung in Schleswig-Holstein vorstellt. Entscheidend ist dabei für uns, dass dieser Punkt nicht durch die Horrorszenarien des Landeshaushalts 2001 verdrängt wird.
Positiv ist, dass die Landesregierung an ihrem Ziel, 1.200 neue Lehrerstellen zu schaffen, festhält. Diese Stellen sind - wie wir wissen - dringend notwendig und das absolute Minimum, damit die Unterrichtsversorgung an unseren Schulen aufrechterhalten wird. Aber auch im Schulbereich sollten wir endlich tiefergreifende Reformen angreifen.
Damit meine ich aber nicht das Abitur nach 12-Jahren, dass der SSW weiterhin ablehnt. Sondern wir sollten beispielsweise überlegen, ob es wirklich langfristig sinnvoll und zukunftsfähig ist, weiterhin fünf verschiedene Schularten und somit fünf verschiedene Lehrerausbildungen aufrechtzuerhalten. Ich verstehe ja, wenn die Einführung einer ungeteilten Schule nach nordischem Vorbild im Moment noch zu viel verlangt ist. Aber auch im Schulbereich und in der Lehrerausbildung brauchen wir flexiblere und effizientere Lösungen als die heutigen.
Auch in diesem Bereich könnte man also Qualitätsziele mit Einsparungen in Einklang bringen. Das gilt auch für den Hochschulbereich, wo zum Teil noch recht verkrustete Strukturen herrschen. Mit den Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschulen sind wir ein Stück vorangekommen. Trotz einiger Probleme sind die Zielvereinbarungen, die eben nicht nur auf Kostensenkung, sondern auch auf Qualitätssicherung und Schwerpunkte abzielen, ein gutes Instrument, um in der Hochschulpolitik voranzukommen.
Zur Zeit haben die Hochschulen - beispielsweise die Fachhochschule Kiel oder die Universität Flensburg - großen Zulauf von neuen Studierenden. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, und wir sollten alles daran setzen, dass diese Entwicklung anhält. Auf keinen Fall darf man aber die Studierenden als Geisel in der Auseinandersetzung zwischen Hochschulen und Ministerium benutzen. Deshalb halten ich von einem angekündigten Aufnahmestopp an den Hochschulen überhaupt nichts. Wichtig ist es, dass sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und auch in diesem Bereich anerkennen, dass man durch Dialog, Offenheit und Gespräche, die wirklich notwendigen Strukturänderungen im Hochschulbereich anpacken kann.
Das groß angekündigte Programm ZIEL - Zukunft im eigenen Land - ist schon, bevor es gestartet ist, mehrfach korrigiert und gekürzt worden. Wir werden im Laufe der Landtagssitzung noch darüber diskutieren, aber schon jetzt kann festgestellt werden, dass uns auch hier eine grundlegende Diskussion darüber fehlt, welches Ziel wir mit welchem Programm eigentlich erreichen wollen.
Für den SSW ist es gerade bei den Wirtschaftsförderungsprogrammen - die nicht zuletzt die wirtschaftliche Entwicklung der strukturschwachen Gebiete wie dem Landesteil Schleswig weiter voranbringen sollen - wichtig, was hinten raus kommt: Nämlich der Erhalt von Arbeitsplätzen oder gar die Schaffung von neuen. Hier war das alte Regionalprogramm für strukturschwache Räume" laut eines Gutachtens des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung außerordentlich erfolgreich. Deshalb hatten wir es bedauert, dass das alte Programm spätestens 2001 auslaufen wird. Aber wir hatten darauf vertraut, dass die Landesregierung mit dem neuen Regionalprogramm 2000" ein vernünftiges Nachfolgekonzept vorgelegt hatte. Auch wenn der finanzielle Input nicht immer entscheidend ist, stimmt es bedenklich, wenn für 2001 statt wie ursprünglich geplant 25 Mio. DM nur 20 Mio. DM für das Regionalprogramm eingestellt worden sind.
Vor dem Hintergrund, dass bereits heute immer mehr die Hamburger Randgebiete und die wirtschaftlich starken Gebiete um Kiel und Lübeck den wirtschaftlichen Pulschlag im Lande angeben, bleibt es eine Kernforderung des SSW, dass die Landesregierung eine aktive Regionalpolitik zum Ausgleich der wirtschaftlichen Problemen in den strukturschwachen Gebieten betreiben muss.
Wir fordern daher weiterhin, dass die Verkehrsinfrastruktur des nördlichen Landesteils und der Westküste verbessert werden muss, bevor man eine Fehmarnbeltquerung in Angriff nimmt. Dazu gehören der Bau der westlichen Elbquerung und auch eine Verbesserung des Schienenverkehrs. Auch der grenzüberschreitende Schienenverkehr muss dringend verbessert werden.
Dass Totgesagte auch mal länger leben können, zeigt der Erfolg mit der Wiedereröffnung der Strecke Niebüll-Tønder. Statt der geplanten 11.000 haben bereits über 23.000 Passagiere diese Verbindung bis heute genutzt. Vielleicht kann man das auch bald über die Interregio-Verbindung nach Flensburg sagen, die leider laut Planungen der Deutschen Bahn nach 2002 gestrichen werden soll. Wenn die DB sich weiter aus der Fläche zurückzieht, erwarten wir, dass die Landesregierung dazu beiträgt, vernünftige Alternativen zu entwickeln. Ansonsten werden die weit abgelegenen Gebiete bald nur noch mit dem Auto erreichbar sein. Das wäre keine zukunftsfähige Verkehrspolitik. Ein Schritt in die richtige Richtung könnte die vorgeschlagene Übernahme des Streckennetzes der DB werden.
Der SSW begrüßt, dass die Landesregierung die Werftenhilfe fortsetzen will. Solange die wichtigsten Konkurrenten eine staatliche Hilfe gewähren, müssen auch wir unseren Werften unter die Arme greifen, damit sie ihre hochwertigen und wettbewerbsfähigen Schiffe auch an den Markt bringen.
In den nächsten Jahren müssen wir noch größere Anstrengungen in Bereich Küstenschutz unternehmen. Die verschwindenden Sände vor den Inseln und die Abbruchkanten an den Küsten zeigen deutlich, dass wir neben den üblichen Maßnahmen wie Sandvorspülungen und Deichverstärkungen auch andere alternative Küstenschutzformen erforschen und vorantreiben müssen. In einem ausführlichen Bericht will die Landesregierung auf Antrag des SSW in einer der kommenden Landtagssitzungen darstellen, was derzeitiger Stand der Technik ist. Deshalb müssen aber auch die finanziellen Mittel für Forschung und Entwicklung bereitgestellt werden, um das hohe Niveau des Küstenschutzes halten zu können.
Für Schleswig-Holstein - und insbesondere auch für den ländlichen Raum - ist die Windenergie ein wichtiger Wirtschaftszweig. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung ist es erforderlich, dass die Landesregierung in Zukunft die Förderung der erneuerbaren Energien ausbaut. 1,43 Millionen Mark sind aber im Haushaltsentwurf gestrichen worden. Dies wäre unserer Meinung nach eindeutig ein Schritt zurück, in dem Bemühen neue und zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen, zumal wir nach dem beschlossenen Atomausstieg im Zeitraum von rund 30 Jahren neue Energieformen erforschen und marktfähig machen müssen.
Ich fasse zusammen: Trotz schwieriger Haushaltslage wird sich der SSW also in den Haushaltsberatungen dafür einsetzen, dass der Entwurf zum Haushalt 2001 in vier für uns wichtigen Punkten verbessert wird:
1.Die Kommunen in Schleswig-Holstein können eine Kürzung von 100 Mio. DM nicht verkraften. Der SSW fordert die Landesregierung auf, zumindest einen Kompromiss anzustreben, der die Kommunen wesentlich entlastet. Zu diskutieren ist beispielsweise, ob statt der Kürzung über den Finanzausgleich die Landesregierung nicht die Schulbaufinanzierung in Zukunft durch Mittel aus dem Kommunalen Investitionsfond finanzieren könnte. Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass dies nicht die optimale Lösung ist, da der KIF sozusagen das Tafelsilber der Kommunen ist.
2. Wir können keine weiteren Kürzungen bei den Minderheiten akzeptieren. Hier muss nachgebessert werden. Ansonsten vergrößert sich die Schieflage im Grenzland weiter; dass heißt die Schieflage zwischen den deutschen und dänischen Zuschüssen für die Minderheiten.
3. Ein Kahlschlag im sozialen Bereich ist für uns nicht akzeptabel. Wer den Rechtsradikalismus ernsthaft bekämpfen will, darf gerade im Kinder- und Jugendbereich nicht sparen. Neben den Kürzungsvorschlägen fehlen uns hier insbesondere Konzepte, dazu wie man in den einzelnen trotz Sparvorhaben weiterkommen will.
4. Die Landesregierung sollte die Kürzung der Mittel für die strukturschwachen Regionen, beispielsweise die Kürzung im Regionalprogramm 2000, nochmals überdenken. Trotz vieler Fortschritte in den betroffenen Regionen - nicht zuletzt im Landesteil Schleswig - brauchen wir weiterhin gezielte Investitionen, um die wirtschaftsnahe Infrastruktur zu verbessern.
Die öffentlichen Aussagen des Finanzministers, dass es überhaupt keine Alternativen zu dem vorgelegten Entwurf gibt, ist aus Sicht des SSW nicht nachvollziehbar. Natürlich ist die Haushaltslage des Landes unverändert kritisch zu sehen, aber es gibt dennoch Spielraum für Änderungen und Umschichtungen auch in diesem Haushalt. Zum einen ist der laufende Haushaltsvollzug 2000 wesentlicher besser als ursprünglich geplant, und zum anderen wird auch die Verbeamtung der Lehrerinnen und Lehrer kurzfristige Einsparungen von über 50 Mio. DM pro Jahr erbringen.
Dennoch ist uns bewusst, dass die Farbe der Wahrheit grau ist. Wir wissen, dass es auch auf die Ergebnisse der Steuerschätzung im November ankommt.
Doch hier - am Anfang der parlamentarischen Beratungen - muss gesagt werden, dass Sparen kein Ersatz für Politik ist. In diesem Sinne wird sich der SSW - in gewohnter konstruktiver Weise - an den Haushaltsberatungen beteiligen.

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