Rede · 13.12.2007 Minderheitenbericht 2007


Anke Spoorendonk:

Der SSW begrüßt, dass wir heute zum zweiten Mal den Minderheitenbericht der Landesregierung in der Mitte der Legislaturperiode diskutieren können. Dies gibt uns nicht nur die Möglichkeit, die Ergebnisse der Minderheitenpolitik zu beurteilen; viel mehr können wir in der verbleibenden Zeit der Wahlperiode auch noch parlamentarische Initiativen ergreifen, die sich aus der Debatte des Berichtes ergeben.

Der Bericht gibt einen guten Überblick sowohl über den aktuellen Stand der Minderheitenpolitik  auf Landesebene wie auch über die Entwicklung der vier Minderheiten des Berichts - nämlich der Dänen, der Friesen und der Sinti und Roma in Schleswig-Holstein sowie der deutschen Minderheit in Dänemark. Besonders hervorheben möchte ich, dass die Organisationen der Minderheiten in einem so genannten Forum die Möglichkeit erhalten, sich zu Problemstellungen ihrer Wahl zu äußern. Dadurch wird der notwendige Dialog zwischen Landesregierung, Landtag und den Vertreterinnen und Vertretern der Minderheiten dokumentiert. – mit dem Ziel, ihn weiter zu verbessern.

Aus dem Bericht geht hervor, dass die Minderheitenpolitik ein dynamischer Prozess ist, der stets von neuen Herausforderungen geprägt wird - auch von europäischer Seite. Dem SSW ist es in diesem Zusammenhang wichtig festzustellen, dass die Minderheiten als handelnde Akteure  an der Minderheitenpolitik des Landes aktiv mitwirken – zum Beispiel in dem neuen Dialogforum Norden oder in den Minderheitengremien des Landtages. Denn genau darum geht es: Wir wollen die Minderheitenpolitik des Landes mitgestalten – gemeinsam mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus der Mehrheitsbevölkerung; dies gilt natürliche insbesondere für den SSW.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal klarstellen, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark zwar ein wichtiger Baustein für die Entwicklung der Grenzregion ist und daher für die Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze einen hohen Stellenwert hat; sie ersetzt aber keinesfalls die eigentliche Minderheitenpolitik. Das gleiche gilt für die vom Landtag in Auftrag gegebene Kompetenzanalyse „Minderheiten als Standortfaktor im deutsch-dänischen Grenzland“. Wir haben keinen Zweifel, dass die Minderheiten für das Grenzland einen Mehrwert in kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht darstellen; dies alles darf aber nicht ausschlaggebend für die Ausgestaltung der Minderheitenpolitik des Landes sein.

Für den SSW ist entscheidend, dass die Angehörigen der Minderheiten als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger dieses Landes wahrgenommen werden, sowohl in kultureller wie auch in sprachlicher Hinsicht. Das muss das Ziel der Minderheitenpolitik des Landes sein, und genau daran muss sich die Landesregierung messen lassen. Durch die Rahmenkonvention des Europarates und die europäische Sprachencharta hat die schleswig-holsteinische Minderheitenpolitik verstärkt eine europäische Dimension erhalten, die uns daran erinnert, dass Minderheitenpolitik letztlich mit der UN - Menschenrechtskonvention zusammenhängt. Konkret gilt, dass das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit heute so gut ist selten zuvor. Dennoch gibt es eine Reihe von Problembereichen, die ich gerne ansprechen möchte

So sieht der SSW im Medienbereich große Probleme auf die dänische Minderheit zukommen, da die dänischen Fernsehsender ab 2009 den analogen Betrieb einstellen und die dänischen Programme dann nur noch digital empfangbar sein werden. Dies wird zu einer deutlichen Beeinträchtigung bei dem Empfang des dänischen Fernsehens im Landesteil Schleswig führen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Digitalisierung auch im Kabelbereich zum Ausfall der dänischen Sender führen kann. Dieses Thema haben wir bereits im letzten Jahr hier im Landtag debattiert, wobei wir dankenswerter Weise sowohl die Unterstützung der Landesregierung wie auch die des gesamten Hauses für unseren Antrag erhielten. Ich brauche also nicht zu wiederholen, wie wichtig die freie Empfangbarkeit des öffentlich-rechtlichen dänischen  Fernsehens für die dänische Minderheit ist.

Zumal das Angebot des NDR oder das der privaten Anbieter in den Minderheitensprachen des Landes immer noch äußerst gering ist. Ein Gutachten, das die ULR im letzten Jahr für die Landesregierung in Auftrag gab, empfiehlt die Einsetzung einer hochrangig besetzten deutsch-dänischen Expertenkommission, um die medienpolitischen und technischen Handlungsoptionen aufzuzeigen. Aus Sicht des SSW, wäre es wünschenswert, wenn die Landesregierung diesen Vorschlag aufgreifen würde – mit dem Ziel, die Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 im Medienbereich weiterzuentwickeln. Wir stellen uns also einen deutsch-dänischen Ansatz vor. Zumal diese beiden Minderheitenerklärungen gerade für den Bereich der Medien konkrete Vorgaben machten, worauf aufgebaut werden sollte.

Der SSW hat die neue Möglichkeit für dänischsprachige Ortschilder im Landesteil Schleswig begrüßt. Bei der Frage der dänischsprachigen Schilder, die natürlich nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Situation in Sønderjylland sehr sensibel angegangen werden muss, geht es vor allem um eine kulturelle Anerkennung der dänischen Minderheit vor Ort. Daher müssen jetzt die Angehörigen der dänischen Minderheit gemeinsam mit ihren Nachbarn entscheiden, ob ihre Gemeinde oder ihre Stadt zukünftig auch in dänischer Sprache ausgeschildert werden soll. In Flensburg wird man schon ab dem nächsten Jahr eine zweisprachige Beschilderung einführen. Anderswo - zum Beispiel in Schleswig - begnügt man sich erst einmal mit einer dänischen Beschilderung an öffentlichen Gebäuden. Aber auch hier ist ein dynamischer Prozess in Gang gesetzt worden, der von der Landesregierung, vom Landtag und von den Minderheiten selbst aktiv begleitet werden muss.

Wir kommen auch bei diesem Minderheitenbericht nicht umhin, auf die finanzielle Gleichstellung der dänischen Minderheit einzugehen. Mit dem Beschluss, ab dem 1. Januar 2008 wieder das gleiche für die Schulkinder der dänischen Schulen wie für die Kinder der öffentlichen Schulen zu zahlen, hat die Landesregierung eine der wichtigsten Forderungen hinsichtlich der finanziellen Gleichstellung der Minderheit erfüllt. Das ist natürlich aus minderheitenpolitischer Sicht ein positives Signal. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass diese Gleichstellung seit 1998 ausgesetzt war.

Der gleiche politische Wille, der ab 1.1.2008 die Rückkehr des Gleichbehandlungsprinzips bei den Schülerkostensätzen vorsieht, sollte aber auch bei den Schülerbeförderungskosten endlich zum Tragen kommen. Sowohl die zuständigen Kreise wie auch Dansk Skoleforening for Sydslesvig und der SSW haben seit Jahren immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass es in diesem Bereich für die dänische Minderheit keine gesetzliche Regelungen gibt. Das Problem ist also hinreichend bekannt und die Große Koalition hat ja bei den Beratungen zum neuen Schulgesetz im Frühjahr 2007 signalisiert, dass sie gewillt ist, das Problem der Schülerbeförderungskosten in 2008 zu lösen. Der SSW fordert daher, dass die mögliche erneute Änderung des Schulgesetzes auch dazu benutzt wird, eine Regelung für die Schülerbeförderungskosten zu den Schulen der dänischen Minderheit gesetzlich zu verankern.


Lars Harms:

In Bezug auf die Friesen wird im Minderheitenbericht darauf hingewiesen, dass die  Expertenkommission zur Sprachencharta insbesondere das Friesisch-Gesetz begrüßt hat. In der konkreten Arbeit für die friesische Sprache hat das Gesetz entscheidende Weichen gestellt. Als Beispiel sei genannt, dass das Land Schleswig-Holstein nun nach und nach die Selbstverpflichtung zur zweisprachigen Beschilderung umsetzt  und damit als gutes Beispiel für andere vorangeht. So hat beispielsweise die Deutsche Bahn AG alle Bahnhöfe zwischen Husum und der dänischen Grenze zweisprachig deutsch-friesisch beschildert. Und genauso hat die private NEG die Strecke zwischen Niebüll und Dagebüll zweisprachig beschildert.

Trotzdem müssen wir erkennen, dass die kommunale Ebene noch nicht genauso engagiert handelt, wie es das Land tut. Hier müssen wir immer wieder dafür werben, alle Möglichkeiten der Zweisprachigkeit bei Beschilderungen, Siegeln oder Briefköpfen auch zu nutzen. Sollte dies nicht den gewünschten Effekt haben, so schlägt die Expertenkommission zur Sprachencharta verbindlichere Regelungen vor. Das heißt, wir hätten dann hier im Landtag die Aufgabe, unser Friesisch-Gesetz noch konkreter zu fassen.

Auf einem anderen Feld hat es im Berichtszeitraum überhaupt keine Entwicklungen gegeben. Betrachtet man die Präsenz des Friesischen in den öffentlich-rechtlichen Medien, so muss man weiterhin feststellen, dass das Land Schleswig-Holstein hier auf dem letzten Platz in Europa steht. Keine andere Minderheit in Europa ist so schlecht in den Medien vertreten wie die Friesen. Das kann uns nicht zufrieden stellen, und hier steht insbesondere der NDR in der Verantwortung, endlich mehr für die friesische Sprache zu tun. Drei Minuten Radio in der Woche sind nicht genug. Und eines möchte ich noch hinzufügen: Sollten die Friesen aufgrund der Tatsache, dass der NDR nicht seiner minderheitenpolitischen Verantwortung nachkommt, einen eigenen Weg gehen wollen, so wird es unsere Aufgabe sein, hier unterstützend tätig zu werden.

Wie wir als SSW aber schon in der Debatte zum letzten Minderheitenbericht deutlich gemacht haben, steht und fällt die staatliche Minderheitenpolitik mit dem Engagement im Kindergarten- und insbesondere im Schulbereich. Dies wird auch in der Stellungnahme der friesischen Minderheit zum Minderheitenbericht deutlich. Hier kommt dem zukünftigen Erlass zum Friesischunterricht, der ja auch aufgrund unserer Vorschläge zum Schulgesetz erarbeitet wird, eine besondere Bedeutung zu. Wenn man bedenkt, dass der letzte Erlass zum Friesischunterricht von 1927 stammt, kann man ermessen, welche Bedeutung dieser neue Erlass haben wird.

Für den SSW sind dabei folgende Maßgaben besonders wichtig: Der Erlass muss sowohl ermöglichen, dass man bei entsprechender Nachfrage Friesischunterricht bekommen kann, als auch zulassen, dass Schulen von sich aus Friesischunterricht anbieten. Weiter muss Friesisch als Sprachenfach in allen Schulformen anderen Sprachen gleichgestellt werden, und dieses Angebot muss überall in Nordfriesland und auf Helgoland möglich sein. Und die entsprechenden Behörden und Schulen müssen aktiv für den Friesischunterricht werben.


Anke Spoorendonk:

Zu guter letzt möchte ich für den SSW zum Ausdruck bringen, dass wir uns darüber freuen, dass im Berichtszeitraum das Wohnprojekt der Minderheit der deutschen Sinti und Roma „Maro Temm“ doch noch erfolgreich umgesetzt werden konnte. Die Bedeutung dieses Kieler Projektes für die Sinti und Roma kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, daher danken wir  der Landesregierung – und insbesondere Innenminister Stegner – für ihren Einsatz bei  der Überwindung der Schwierigkeiten, die es bei der Umsetzung des Wohnprojektes gegeben hat.

Insgesamt dankt der SSW dem Ministerpräsidenten sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatskanzlei für einen ausführlichen und ausgewogenen Minderheitenbericht.  - Und wir bedanken uns bei der Minderheitenbeauftragten Caroline Schwarz für ihren unermüdlichen Einsatz für die Minderheiten in Schleswig-Holstein!

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