Rede · 25.07.2025 Pandemiemanagement ehrlich und kritisch aufarbeiten
„Der SSW hält eine umfassende, länderübergreifende Aufarbeitung der Pandemie für dringend notwendig“
Christian Dirschauer zu TOP 25 - Schleswig-Holsteinische Erfahrungswerte der COVID-19 Pandemie aktiv in die Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse“ des Bundestages einbringen (Drs. 20/3402)
Der Beginn der Corona-Pandemie liegt mittlerweile über 5 Jahre zurück. Doch trotz dieses relativ langen Zeitraums sind die sozialen, gesundheitlichen oder auch wirtschaftlichen Folgen für viele Menschen noch deutlich spürbar. Insbesondere Kindern und Jugendlichen, aber auch Älteren oder Menschen mit Behinderungen wurde über mehrere Jahre sehr viel abverlangt. Unser Gesundheitswesen wurde einem wahren Stresstest unterzogen und die hier Beschäftigten haben Großartiges geleistet. Gleichzeitig hat die Pandemie nicht nur dringende Handlungs- und Reformbedarfe in unterschiedlichsten Bereichen offengelegt, sondern auch so manches soziale Problem in den Vordergrund gerückt. Man kann also ohne Übertreibung sagen, dass die COVID-19-Pandemie ein Ereignis mit historischer Tragweite ist. Und wir müssen festhalten, dass auch die damit verbundenen Herausforderungen historisch waren und zumindest eben in Teilen auch noch sind.
Sicher: Wir haben uns im Sozialausschuss und als Landtag mehrfach und intensiv mit der Pandemie befasst. Und mit Blick auf die entsprechenden Anhörungen zum Themenkomplex gab es durchaus auch die eine oder andere Lernkurve. Denn während wir anfangs zum Beispiel noch auf Unverständnis gestoßen sind, wenn wir Kinder und Jugendliche benennen wollten, kamen diese im Verlauf dann zum Glück deutlich selbstverständlicher zu Wort. Auch die Tatsache, dass der damalige Minister Dr. Garg vieles richtig gemacht und das Land zum Beispiel mit Blick auf Corona-Maßnahmen sehr flexibel agiert und insgesamt sehr transparent kommuniziert hat, haben wir lobend erwähnt. Und doch habe ich für meine Partei wiederholt betont, dass wir eine umfassende und verantwortungsvolle Aufarbeitung der Pandemie für dringend notwendig halten. Denn trotz der wiederholten Befassung mit dem Thema auf Landesebene, fehlt eine länderübergreifende und gleichzeitig differenzierte und transparente Aufarbeitung der Pandemiebewältigung bis heute.
Der vorliegende Antrag macht es deutlich: Wenn wir ernsthaft aus den Erfahrungen lernen und zukünftigen Krisen besser begegnen wollen, ist eine solche Aufarbeitung essenziell. Und bei der gerade beschlossenen Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse“ ist diese Aufgabe auch richtig platziert. Aber losgelöst von der inhaltlichen Diskussion darüber, welche Aspekte in dieser Kommission behandelt werden müssen, ist mir eins wichtig, zu betonen: Aus Sicht des SSW wäre es mehr als bedauerlich, wenn es dort um Schuldzuweisungen geht. Aber es wäre ebenso bedauerlich, wenn problematische oder fehlerhafte Entscheidungen im Rahmen des Pandemiemanagements aus parteitaktischen Gründen ausgeklammert würden. Denn nicht zuletzt all diejenigen, die bis heute unter den Folgen der Pandemie leiden, haben eine ehrliche und durchaus auch kritische Aufarbeitung verdient.
Es sollte natürlich in unser aller Interesse sein, dass sich Schleswig-Holstein umfassend und konstruktiv in diese Aufarbeitungsarbeit in Berlin einbringt. Denn auch aufgrund meiner persönlichen Erfahrung als Vater dreier Kinder und als Bewohner Flensburgs muss ich festhalten, dass nicht jede Coronamaßnahme zu hundert Prozent passgenau war. Das gilt für Maßnahmen wie die verhängte Ausgangssperre, die Mundschutzpflicht beim Strandspaziergang oder aber auch für Schul- und Kitaschließungen oder den Umgang mit Palliativpatienten und ihren Angehörigen. Auch im Bereich der Eingliederungshilfe oder in der stationären Altenpflege ist längst nicht alles unkritisch gelaufen. Während einiges also durchaus positiv war und die Strategie, restriktiv vorzugehen, um vulnerable Gruppen zu schützen und daraufhin sukzessive zu lockern, sicherlich die richtige war, gilt es auch aus Fehlern zu lernen und im Fall des Falles verhältnismäßiger zu handeln.
Ich habe es angedeutet: Gerade wenn es um junge Menschen geht, ist die Rechnung noch lange nicht beglichen. Bis heute leiden viele von Ihnen unter den Einschränkungen und der sozialen Isolation, die ihnen auferlegt wurden. Viel zu viele haben bis heute mit psychischen Langzeitfolgen zu kämpfen. Hier müssen wir wirklich fragen, ob es uns gelingt, sie so zu unterstützen, wie sie es brauchen. Und diese Frage stellt sich leider auch mit Blick auf Menschen, die unter gesundheitlichen Einschränkungen aufgrund von Long-Covid leiden. Auch hier fühlen sich viele allein gelassen und brauchen dringend adäquate Hilfsangebote. So wichtig der Blick nach vorne auch ist. Denn ganz ohne Frage sind Themen wie der Aufbau einer strategischen Reserve oder effizientere Impfkampagnen wichtig. Es muss auch darum gehen, wie die vielen negativen Auswirkungen der Pandemie geheilt werden können.