Rede · 26.03.2009 Schuldenbremse im Bundesrat ablehnen

Schleswig-Holstein steckt in der Bredouille. Das Land hat über 23 Milliarden Schulden und unser Haushalt weist ein strukturelles Defizit von rund 600 Millionen Euro auf. Wir leben auf Kosten kommender Generationen und müssen konsequent ausgeglichene Haushalte anstreben; nur so bekommen wir den Überschuss, die Altschulden abzubezahlen. Niemand in diesem Hause zweifelt daran, dass wir eine Schuldenbremse benötigen.

Aber: das bedeutet nicht, dass wir bedingungslos allem zustimmen müssen, wo Schuldenbremse draufsteht. Es gibt ‚sonne und solche‘ Schuldenbremsen und die Bremse , die die Föderalismuskommission II Anfang März beschlossen hat, ist kein gangbarer Weg in die Schuldenfreiheit, sondern ein Schraubstock, in dem unser Land seine Bewegungsfreiheit verliert und schlimmstenfalls zerquetscht wird.

Für Schleswig-Holstein bedeutet die neue Schuldenregelung konkret, dass wir ab 2020 einen ausgeglichenen Landeshaushalt haben müssen. Das strukturelle Defizit muss abgebaut werden; dafür bekommen wir vom Bund neun Jahre lang 80 Millionen. Übrig bleiben also 520 Millionen Euro pro Jahr, die das Land einsparen muss. Die Folge: Wir wären gezwungen, in Kernbereichen wie Bildung, Kinderbetreuung, Polizei und Justiz massiv zu streichen. Wie sehr die Schuldenbremse Schleswig-Holstein belastet, lässt sich schon daran ablesen, dass wir pro Jahr gerade einmal das dreifache, also 1,5 Milliarden, für Schulen, Lehrer und die Polizei ausgeben. Kurz: Null Schulden sind nicht allein durch eine Vollbremsung bei den Ausgaben zu machen.

Hinzu kommt, dass die Schuldenbremse in die Zeit passt wie ein Sparschwein in ein Armenhaus. Wir leben in einer Krisenzeit, in der die Landesfinanzen bis an alle Grenzen strapaziert werden. Die Politik tritt das Gaspedal bis zum Anschlag, wenn es darum geht, durch Investitionen und durch die Rettung der HSH Nordbank die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise abzumildern. Aber jeder weiß, dass man ins Schleudern kommt, wenn man bei voller Fahrt auf Bremse und Gas gleichzeitig tritt. Kurz: Wenn wir angesichts der massiven Ausgaben für die Krisenbewältigung die Schuldenbremse betätigen, dann fährt unser Land an die Wand.

Eine gute Regierung fährt vorausschauend und das hat der Ministerpräsident in dieser Sache auch lange getan. Umso unverständlicher ist es, dass Peter Harry Carstensen jetzt eingeknickt ist. Das Saarland hat seine Zustimmung zur Schuldenbremse 260 Millionen kosten lassen und Bremen bekommt 300 Millionen Euro jährlich, während Schleswig-Holstein sich mit 80 Millionen hat abspeisen lassen. Damit können wir unser Land aber nicht sanieren.

Es geht hier gerade nicht nur darum, dass es Sache der Landtage sein muss, ihr Haushaltsrecht durch eine Schuldenbremse einzuschränken. Wir sind uns alle einig, dass wir uns diese Freiheit vor dem Bundesverfassungsgericht wieder erkämpfen müssen, um als Landtag nicht wie ein ausgeblasenes Osterei dazustehen, wie es Heribert Prantl heute in der „Süddeutschen“ beschreibt, eine bunte Schale ohne Inhalt.
Unabhängig von dieser Frage können wie aber auch nicht damit leben, dass der Bund sich nur mit insgesamt 580 Millionen Konsolidierungshilfe an der Gesundung unseres Landes beteiligt. Diese Absprache zum Finanzausgleich stünde auch dann weiter im Raum, wenn das Bundesverfassungsgericht die Landtage unterstützt.

Im Gegensatz zum Bund kann das Land nicht an wesentlichen Steuerschrauben drehen, um die Einnahmen zu verbessern. Schleswig-Holstein wird seine Schulden nur dann los, wenn ein realistisches Entschuldungskonzept vorliegt, das einen Abbau der Altschulden einleitet und so zu Einsparungen bei den Zinsausgaben führt. Mit der beschlossenen Schuldenbremse geht es nicht. FDP, Grüne und SSW haben dies erkannt, und auch der Fraktions- und Landesvorsitzende der SPD hat mehrfach gegen diese Schuldenregelung Stellung bezogen. Mit anderen Worten: Es gibt in diesem Hause eine Mehrheit gegen die beschlossene Schuldenbremse. Diese breite Mehrheit müssen wir nutzen, um Unheil vom Land abzuwenden.

Es liegt an den Landtagsabgeordneten der SPD, ob dem Land die Luft zum Atmen genommen wird. Sie müssen entscheiden, ob Schleswig-Holstein wirklich finanzpolitisch handlungsunfähig gemacht und bildungspolitisch heruntergewirtschaftet werden soll. Die Entscheidung duldet keinen Aufschub, denn die Beratungen im Bundestag und im Bundesrat sollen schon Ende März beginnen. Deshalb fordern wir die Kolleginnen und Kollegen von der SPD auf, hier und heute ein deutliches Signal aus Schleswig-Holstein zu senden und dafür zu stimmen, dass die Landesregierung im Bundesrat die Schuldenbremse ablehnen soll. Um es ganz deutlich zu sagen: Angesichts der schicksalhaften Bedeutung dieser Frage wäre es fehl am Platz, das eigene Gewissen der Rücksicht auf den Koalitionspartner unterzuordnen. Die Zukunft unseres Bundeslandes und die Handlungsfähigkeit unseres Landesparlaments sind allemal wichtiger als die Fortführung einer angezählten Großen Koalition.

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