Rede · 23.01.2015 Tarif geht vor! Das Ehrenamt darf nicht zu einem Ersatz für tarifgebundene Arbeitsplätze verkommen

Flemming Meyer zu TOP 17 - Bürgerbusse in Schleswig-Holstein

Vor einer Entscheidung sollte man erst einmal die Menschen befragen, die davon profitieren sollen. Das hat 2010 auch die Aktivregion Nordfriesland Nord so gehalten. Sie hat mit Hilfe von Wissenschaftlern untersuchen lassen, was sich die Menschen in den kleinen Dörfern des Amtes Südtondern bezüglich ihrer Mobilität wünschen. Der Titel der Untersuchung lautete „Mobile Daseinsvorsorge“, also genau das Thema, für das uns die Piraten die Unterstützung von Bürgerbussen durch das Land vorschlagen. 

Die Bewohner im ländlichen Raum haben sich ganz gut organisiert. Nicht immer optimal, aber doch zufriedenstellend. Die Familie hilft sich untereinander. Aber auch Freunde und Nachbarn organisieren Fahrdienste oder übernehmen ab und zu den Einkauf. Das gilt im besonderen Maße für die älteren, oftmals mobilitätseingeschränkten Frauen und Männer. Im Dorf hilft man sich gegenseitig. Ergänzend wünschen sich vor allem die älteren Befragte mobile Angebote, also, dass ein Bäckerbus mehrmals in der Woche für frisches Brot sorgt oder ein rollender Lebensmittelmarkt ins Dort kommt. 

Die Wissenschaftler haben sich einerseits die Strukturen und andererseits die Wünsche der Nordfriesen angeschaut. Sie empfehlen flexible Bedienformen im Nahverkehr. Dies sollte ausdrücklich über den Einsatz von Bürgerbussen hinausgehen; kann man im Ergebnisbericht nachlesen. Diese Empfehlung ist ein ganz klares Plädoyer für den Ausbau des bestehenden und gegen den Aufbau eines neuen Systems. Mit den NVB hat man in Niebüll einen regional ansässigen Anbieter, dem offenbar zugetraut wird, sein Angebot zu verdichten und die Dörfer im Amt besser zu verbinden. Ich verstehe das als einen interessanten Hinweis in unserer Debatte. Allerdings muss man einräumen, dass das bislang noch nicht umgesetzt wurde.

In Nordfriesland gibt es allerdings schon einen Bürgerbus, und zwar in Ladelund. Die Anstrengungen des Ladelunder Bürgerbusvereins waren riesig und zogen sich über Jahre hin. Die Initiatoren berichten von einem regelrechten Marathon, bis die Finanzierung für den Bus und das Training der Fahrer gesichert war. Aber jetzt fährt der Bus. Seit einem halben Jahr konnten die ersten Erfahrungen gemacht werden. Wir sollten nachfragen, wie es gelaufen ist, wie der Bus angenommen wird und ob das Angebot läuft. Bevor wir im Landtag zu einem Beschluss kommen, sollten wir die vorliegenden Erfahrungen aus Ladelund unbedingt auswerten. 

Aber es gibt auch grundsätzliche Einwände gegen einen flächendeckenden Einsatz von Bürgerbussen.

Erstens: Im Bereich der Daseinsvorsorge ist der Staat und nicht der Bürger in der Pflicht. Wir sollten prüfen, inwieweit das Land eine Verdichtung des Fahrplans oder neue Buslinien bezuschussen kann. Inwieweit können Anbieter beim Ausbau ihrer Takte oder der Aufnahme neuer Haltestellen durch das Land unterstützt werden? Und wie ist das Interesse bei den Anbietern? Warten die nur auf entsprechende Programme? Das Wirtschaftsministerium hat gezeigt, dass durch gute Ausschreibungen im Bereich der Schiene handfeste Komfortverbesserungen für die Nutzer herausspringen können. Ich frage mich, ob nicht der Ausbau der Linienbusse die bessere, eventuell auch zuverlässigere Alternative zum flächendeckenden Bürgerbus ist. 

Zweitens. Tarif geht vor! In der Begründung weisen die Piraten darauf hin, dass die Bürgerbusse das Angebot des ÖPNV nicht verdrängen, sondern ergänzen sollen. Papier ist geduldig, denn das ist eine blauäugige Annahme. Gerade beim Bürgerbus besteht die Gefahr, dass das Ehrenamt zu einem Ersatz für tarifgebundene Arbeitsplätze verkommen könnte. Das ist mit dem SSW nicht zu machen. Wir kämpfen nicht auf der einen Seite für existenzsichernde Löhne im ÖPNV, um sie dann hinterrücks wieder einzukassieren.

Drittens. Ist nicht ein Taxi die bessere Alternative? Fahrtdienste werden inzwischen von vielen Kommunen durch Verträge mit den hiesigen Taxiunternehmen abgewickelt; ob es sich dabei um die Versorgung mit Mittagessen für die Kitas dreht wie zum Beispiel in Flensburg, oder um die Fahrt zur Schule für Schüler mit Behinderungen. Ich denke, dass wir den Einsatz von Sammeltaxis oder Ruftaxis im ländlichen Raum prüfen sollen. Das wäre eine durchaus realistische und kostengünstige Möglichkeit.

Zusammenfassend schlage ich die Beratung im Ausschuss vor. Es sind noch zu viele offene Fragen, für die noch Antworten ausstehen. Erst wenn wir genau wissen, welche Optionen bestehen, können wir über den vorliegenden Antrag in der Sache abstimmen.

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