Rede · 21.03.2007 Umsetzung der EU-Chemikalienverordnung (REACH)


Nach langem und zähem Ringen wurde auf EU-Ebene im Dezember letzten Jahres die EU-Chemikalienverordnung – REACH – beschlossen, die im Juni in Kraft tritt. Der langwierige und komplizierte Prozess um die EU-Chemikalienverordnung macht deutlich, wie schwierig es letztendlich war, auf EU-Ebene die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen und eine tragbare Lösung zu finden.

Zugegeben, auch der SSW hatte seine Bedenken bezüglich der Umsetzung der umfangreichen Richtlinie - die als eine der komplexesten angesehen wird. Und niemand hat sich gewundert, dass die schärfste Kritik von Seiten der Chemieindustrie an dem Regelwerk geäußert wurde. Durchaus nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass insgesamt 30.000 chemische Stoffe erstmals auf ihre Auswirkung auf Umwelt und Gesundheit überprüft werden sollen. Neben den Kosten wurde von Seiten der Chemieindustrie insbesondere das bürokratische und aufwändige Registrierungs- und Zulassungsverfahren für die auf dem Markt befindlichen 30.000 Stoffe kritisiert. So würde dies eine Erhöhung der Produktionskosten mit sich führen, die die Konkurrenzfähigkeit mit ausländischen Anbietern erschwere. Darüber hinaus gäbe es einen Rückstand bei der Markteinführung neuer Produkte.
Auch wenn sich die Kritik an der EU-Chemikalienverordnung mittlerweile etwas gelegt hat, steht die Chemieindustrie der REACH-Verordnung immer noch skeptisch gegenüber.

In der anfänglichen Diskussion in Schleswig-Holstein hatte die Chemieindustrie ihren politischen Partner in der CDU, die ebenfalls heftige Kritik an dem ersten Entwurf der Verordnung geäußert hat. Von Seiten der CDU wurde seinerzeit nahezu der Untergang der Chemieindustrie in Schleswig-Holstein vorhergesehen. Hier hätte ich mir einen ehrlicheren Umgang mit dem Thema gewünscht. Denn mittlerweile können wir feststellen, dass sich das Verhältnis der CDU zu REACH deutlich geändert hat.
Wer den Bericht der Landesregierung liest, stellt nun fest, dass die Landesregierung die REACH-Verordnung in der endgültigen Fassung sogar begrüßt. Begründet wird dies durch die Verbesserungen, die mit der jetzigen Verordnung einhergehen. Insbesondere wird hervorgehoben, dass die Belastungen für die Wirtschaft deutlich moderater ausfallen, dass es zu einer Harmonisierung des europäischen und nationalen Chemikalienrechts kommt oder dass durch REACH kostspielige Anmeldeverfahren abgeschafft werden. Mit diesen Änderungen wurde der Chemieindustrie entgegengekommen.

Das Nachgeben gegenüber der Chemieindustrie hat aber die Kritik von Umweltverbänden und Verbraucherorganisationen aufkommen lassen. Insbesondere in Bezug auf das künftige Verfahren mit hochriskanten Stoffen. Soll heißen; Stoffe, die krebserregend sind, das Erbgut verändern oder die die Fortpflanzungsfähigkeit mindern, benötigen zwar zusätzlich zur Registrierung auch eine EU-weite Zulassung, die Hersteller sind aber nicht mehr gezwungen derartige Stoffe durch weniger bedenkliche Alternativen zu ersetzen. Dies ist bedauerlich, denn, wenn derartige negative Auswirkungen bekannt sind, dann muss die Chemieindustrie entsprechend verantwortungsvoll handeln und derartige Stoffe schnellst möglich vom Markt nehmen. Es bleibt zu hoffen, dass es durch die Offenlegung derartiger gefährlicher Stoffe zu einer ablehnenden Haltung bei der Handhabung solcher Stoffe  kommt. Sprich, dass sie aufgrund der Marktmacht der Verbraucher vom Markt verschwinden.

Der Bericht macht deutlich, dass die finanziellen Auswirkungen der REACH-Verordnung auf schleswig-holsteinische Unternehmen derzeit nicht vollends absehbar sind. Dies liegt zum einen daran, dass man die Betriebsgeheimnisse wahren möchte und zum anderen, dass sich die Unternehmen noch keine vollständige Klarheit über die Auswirkungen von REACH verschafft haben. Letztendlich ist aber davon auszugehen, dass der größte Teil der schleswig-holsteinischen Unternehmen als Verwender von Stoffen von der Registrierungspflicht befreit bleiben.
Die Zurückhaltung der Unternehmen ist aber immer noch ein Zeichen für die vorhandene Skepsis gegenüber der Verordnung. Daher ist es notwendig, dass die zuständigen Behörden die Unternehmen entsprechend informieren und deutlich machen, welche Standortvorteile mit der Verordnung einhergehen.

Durch die Verordnung wird es den Behörden in Europa künftig möglich sein, sich einen Überblick über die Stoffe zu verschaffen, die in Europa produziert oder importiert werden und wie gefährlich diese Stoffe sind. Diese Informationslage wird es möglich machen, den Belangen des Verbraucher- und Umweltschutzes künftig Rechnung zu tragen. So können nicht nur die Verbraucher gewinnen, sondern auch unsere heimische Chemieindustrie einen Standortvorteil erlangen, den sie vermarkten muss.

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