Rede · 12.10.2023 Wir brauchen schnelle und faire Asylverfahren

„Es gibt keine europäischen Standards, an denen man sich orientieren kann. Wir machen das hier nach deutschem Recht. Es gibt keine einfache Rechnung rumänische Standards plus deutsche Standards geteilt durch zwei.“ 

Lars Harms zu TOP 28 - Irreguläre Migration deutlich reduzieren und Kommunen besser unterstützen (Drs. 20/1475)

Der Antrag der FDP ist für uns als SSW zu unausgewogen, als dass wir ihm zustimmen könnten. Deswegen gehen wir einmal den Antrag Punkt für Punkt gemeinsam durch. Hierin wird das Land aufgefordert, die Plätze in den Landesunterkünften auszubauen. Eine vollkommen richtige Forderung. Wir haben in Schleswig-Holstein möglichst lange versucht, die Menschen dezentral unterzubringen. Der Wohnraum ist so nicht mehr da. Und bei allem guten Willen und allen Anstrengungen der Kommunen muss man einfach feststellen, dass das schon länger nicht mehr geht. Auch aus Sicht des SSW müssen wir wieder so denken wie 2015. Damit meine ich, dass wir ab jetzt beispielsweise wieder über Kasernen und Container sprechen müssen, um die Situation zu entschärfen. Nun erzähle ich Ihnen nichts neues mehr, wenn ich sage, dass nach den Ergebnissen des sogenannten Migrationsgipfels von Montag das Land genau das zugesagt hat. Allerdings hätte diese Erkenntnis, wie bei allen anderen Beteiligten, auch gerne etwas früher kommen können. Auf jeden Fall gilt es, die Menschen nicht in Turnhallen oder Zelten unterbringen zu müssen. Und ob eine besondere zentrale Unterbringung von Geflüchteten mit formal schlechter Bleibeperspektive der richtige Weg ist, wagen wir zu bezweifeln. Die meisten werden bleiben und sollten deshalb auch in den Kommunen integriert werden!

Zu Punkt zwei der Forderungen an die Landesregierung hatte ich mir am Rand des Antrages mehrfach Fragezeichen oder „Nein“ notiert. Ich verstehe diesen Ansatz einfach nicht. Solange die Bundesregierung keine weiteren Rückführungsabkommen mit anderen Staaten hat, müssen die Leute weiterverteilt werden. Dann ist davon auszugehen, dass sie über lange Zeiträume hier sind. Rücküberstellungen nach Dublin-III geschehen da, wo es möglich ist. Da wo sich Staaten wehren, wie Italien oder Polen momentan es tun, muss man realistisch bleiben. Ein absolutes No-Go bleibt für uns der letzte Satz des Punktes. Wir lehnen Abschiebehafteinrichtungen weiter ab. Punkt drei erschließt sich mir noch weniger. Es gibt keine europäischen Standards, an denen man sich orientieren kann. Wir machen das hier nach deutschem Recht. Es gibt keine einfache Rechnung rumänische Standards plus deutsche Standards geteilt durch zwei. So wollen kann man nicht rechnen. 

Bei Punkt vier wären wir kompromissbereit: Guthabenbasierte Kreditkarten könnten sich eventuell als sinnvoll erweisen. Aber so wie es hier formuliert ist, nämlich dass grundsätzlich auf Sachleistungen umgestiegen werden soll, würde man für einen Bürokratieausbau sondergleichen sorgen. Ich erinnere mich da noch an das Geächze der Verwaltung, als wir so etwas mal hatten. Und wenn wir eines nicht gebrauchen können, liebe FDP, dann ist das momentan mehr Verwaltung. 
Bei Punkt fünf, der Zentralisierung und Digitalisierung von Verfahren und Leistungen der Ausländerbehörden sowie der Einrichtung einer Einrichtung wie GERAS, könnten wir zustimmen. Die Erfahrungen mit der Tötung in Boostedt zeigen, dass wir uns hier neu aufstellen müssen – auch in Schleswig-Holstein. Und es ist schön, dass die Koalition sich jetzt auf dem Migrationsgipfel endlich bewegt hat. 

Die weiteren Maßnahmen, die im zweiten Abschnitt des Antrages gelistet werden, lehnen wir wieder ab. Weitere sogenannte sichere Herkunftsländer, so wie sie momentan gestaltet sind, sind für uns einfach keine Option. Schon gar nicht, wenn dies wie derzeit zu unterschiedlichen Fristen im Asylverfahren führt.
Insofern finden wir es schon sehr befremdlich, wenn der Ministerpräsident eine Position auf Bundesebene vertritt und einen konkreten Vorschlag macht, der nicht mit seinem grünen Koalitionspartner abgestimmt ist. Gerade in dieser Frage hätten wir mehr Rückgrat erwartet. 
Der folgende zweite Punkt mutet aktuell illusorisch an. Die Verfahren dauern oft zu lang. Dafür gibt es aber Gründe. Und der Hauptgrund ist, dass die Verfahren bei uns im Bundesland nicht zentral gebündelt sind und so die Kommunalverwaltung entlastet wird. Es ist also eher eine administrative Frage als alles andere. Punkt drei der weiteren Maßnahmen spricht erneut von einheitlichen europäischen Standards. Die gibt es nicht! Und so wie es hier formuliert ist, sehe ich einfach nur ein Absenken deutscher Standards. Das individuelle Recht auf Asyl ist ein hohes Gut. Und man muss sich sehr genau überlegen, welche Konsequenzen es hat, möchte man hier Abstriche machen. 
Das, was uns weiterhin ausmachen sollte, ist Menschlichkeit. Verfahren müssen sich verbessern, ja. Aber sie müssen fair bleiben. 

 

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