Rede · 12.10.2007 Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraumes


Die Idee des Europäischen Forschungsraums geht über 30 Jahre zurück. In den 70’er Jahren prägte ihn der damalige Forschungskommissar Ralf Dahrendorf mit dem Ziel, die Vernetzung der Maßnahmen zwischen Mitgliedsstaaten und Europäischer Kommission im Bereich Forschung und Entwicklung voranzubringen. Der Europäische Forschungsraum soll mit anderen Worten einen Binnenmarkt für die Forschung schaffen, um die gesamteuropäische Zusammenarbeit und Koordination von nationalen Forschungsaktivitäten zu stärken.

Ein weiterer Meilenstein zur Umsetzung dieser Vision war die so genannte Lissabon-Strategie der EU-Mitgliedsstaaten. Kernpunkt dieser Strategie ist die Absichtserklärung, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3% des Bruttoinlandsproduktes steigen sollen. Davon sollen die Wirtschaft 2/3 und der Staat 1/3 aufbringen. Das 3%-Ziel ist kein Selbstzweck, rufe ich in Erinnerung, denn die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind eine wichtige Messgröße für Innovationswillen und Innovationsvermögen eines Landes.

Neben den Ausgaben für Forschung und Entwicklung ist das Personal in diesen Bereichen der wichtigste Indikator für den Input in Forschung und Entwicklung, der in einem Land oder in einem Sektor der Forschungslandschaft geleistet wird.  Eine Steigerung der Mittel für Forschung und Entwicklung bedingt eben auch eine Steigerung der in diesem Bereich tätigen hoch qualifizierten Personen.
Ich hebe diese beiden Punkte hervor – die Aufstockung der Mittel für Forschung und Entwicklung und die effizientere Nutzung des vorhandenen Begabungspotentials – weil sie fast schon ein Symbol dafür sind, dass die Idee eines Europäischen Forschungsraums erst dann Wirklichkeit wird, wenn mehr Geld und mehr Ressourcen in diesen Sektor hineinfließen.  Da reicht es eben nicht, dass Bund und Länder im Dezember 2006 in einer gemeinsamen Vereinbarung das Ziel, 3% des Bruttoinlandsproduktes in Forschung und Entwicklung zu investieren, noch einmal bestätigen.

Konkret bedeutet dies aus Sicht des SSW, dass an dem Fundament für einen Europäischen Forschungsraum noch vieles verbessert werden muss, ehe uns das Grünbuch der EU-Kommission „Der Europäische Forschungsraum: Neue Perspektiven“ wirklich weiter hilft. Nicht nur die Unterfinanzierung unserer Hochschulen ist ein Problem. Auch die Tatsache, dass immer noch zu wenige Frauen in Forschung und Lehre tätig sind, stellt letztlich ein Entwicklungshemmnis dar. Denn die Forderung nach gleichen Chancen für Frauen ist längst nicht mehr ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, sie ist viel mehr ein wichtiger Erfolgsfaktor in der Wissensgesellschaft. Die unzureichende Repräsentanz von Frauen in Wissenschaft und Forschung, insbesondere in den Führungspositionen, gehört also nach wie vor zu den gravierenden Modernisierungs- und Demokratiedefiziten unserer wissenschaftlichen Einrichtungen. Eine wettbewerbsorientierte Schwerpunkt- und Profilbildung der Hochschulen und Forschungseinrichtungen wie auch eine Stärkung ihrer Konkurrenzfähigkeit im internationalen Vergleich muss deshalb eine nachhaltige Durchsetzung der Chancengleichheit im Wissenschaftsbereich zur Voraussetzung haben. Aber, wie gesagt: alles dies ist wohl bekannt, denn hier trifft der abgedroschene  Satz vom Handlungsdefizit nun wirklich zu.

Da die Entwicklung auf EU-Ebene aber weiter geht, macht es natürlich Sinn, dass auch in Schleswig-Holstein eine Debatte darüber angestoßen wird, wie wir insgesamt unsere Forschungseinrichtungen in diesem neuen Europäischen Forschungsraum positionieren können. Dazu gehört genau so die Auswertung des Grünbuches wie die Formulierung einer Strategie für den Abbau von Mobilitätshemmnissen im Wissenschaftsbereich. Dass wir es dabei mit einem weiten Feld zu tun haben, zeigt ein Blick über die deutsch-dänische Grenze. Denn in unserem nördlichen Nachbarland hat sich die Regierung das Ziel gesetzt, diese Hemmnisse durch steuerliche Anreize abzubauen. – Was meiner Meinung nach belegt, wie wichtig es ist, zu einer europäischen Lösung hinsichtlich der Etablierung eines „Binnenmarktes“ für Forschung zu gelangen.

Mit dem 7.Forschungsrahmenprogramm der EU für den Zeitraum 2007-2013 steht den Mitgliedstaaten der EU nun auch ein wichtiges Finanzinstrument für die Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums zur Verfügung. Ohne jetzt die Debatte wiederholen zu wollen, die wir Anfang des Jahres hier im Landtag dazu führten, möchte ich nur noch einmal auf den damaligen Bericht der Landesregierung verweisen, der ja eine ganze Reihe von Problemen bei der Inanspruchnahme dieses Programms deutlich machte. Er belegte zum Beispiel eindrucksvoll, dass wir in Schleswig-Holstein häufig nicht die hohen Ausschreibungsanforderungen dieses Forschungsprogramms erfüllen können – wegen fehlender personeller Ressourcen und fachlicher Kapazitäten. Denn der Aufwand ist sehr groß und potenzielle Antragsteller müssen sich bereits im Vorfeld über die Möglichkeiten des 7. Forschungsrahmenprogramms informieren und schon frühzeitig mögliche Projektpartner ansprechen, damit sie überhaupt eine Chance haben, an diese Forschungsgelder heranzukommen – zumal Fördermittel, laut Bericht, zunehmend von regionalen Programmen auf überregionale Programme verlagert werden.

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