Rede · 23.02.2006 Branchenspezifische Mindestlöhne

Die Diskussion um die Einführung eines wie auch immer gearteten Mindestlohns in Deutschland läuft nun schon seit Monaten und es wird Zeit das wir vom Reden zum Handeln kommen. Leider haben wir in Schleswig-Holstein nur begrenzte Möglichkeiten, da es im Grunde auf Bundesebene und zwischen den Tarifparteien geregelt werden muss. Aber ich bin dennoch froh, dass es trotz gegensätzlicher Auffassungen im Wirtschaftsausschuss gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag zu formulieren, den auch der SSW unterstützen kann. Somit geht von Schleswig-Holstein das politische Signal aus, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag die Notwendigkeit eines Mindestlohnes auf jeden Fall in einigen Branchen unterstützt.

Die Anhörung zum Ursprungsantrag der Grünen im Ausschuss machte sehr deutlich, wo die Konfliktlinien in dieser Diskussion liegen. Sowohl die Gewerkschaften als auch die Arbeitgeber machten eindrucksvoll deutlich, wie wichtig der bereits geltende Mindestlohn für die Baubranche in Schleswig-Holstein ist. Trotz aller Probleme, die sich im Detail natürlich bei der Umsetzung ergeben, zeigen die Erfahrungen mit dem Mindestlohn beim Bau, dass damit konkret Arbeitsplätze und Umsatz im Lande erhalten bleiben. Übrigens sahen es die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände ähnlich.

Positiv ist denn auch, dass der gesamte Landtag die Absicht der Bundesregierung, das Arbeitnehmerentsendegesetz, das bisher für den Baubereich gilt, auch auf die allgemein verbindlichen erklärten Tarifverträge der Gebäudereiniger zu erstrecken. Auch in dieser Branche haben wir es nämlich bisher leider mit einem extremen Lohndumping zu tun. Für andre Branchen lehnten insbesondere die Vertreter der reinen marktwirtschaftlichen Lehre von der IHK das Instrument der Mindestlöhne vehement ab und sind sogar der Auffassung, dass die Einführung zu großen Arbeitsplatzverlusten in Deutschland führen wird. Das ausgerechnet die IHK, eine solche Haltung vertritt ist eigentlich überraschend, werden sie doch selbst vom als Institution vom Gesetzgeber vor dem Markt geschützt.

Ein Blick über den europäischen Tellerrand zeigt, dass es in 18 von 25 EU-Mitgliedsstaaten bereits gesetzliche Mindestlöhne gibt. In sieben Ländern gibt es diese nicht, wobei man aber sagen muss, dass man zum Beispiel in Dänemark in fast allen Branchen tarifliche Mindestlöhne eingeführt hat. Auch in den USA gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn, der allerdings aus unserer Sicht relativ niedrig ist und über das Steuersystem abgerechnet wird. Dennoch zeigen diese Beispiele, dass das Instrument prinzipiell weltweit anerkannt ist, um den Arbeitnehmern ein Auskommen zu sichern. Nur zum Vergnügen wird kein Land so was einführen.

Das Problem ist eben, dass wir es zunehmend mit dem Phänomen der so genannten „Working-Poor“ zu tun haben. Es handelt sich hierbei um Menschen, die trotz Erwerbseinkommen kaum davon leben können. Leider haben wir auch in der Bundesrepublik mehr und mehr Arbeitnehmer, die zu Dumpinglöhnen oder „Armutslöhnen“ arbeiten. Es gibt Zahlen, die sprechen von bis zu drei Millionen Menschen, die davon betroffen sind. Dies gilt insbesondere für den Osten, wo jeder Fünfte weniger als 1300 Euro brutto im Monat verdient.

Der SSW spricht sich generell für die  Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in den Branchen aus, wo die Tarifparteien nicht selbst dazu in der Lage sind. Wir würden befürworten, dass man dann die vorhandenen Tarifverträge gesetzlich als zu allgemein verbindlich erklärt. Dies ist schon heute durch Bundesgesetz möglich. In allen anderen Bereichen sollten die Tarifparteien selbst Mindestlöhne aushandeln, denn wir wollen natürlich nicht die Tarifautonomie in Frage stellen.

Wichtig ist es allerdings auch, dass der künftige Mindestlohn sich deutlich vom Niveau des Arbeitslosengeldes II unterscheidet – also höher sein wird. Dabei meinen wir, dass der Mindestlohn mindestens acht Euro pro Stunde betragen muss. Wenn jetzt von der Bundesregierung ein Mindestlohn von 6 Euro in Kombination mit einem Kombilohn vorgeschlagen wird ist das aus unserer Sicht viel zu wenig und grenzt schon an Lohn-Dumping. Die Leute, die in diesem Zusammenhang davon sprechen, dass eine solche Höhe des Mindestlohnes angeblich hunderttausende Arbeitsplätze kosten würde, blenden völlig aus, dass wir es in der Bundesrepublik mit einer seit Jahren anhaltenden Krise der Binnenkonjunktur zu tun haben. Ein angemessener Mindestlohn für breite Bevölkerungsschichten würde nahezu eins zu eins in den Konsum investiert werden und somit zu wirtschaftlichem Wachstum in Deutschland beitragen. Wir warten also nun gespannt ab, ob sich die Große Koalition in Berlin zu Einführung von Mindestlöhnen durchringen wird.

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