Rede · 11.09.2008 Bundesratsinitiative zum besseren Schutz von Berufsgeheimnisträgern

Das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung hat zum 1. Januar unter anderem die Strafprozessordnung geändert. Das geschah im Zusammenhang mit der Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus. Der neu eingefügte § 160a StPO enthält eine Vorschrift für Berufsgeheimnisträger, der zufolge wir faktisch eine Zwei-Klassengesellschaft der Berufsgeheimnisträger haben: bei Geistlichen, Strafverteidigern und Abgeordneten besteht ein umfassendes Erhebungs- und Verwertungsverbot für alle Ermittlungsmaßnahmen. Für Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten wird dagegen das Zeugnisverweigerungsrecht nur im Einzelfall gewährt.
Dass diese Zweiteilung nur der Startschuss für weitere Ausweichung der Informationsrechte war, wird die Anhörung zum BKA-Gesetz nächste Woche in Berlin zeigen. Die Eingriffe in die Arbeit von Rechercheuren und Journalisten sollen im Falle eines Terrorismusverdachtes erheblich eingeschränkt werden. Ich möchte hier ein Beispiel anführen: ein Journalist interviewt einen Einwanderer. Wenn der später einmal eine Ausbildung in einem Terrorcamp absolviert, kann das BKA den gesamten E-Mail, Telefon- und Briefverkehr des Journalisten überwachen. Dutzende Unbeteiligte geraten so ins Visier der Überwachung; von den privaten Kontakten, die so ein Journalist nun einmal auch hat, einmal ganz abgesehen. Das sind die Folgen einer überhitzten Entwicklung, die genau das gefährdet, zu dessen Schutz sie einmal angetreten ist: nämlich der demokratischen Grundordnung. Sicherlich ist die scharfe Kritik der Medienschaffenden an diesem Gesetz ein Grund dafür, dass kein Journalist zur Anhörung eingeladen worden ist. Die Einschränkungen in Sachen Informantenschutz scheinen also bereits beschlossene Sache zu sein.
Der SSW sieht die geplante Einschränkung elementarer Bürger- und Grundrechte mit großer Besorgnis, weil sie weitgehend, unangemessen und gefährlich ist. Ich möchte darum ausdrücklich nicht nur über die Arbeit von Rechtsanwälten sprechen, die in nicht nachvollziehbarer Art und Weise eingeschränkt werden. Der SSW fordert den Schutz aller Berufsgeheimnisträger. Diese Zweiteilung der Berufsgeheimnisträger ist unerträglich. Die FDP findet unsere volle Unterstützung bei der Beseitigung der Missstände. Vielleicht ist die kleinteilige Taktik der FDP, die sich zunächst nur mit einer einzigen Gruppe von Berufsgeheimnisträgern beschäftigt, letztlich erfolgreich. Erfolgreicher zumindest als darauf zu hoffen, dass die Änderung der Strafprozessordnung aufgehoben werden könnte oder das BKA-Gesetz verhindert wird.
Ich bin davon überzeugt, dass der Antrag erfolgreich sein. Bei der völlig willkürlichen Unterscheidung der Arbeit der Rechtsanwälte wurde nämlich gesetzestechnisch so schlecht gearbeitet, dass bereits formal die besten Chancen bestehen, diese Neuregelung zu kippen. Eine Trennung der Tatsachen ist in der Praxis eines Anwalts nicht möglich. Häufig gibt ein Mandat Anlass dazu, sich auch mit strafrechtlichen Fragen zu befassen. Denken wir nur ans Steuerrecht. Wenn ein Rechtsanwalt ein Mandat übernimmt, ist diese Entwicklung gar nicht vorauszusehen. Die Neuregelung ist also völlig realitätsfremd.
Außerdem steht zu befürchten, dass bereits ab einer niedrigen Erheblichkeitsschwelle das Zeugnisverweigerungsrecht nicht mehr gegeben sein wird. Dieses Fällen einer der Säulen unseres demokratischen Systems gilt es unbedingt zu verhindern.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat im letzten Monat eine gleich lautende Gesetzes-Initiative im Bundestag vorgelegt. Ich hoffe, dass – auf welchem Weg auch immer, also über Bundestag oder Bundesrat - die geplante Verschlechterung der Rechte von Berufsgeheimnisträgern gestoppt wird.

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