Rede · 03.05.2005 Das Informationsfreiheitsgesetz in Schleswig-Holstein

Rede zur Veranstaltung von "Mehr Demokratie" am 3. Mai 2005 im Presseclub München


„Unsere parlamentarische Demokratie hat es schwer in diesen Tagen. Das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger ist auf einem Tiefstand angelangt. Dieses Vertrauen mühevoll zurück zu gewinnen liegt eigentlich in den Händen anderer. Wir können aber einen Beitrag leisten, zu zeigen, dass die Demokratie noch lebt.“ So lautete meine Eingangsworte, als ich Ende Januar 2000 zur Zweiten Lesung des vom SSW eingebrachten Entwurfes für ein Informationsfreiheitsgesetz sprach. Zu dieser Aussage stehe ich auch heute noch, denn mit dem neuen Gesetz erhielten die Bürgerinnen und Bürger des Landes Schleswig-Holstein die Möglichkeit, Zugang zu jenen Informationen zu erhalten, die Grundlage für die Ausführung politischer Beschlüsse sind – und daraus folgend für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft.

Das Recht auf freien Zugang zu Informationen ist mehr denn je ein positives Signal des Staates an die Bürger, denn es trägt dazu bei 1.) Transparenz und Vertrauen zwischen Verwaltungen und Bürgern zu stärken, 2.) außerparlamentarische bürgerschaftliche Beteiligung zu fördern und 3.) eine moderne bürgerfreundliche Verwaltung zu ermöglichen.
Wir wollten mit unserem Gesetzentwurf den Abstand zwischen der Bevölkerung und der öffentlichen Hand verkleinern. Wir wollten, dass die Bürgerinnen und Bürger Einblick in das bekommen, was die Verwaltungen auf welcher Grundlage tun. Wir wollten, dass sich die Bürgerinnen und Bürger aktiv in die politische Meinungsbildung einmischen. Wir wollten eine moderne, effiziente, effektive und bürgerfreundliche Verwaltung. Das waren aus der Sicht des SSW die positiven Signale, die mit der Verabschiedung eines Informationsfreiheitsgesetzes vom Landtag ausgehen sollten. Dass sich der SSW als Partei der dänischen Minderheit dabei von einem skandinavischen Politikverständnis leiten ließ, füge ich nur am Rande hinzu. Weiterhin trifft zu, dass wir es damals praktisch mit einem zweiten Anlauf zu tun hatten. Schon Anfang der 90’er Jahre hatte mein Vorgänger im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Karl Otto Meyer versucht, ein Umweltinformationsgesetz auf den Weg zu bringen.

Andererseits konnte man im Januar 2000 auch von daher von einem Triumph der Demokratie sprechen, dass wir uns in der äußerst seltenen Situation befanden, dass das Parlament ein – sogar vollkommen neues – Gesetz verabschiedete, das nicht aus der Regierung oder von den regierungstragenden Fraktionen kam. Das ist bestimmt keine Alltagskost – erstrecht in Deutschland nicht. Ich möchte den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen – auch bei dieser Gelegenheit – meinen Lob dafür aussprechen, dass sie nicht der Versuchung nachgaben, grundlegende Änderungen an unserem Gesetzentwurf zu erzwingen oder ihm anderweitig ihr Stempel aufzuzwingen, nur weil es nicht von ihnen kam. Für uns ist dies auch heute noch ein Zeichen dafür, dass die parlamentarische Demokratie in Schleswig-Holstein gesund ist. In aller Bescheidenheit deute ich diesen Verlauf auch so, dass der SSW einen soliden Entwurf vorgelegt hatte.

Es freut mich noch heute, dass es gelang, eine Mehrheit für ein selbständiges Gesetz zu bekommen. Das Recht auf Zugang zu öffentlichen Informationen ist ein so fundamentales Recht, dass es unserer Ansicht nach nicht in Verwaltungsgesetzen versteckt werden sollte, sondern einer eigenständigen Kodifizierung bedarf. Darüber hinaus haben Bürgerinnen und Bürger, die dieses Gesetz in Anspruch nehmen wollen, mit dem eigenständigen Gesetz eine leichter zugängliche Grundlage – auch wenn sich so manche komplizierte Formulierung nicht vermeiden ließ. Auch das war dem SSW wichtig.

Ein zweiter wichtiger Punkt unseres Entwurfes war die Einsetzung eines Informationsbeauftragten. Wir hatten vorgeschlagen, dass auf diese Weise eine Art Ombudsmannsinstitution für den Informationsbereich geschaffen werden sollte, die als Klageinstanz zwischengeschaltet wird, damit Streitfragen nicht gleich vor den Gerichten enden. Diese Regelung wurde glücklicherweise beibehalten, obwohl sie seitens der Regierung damals nicht nur auf Gegenliebe stieß. Mit dem Datenschutzbeauftragten ist diese Funktion von einer Instanz übernommen worden, von der wir wissen, dass sie ihre Aufgaben qualitativ hochwertig erledigt und das volle Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger genießt.

Unser Gesetzentwurf wurde ein gutes Gesetz, finde ich. Es nimmt den persönlichen Datenschutz sehr ernst und berücksichtigt gleichzeitig die Bedürfnisse der Verwaltungen nach Schutz bestimmter interner Prozesse. Es ist trotzdem gelungen, die Beschneidung des Informationszugangsrechts einzuschränken, weil klaren Regelungen den Vorzug vor allzu flexiblen Generalklauseln gegeben wurde. Das unterscheidet uns z. B. auch wohltuend von dem brandenburgischen Gesetz.
Nach dem Anhörungsverfahren im zuständigen Ausschuss wurde der ursprüngliche Entwurf des SSW weiter verbessert. Zum einen brachten SPD und Bündnis 90/Die Grünen verschiedene Änderungen ein, mit denen der SSW sehr gut leben konnte. Zum anderen schlugen wir selbst Änderungen vor, die vom Ausschuss angenommen wurden.

Im Laufe des Anhörungsverfahrens wurde vor allem von den Kommunalen Spitzenverbänden starke Kritik an die Kostenregelung geäußert. Da wir grundsätzlich der Meinung waren und sind, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht durch zu hohe Kosten von der Inanspruchnahme des Informationsrechts abgeschreckt werden dürfen, schlugen wir eine Kompromisslösung vor, die den Interessen der Verwaltungen weiter entgegen kam, ohne den informationssuchenden Bürgerinnen und Bürgern zu große Hürden aufzubauen. Durch weitere Änderungen wurden unter anderem Formulierungen präzisiert, die Lesbarkeit des Gesetzes verbessert und die Schutzbedürfnisse der Landesregierung in höherem Umfang gewährleistet. Nach den Ausschussberatungen schob der SSW noch eine weitere Änderung nach, um den Landesrechnungshof von den Regelungen des Gesetzes auszunehmen.

Als das Informationsfreiheitsgesetz vom Landtag verabschiedet wurde, war Schleswig-Holstein das dritte Bundesland, das ein Informationszugangsrecht neu schuf. Ich meine, dass Schleswig-Holstein damit Maßstäbe setzte, die sowohl unter den Bundesländern als auch für ein Bundesgesetz wegweisend sind. Leider haben wir bis heute noch keine bundesdeutsche Regelung des Informationszuganges. Das schleswig-holsteinische Informationsfreiheitsgesetz ist eine gute Grundlage, um den Bund aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken und sich aktiv an der noch anstehenden Gesetzgebung der Informationszugangsrechte auf Bundesebene zu beteiligen. Nur Mut sollten wir ihm zurufen. Das gilt natürlich auch für den Freistaat Bayern.
Mit diesem Gesetz ist Schleswig-Holstein bundesweit also zur Vorreiterin in Sachen Datenschutz und Informationsfreiheit geworden. Dennoch mussten wir im letzten Herbst erkennen, dass sich nach vier Jahren Informationsfreiheit langsam herausgestellte, was noch besser gemacht werden kann, denn die Diskussion um die Einführung von Informationszugangsrechten ist seit der Verabschiedung unseres Gesetzes weitergegangen. Dies kam auch zum Ausdruck in dem Symposium, das der Schleswig-Holsteinische Landtag und das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz im Dezember 2003 aus Anlass des „Datenschutz-Jahres“ unter der Überschrift „Vom Norden lernen“ im Landtag durchführte.

Dies betrifft insbesondere das Problem der sogenannten „Flucht ins Private“. Gemeint ist, dass ein an sich gegebener Anspruch auf Informationen dadurch unterlaufen wird, dass öffentliche Aufgaben privatisiert werden. Dieses Problem hat sich im Laufe der letzten Jahre mit den zunehmenden Privatisierungstendenzen in unserer Gesellschaft immer mehr verschärft. Mit anderen Worten: mit unseren Änderungsvorschlägen wollen wir den Informationszugang jetzt noch bürgerfreundlicher gestalten, denn der Sinn von Informationsfreiheit ist doch, dass der Staat den Bürgern gegenüber so transparent wie möglich darstellt, welche Aufgaben er für sie erledigt.

Deshalb hatte der SSW im Herbst 2004 eine Novellierung des Informationsfreiheitsgesetzes eingebracht, um zu erreichen, dass die Bürgerinnen und Bürger auch dort, wo öffentliche Aufgaben durch private Unternehmen erledigt werden, ein Recht auf Informationen bekommen. Während das Informationsfreiheitsgesetz heute schon den Informationszugang zu Behörden eröffnet, sollten also künftig auch Daten von privaten Unternehmen zugänglich sein, wenn sie sich einer öffentliche Aufgabe annehmen. Im Prinzip galt dieses zwar auch schon im bestehenden IFG, aber es wird vielfach der Standpunkt vertreten, dass bei privatrechtlichem Handeln einer Behörde oder eines Privaten das IFG keine Anwendung findet.

Deshalb ist es heute noch so, dass viele dieser Unternehmen ihre Informationen zurückhalten mit der Begründung, dass sie keine Behörden im Sinne des IFG sind. Da aber immer mehr öffentliche Aufgaben in den halbprivaten und privaten Bereich verlagert werden, muss die Informationsfreiheit auch dort gelten, wo öffentliche Aufgaben durch private Unternehmen erledigt werden. Die gesetzlichen Bestimmungen zu den Geschäftsgeheimnissen Privater bleiben davon unberührt.

Die bisherige Fassung des Informationsfreiheitsgesetzes nutzt den Behördenbegriff des schleswig-holsteinischen Verwaltungsgesetzes, wonach Behörde jede selbständige Stelle ist, die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeiten ausübt, und verpflichtet Private nur insoweit, als diese in die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben eingebunden sind. An der Benutzung des Wortes „rechtlich“ an dieser Stelle hat sich ein Streit entzündet. Daher wollten wir mit unserer Novelle eine Klarstellung leisten, indem der Zusatz „rechtlich“ gestrichen wird

Mit unserem Gesetzentwurf wird, auch die EU-Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG umgesetzt, die bis zum 14.Februar 2005 in Landesrecht umgemünzt werden muss. Diese EU-Richtlinie besagt in Klammern bemerkt, dass zukünftig ein direkter Informationsanspruch gegenüber Privaten besteht, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen. – Also, genau das, was wir mit unserer Novellierung erreichen wollten.
Im übrigen hatte die Bundesregierung am 21.Juni 2004 dem Bundesrat einen Entwurf zu einem Umweltinformationsgesetz - zur Umsetzung der EU-Richtlinie – zugeleitet. Dieser Gesetzentwurf sieht vor, dass nur informationspflichtige Stellen der Bundesebene von einem Umweltinformationsgesetz des Bundes betroffen sind. – Soll heißen, dass die Länder eigene Umweltinformationsgesetze zu verabschieden haben.

Mit unserer Gesetzesnovelle würde man die Umsetzung der EU-Richtlinie innerhalb der bestehenden Gesetze regeln, statt ein spezielles Umweltinformationsgesetz zu schaffen. Wir sagen also, dass das IFG gleichzeitig den Zugang zu Umweltinformationen regeln soll, damit die Bürger nicht auf verschiedene Gesetze angewiesen sind, um ihr Recht auf Zugang zu öffentlichen Informationen geltend zu machen.

Im Gegenzug wollen wir damit aber auch erreichen, dass sich die Einbeziehung privater Unternehmen nicht nur auf Umweltinformationen beschränkt, sondern für alle Ersuchen um Informationszugang gilt. – Soweit sie öffentliche Zuständigkeiten oder öffentliche Aufgaben haben oder öffentliche Dienstleistungen erbringen.

Mit der Verabschiedung dieser Novelle hätten wir also einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass Schleswig-Holstein seine Vorbildfunktion in den Bereichen Datenschutz und Informationsfreiheit weiter ausbauen könnte. Leider können wir uns im Laufe des Gesetzgebungsverfahren nicht mit SPD und den Grünen über diese Änderungen einigen und zogen daher unseren Gesetzentwurf im Januar 2005 kurz vor der Landtagswahl zurück. Wir werden nun einen überarbeitenden Entwurf wieder einbringen und hoffen, dass die neu gebildete Große Koalition positiv auf diesen neuen Anlauf reagieren wird. Der Initiative Mehr- Demokratie wünsche ich viel Erfolg mit ihren Initiativen in Bayern und auf Bundesebene. Das schleswig-holsteinische Beispiel zeigt trotz allen Hindernissen: es lohnt sich für mehr Informationsfreiheit zu kämpfen.

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