Rede · 20.09.2023 Der Fachkräftemangel ist längst da und braucht bessere Antworten

„Wir müssen massiv in die Entwicklung von Fachkräften und in ihren Verbleib in den Kitas investieren. Und wir müssen perspektivisch dafür sorgen, dass der Zugang zur Kita für die Familien kostenfrei gestellt wird.“

Christian Dirschauer zu TOP 11+36 - Personalbedarf im Erziehungsbereich berechnen und Kindertagesförderungsgesetz (KiTaG) weiterentwickeln (Drs. 20/1172 und 20/1378)

Wenn ich ehrlich bin, dann stelle ich mir aus meiner ganz persönlichen Sicht als Kita-Vater immer öfter eine ganz zentrale Frage. Und zwar danach, wie die Menschen, die in der Kita arbeiten, ihren Arbeitsalltag überhaupt noch schaffen. Egal ob Leitungskräfte, Erzieherin, SPA oder weiteres Personal: Alle scheinen seit langem unter großem Druck und damit häufig an der Belastungsgrenze zu arbeiten. Viel zu oft wissen sie nicht, was der Tag bringt, weil wieder mal krankheitsbedingte Ausfälle aufgefangen werden müssen oder andere unvorhergesehene Dinge die Abläufe durcheinanderwirbeln. Und doch versuchen sie Tag für Tag nicht nur dem Anspruch der Eltern, sondern vor allem auch ihrem eigenen Anspruch an eine gute, kindgerechte Arbeit zu genügen. Ich denke, dieser Einsatz verdient unseren größten Respekt und unsere volle Anerkennung. Das ist mir gerade mit Blick auf diese Debatte heute wichtig, zu betonen.

Wir alle wissen es und haben es auch schon mehrfach hier im Plenum bewegt: Schleswig-Holstein bietet den Eltern nach wir vor zu wenig Betreuungsplätze und steht gleichzeitig vor einem massiven Fachkräftemangel. Und zwar nicht nur in der Kita, sondern auch in anderen Bereichen wie der Jugendhilfe. Damit ist längst absehbar, dass sich die Personalsituation in den Einrichtungen noch weiter zuspitzen wird. Für den SSW habe ich mehrfach betont, dass wir bei diesem Thema Verständnis dafür haben, dass sich CDU und Grüne mit einer Lösung schwertun. Auch uns ist bewusst, dass man sich kein Personal backen kann. Umso wichtiger ist es aber, die richtigen Weichen zu stellen und perspektivisch für mehr qualifiziertes Personal und damit für Entlastung zu sorgen. Da mag mehr Autonomie für die Kitas zwar ein Teil der Lösung sein. Aber das Absenken von Standards, wie es zu Beginn der Woche von der Ministerin verkündet wurde, bleibt der falsche Weg, weil er die Qualität bedroht. 
Das von SPD, FDP und SSW beantragte Prognosetool zur Berechnung und Darstellung des Fachkräftebedarfs kann dagegen zumindest mittelfristig einen wichtigen Beitrag leisten. Nach unserer Auffassung ist es nämlich eine absolute Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Strategie gegen den Fachkräftemangel, dass wir den Bedarf möglichst genau kennen. Auf dieser Basis lassen sich dann vor allem die Ausbildungsbedarfe deutlich besser planen und die Kapazitäten erhöhen. Genau das sollte unser aller Ziel sein. Und zwar möglichst regional verteilt, weil auch lange Fahrten zum Ausbildungsort unattraktiv sind und im Zweifel abschrecken. Gleichzeitig ist aber hoffentlich allen klar, dass eine solche Prognose und Anpassung der Ausbildungsplätze nur ein Teil der Lösung sein kann. Für uns steht zumindest fest, dass wir endlich auch die Arbeitsbedingungen für diejenigen verbessern müssen, die schon heute in den Kitas arbeiten. Denn die Fluktuation der Beschäftigten ist deutlich zu hoch. Und das liegt nun einmal an der hohen Belastung bei gleichzeitig nicht gerade üppiger Bezahlung.

Leider wird auch die beste Fachkräfteoffensive Zeit brauchen, bis sie Wirkung entfaltet und die Situation in Kita und Jugendhilfe entspannt. Gleichzeitig sieht es bekanntlich nicht allzu rosig aus, wenn wir auf die Finanzlage des Landes blicken. Doch auch wenn der Druck dadurch absehbar noch steigt, muss aus meiner Sicht eins klar sein: Am Grundkonsens, den alle als Ausgangspunkt der Kita-Reform mitgetragen haben, darf nicht gerüttelt werden. Die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen darf nicht in der Absenkung der Kita-Standards und der Qualität in den Einrichtungen liegen. Und sie darf eben auch nicht in der Anhebung der Elternbeiträge oder in der Erhöhung kommunaler Anteile an der Finanzierung liegen. Im Gegenteil: Wir müssen massiv in die Entwicklung von Fachkräften und in ihren Verbleib in den Kitas investieren. Und wir müssen perspektivisch dafür sorgen, dass der Zugang zur Kita für die Familien kostenfrei gestellt wird. Das mag manch einer in diesen Zeiten vielleicht für naiv oder sogar utopisch halten. Es ist aber aus meiner Sicht der einzig richtige Weg, wenn wir wirklich Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit wollen. 

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