Rede · 26.01.2005 Europabericht 2003/2004

Viele Menschen assoziieren Europa mit einer bürgerfernen und undurchschaubaren Bürokratie. Dabei bestimmen EU-Programme, Richtlinien und Vorschriften unser politisches Leben in steigendem Umfang. Der Vorwurf der bürgerfernen Bürokratie wie auch die Befürchtung, dass die EU-Eingriffe eher zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen in Deutschland führen, deuten darauf hin, dass noch viele Abstände – konkrete und gefühlte - in der Europapolitik überwunden werden müssen. Der SSW tritt dafür ein, sich in die Europa-Politik einzumischen, sich zu Wort zu melden und so die Maßnahmen mitzugestalten.

Ein gutes Beispiel führt der Bericht der Ministerpräsidentin an: Das Grünbuch zur maritimen Politik. Schleswig-Holstein als das Land zwischen zwei Meeren braucht eine verlässliche und koordinierte maritime Politik. Wasser macht bekanntlich nicht an Grenzen Halt. Schiffssicherheit, aber auch das fast explosionsartige Anwachsen der Containerschifffahrt stellen Herausforderungen an die politischen Entscheider, die kein Land allein bewältigen kann. Es ist vorbildlich, dass Schleswig-Holstein in diesen Fragen auf der europäischen Ebene auf verbindliche Entscheidungen drängt. Inzwischen hat die neue EU-Kommission der maritimen Politik einen hohen Stellenwert eingeräumt. Hier müssen wir dran bleiben.

Wer vor den Konsequenzen der Entscheidungen in Brüssel und Straßburg die Augen verschließt, muss mit unkalkulierbaren Kosten rechnen. Ich möchte hier nur ein Beispiel nennen. Die Kommunen in Schleswig-Holstein sind bis auf eine Handvoll Ausnahmen nicht in der Lage, Anträge für europäische Programme auszuformulieren. Die kleinen Kommunen haben einfach nicht die nötigen Ressourcen für die Antragsgestaltung. Ich bin davon überzeugt, dass wir mehr Fördergelder nach Schleswig-Holstein holen könnten, vorausgesetzt wir hätten europafähige Kommunen. Da müssen wir schleunigst Anschluss halten. – Soll heißen: Die vor kurzem durchgeführte Anhörung im Europaausschuss zu genau diesem Thema hat uns ja auch noch mal vor Augen geführt, dass es noch einiges zu tun gibt. Dennoch muss ich auch an dieser Stelle darauf hinweisen, dass größere Kommunen die zukünftigen Herausforderungen, die aus Brüssel auf uns zu kommen werden, besser bewältigen können.

Bei einem Besuch des Hanse-Office konnte sich die SSW-Landtagsgruppe davon überzeugen, welche Potenziale dieses Büro für unser Land erschließt. Dennoch müssen wir uns mit der frage befassen, wie die Brüsseler Seite der Landespolitik künftig zu gestalten ist. Wir müssen unsere Stärken weiter stärken, und das heißt auch das Hanse-Office, das vor Ort über hervorragende Kontakte verfügt. Hinzu kommt, dass das Office keine Einbahnstraße ist: es sendet in schöner Regelmäßigkeit Warnsignale in den Norden, wenn EU-Initiativen sich gegen die Interessen Schleswig-Holsteins zu entwickeln drohen. Das Frühwarnsystem scheint weitgehend zu funktionieren.

Europa-Politik ist im besten Sinne des Wortes grenzüberschreitend. Dänemark bleibt natürlich, allein schon geografisch, der unmittelbare EU-Nachbar für Schleswig-Holstein. Ich hätte mir gewünscht, in dem Bericht etwas mehr Konkretes über den momentanen Status der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Kiel und Aabenraa bzw. Kopenhagen zu erfahren. Aus Sicht des SSW wird es aber nicht zuletzt darauf ankommen zu begreifen, dass auch wir uns mit der Bildung einer Syddansk Region neu aufstellen müssen. Zumal vorhersehbar ist, dass das Land künftig mehr noch als bisher Ansprechpartner sein wird.

Mit anderen Worten: nach dem 20.Februar muss die Landesregierung in die Puschen kommen, um klar zu machen, welche strategischen Interessen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit künftig Priorität haben sollen. Der SSW hat schon mehrfach hervorgehoben, dass dies nur durch die Gestaltung eines gemeinsamen deutsch-dänischen Leitbildes geschehen kann. Die aktuelle Situation in Flensburg mit dem Verlust von bis zu 700 Arbeitsplätzen bei Danfoss belegt, wie wichtig so ein gemeinsames Leitbild für die Region ist. In diesen Zusammenhang passt auch, dass Schleswig-Holstein insgesamt – und nicht nur die Regionen, die konkret an der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beteiligt sind – ein deutliches Interesse daran haben, dass die „klassischen“ Interreg-Programme erhalten bleiben.

Auch die Ostseekooperation wird Schleswig-Holstein künftig vor neuen Herausforderungen stellen. Der Bericht der Landesregierung belegt eindrucksvoll, was jetzt schon läuft. Aus Sicht des SSW hat die Ostseepolitik aber nicht nur eine „Brüsseler Seite“ – sie hat einen Wert an sich, weil sie nicht nur durch staatliche Kooperation, durch Wirtschaftsinitiativen oder durch EU-Programme geprägt ist. Die Ostseezusammenarbeit ist auch eine Bewegung „von unten nach oben“ ist. Dies ist ein wertvoller Ansatz auch unter europapolitischen Gesichtspunkten. Wenn wir dieses weiterhin wollen, weil diese Politikfelder zur Zukunftssicherung des Landes beitragen, dann müssen wir dafür auch verstärkt Ressourcen zur Verfügung stellen, sowohl auf Verwaltungsebene als auch im politischen Raum.

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