Rede · 03.05.2006 Informationsfreiheitsgesetz

Kurz vor der Landtagswahl 2000 gelang es dem Parlament nach schwierigen und langen Verhandlungen einen wirklichen Durchbruch für Schleswig-Holstein zu erzielen: Das Land bekam mit den Stimmen von SSW, SPD und Bündnis90/Die Grünen zum ersten Mal ein Informationsfreiheitsgesetz, das den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu öffentlichen Informationen erleichterte. Schwierig war es unter anderem, weil sich insbesondere das Innenministerium bis zuletzt gegen ein solches Gesetz wehrte. Das muss man sich vor Augen halten, wenn man den heutigen Gesetzentwurf der Landesregierung bewertet.

Mit dem genannten Gesetz wurde Schleswig-Holstein zum Vorreiter in Sachen Informationsfreiheit, und bei der ersten Evaluation 2002 stellt das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz dem Gesetz allen Unkenrufen zum trotz sehr gute Noten aus. So unterstrich das ULD, dass „negative Konsequenzen aus der größeren Offenheit der Behörden nicht bekannt waren“ und, dass „die befürchteten Abgrenzungsprobleme zu anderen Gesetzen sich in den weitaus meisten Fällen nicht gestellt haben“. Gerade das waren aber die entscheidenden Argumente der Gegner des Gesetzes, die in erster Linie aus dem Innenministerium und dem kommunalen Bereich kamen.

Als der SSW Anfang 2005 eine Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes einbrachte, ging es also nicht darum, dass das bestehende Gesetz schlecht war, sondern der Grund war, dass es eine neue EU-Richtlinie gab, die vorsah, den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen zu erweitern. Die Vorgaben dieser Richtlinien sollten bis zum 14. Februar 2005 von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union umgesetzt werden.

Hierbei ging es uns insbesondere darum, dass der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu Informationen auch auf öffentliche Aufgaben erweitert wird, wenn diese privatisiert werden. Wir wollten dieses aber nicht nur auf Umweltinformationen beschränkt wissen, sondern waren der Auffassung, dass alle Bereiche, wo öffentliche Aufgaben geleistet werden, mit einbezogen werden sollten. Daher wollten wir kein gesondertes Gesetz für Umweltinformationen. Unser Gesetzentwurf sah vor, dass die Vorgaben der neuen Umweltrichtlinie in das bestehende Informationsfreiheitsgesetz eingearbeitet wurden. Wegen der Landtagswahl schafften wir es leider nicht, uns darüber mit SPD und Bündnis90/Die Grünen zu einigen. Wir haben unseren damaligen Gesetzentwurf nach der Landtagswahl somit wieder eingebracht, mussten aber mit der Ausschussarbeit auf den nun eingebrachten Regierungsentwurf warten.

Der Innenminister legt nun zwar die notwendige Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes dem Landtag vor - und dieses dankenswerterweise nicht in einem gesonderten Gesetz, das will ich hier ausdrücklich lobend hervorheben. Aber dennoch ist der SSW von dem vorliegenden Gesetzesentwurf schwer enttäuscht. Denn im Verhältnis zum Status Quo in Schleswig-Holstein ist das Gesetz kein Informationsfreiheitsgesetz, sondern eher ein Informationszugangsbeschränkungsgesetz. Ich will das gerne im Einzelnen erläutern:

Nach dem jetzigen Gesetzesstand können die Bürgerinnen und Bürger Informationen nach der detailliert ausgeführten Umweltinformationsrichtlinie direkt abfragen. Weiter können sie auch schon nach dem bestehenden Informationsfreiheitsgesetz  zumindest in einigen Bereichen sonstige Informationen abfragen, auch wenn sie bei privatrechtlichem Handeln von Behörden und bei der Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Aufgaben durch Private anfallen. Dies war zwar bisher umstritten, und deshalb wollten wir es gesetzlich genau festlegen, aber es war schon immer möglich.

Nach dem Willen der Landesregierung soll der letzte Teil nun gänzlich entfallen, so dass man zukünftig zwar Umweltinformationen weiter bei privatrechtlichen Tätigkeiten abfragen kann, bei den übrigen Informationen aber nicht. Abgesehen davon, dass dies sehr unlogisch erscheint, weil es dann zwei unterschiedliche Arten von Informationen gibt, so würde die Verabschiedung des Gesetzes also dazu führen, dass die Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein an Informationen zu gelangen, schlechter werden als sie es ohne Verabschiedung des Gesetzes sind.

Wenn man sich vor Augen hält, dass gerade auch diese Landesregierung die Privatisierungen weiter voran treiben will, ist es aus meiner Sicht unverständlich, warum man nicht den Bürgerinnen und Bürgern zumindest die Möglichkeit gibt, sich in allen Fällen – nicht nur im Umweltbereich – die gewünschten Informationen zu holen. Wobei immer klar ist, dass das Betriebsgeheimnis gewahrt bleiben muss. Das hat auch unser Gesetzentwurf nie in Frage gestellt.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich im Sinne eines SPD-Innenministers sein kann, den Informationszugang der Menschen im Lande auf diese Weise einzuschränken. Daher appelliere ich an Sie, Herr Stegner,  machen Sie das Informationszugangsgesetz zur Chefsache und geben Sie sich einen Ruck, indem Sie und die regierungstragenden Fraktionen sich vernünftigen Änderungsvorschlägen nicht verschließen. Noch haben wir die Chance gemeinsam dafür zu sorgen, dass wir ein Informationsfreiheitsgesetz beschließen, dass auch weiterhin als Vorbild für ganz Deutschland gelten kann.

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