Rede · 12.10.2016 Liebe CDU - Kopien wählt man nicht!

Lars Harms zu TOP 12 u.a. - Gesetz über die Integration von Migrantinnen und Migranten in Schleswig-Holstein u.a.

„Der Gesetzentwurf der CDU ist integrationsfeindlich, enthält Selbstverständlichkeiten, die jetzt schon erfüllt werden, und ist zudem auch noch schlecht von der CSU abkopiert.“

Wer bei der CSU abschreibt ist im Regelfall nicht auf der sicheren Seite, wenn es um gute und nachhaltige Politik geht. Und im Bereich der Migrationspolitik gilt dies im Besonderen. Dass die Landes-CDU dies trotzdem getan hat, zeugt erst einmal von einer grundsätzlichen Schwäche der Landes-CDU. Aber dann sind da ja auch noch die Fehler, die sich dann einschleichen. Dazu aber später mehr. 

Erst einmal hört es sich natürlich gut an, wenn man laut Gesetzestext als Land Angebote der Migrationsberatung, Deutschkurse oder Sportförderung zu unterstützen hat. Auch, dass sich das Land gegen Diskriminierung und gegen Rassismus einsetzen soll, ist richtig. Aber das geschieht jetzt schon! 

Die Küstenkoalition hat die Mittel für die Migrationsberatung aufgestockt.

Die Küstenkoalition gewährt im Land Schleswig-Holstein auch Deutschkurse für Flüchtlinge, die sonst keinen Anspruch darauf hätten.

Die Küstenkoalition hat die Förderung des Sportes verbessert und auch die Sportstättenförderung finanziell besser unterlegt.

Die Küstenkoalition hat die Programme zur Bekämpfung von Radikalismus und Homophobie besser ausgestattet.

Und die Küstenkoalition hat auch die Rückkehrberatung im Land mit Erfolg verbessert.

Dafür ist also kein Gesetz nötig, sondern eine gute Regierung und eine gute Koalition – und die hat das Land Schleswig-Holstein schon!

Im Übrigen kann man ja auch die Erfolge im vorliegenden Bericht unter Drucksachennummer 18/4619 nachlesen.

Mit dem so genannten Integrationsgesetz will die CDU nur noch einmal deutlich machen, dass es ihr um Abschreckung geht. Und zwar nicht nur in Bezug auf zu uns kommende Migranten, sondern auch um Abschreckung der einheimischen Bevölkerung vor Migranten. Da wird eine Bekämpfung von Vollverschleierung gefordert, obwohl die Vollverschleierung hier überhaupt keine Rolle spielt. Damit spielt man nur mit Ängsten und Vorurteilen und will das Thema am Kochen halten.

In die gleiche Richtung geht die immer wiederkehrende Forderung der CDU nach einer Abschiebehaftanstalt. Aber auch dazu noch einmal zum Mitschreiben: Man knastet nicht unschuldige Menschen ein! Eine Haftanstalt ist für Verbrecher da, nicht für Flüchtlinge. Flüchtlinge sind nicht per se Verbrecher. Und deshalb brauchen wir auch keinen Abschiebeknast. Was vorgeschrieben ist, ist ein Ausreisegewahrsam - und bei uns mit humanen Rahmenbedingungen! Dass die CDU kategorisch per Gesetz fordert, ein solches Ausreisegewahrsam in eigener Verantwortung, also ohne Kooperation mit Hamburg zu betreiben, schlägt dem Fass den Boden aus. Verbal wird immer wieder die Zusammenarbeit mit Hamburg hervorgehoben, aber wenn es darauf ankommt, dann wird jede Kooperation mit den Hamburgern wieder von der CDU torpediert.

Aber kommen wir nun zu den Fehlern beim Abschreiben des CSU-Gesetzentwurfes. Die notwendigen Kosten für einen Übersetzer bei Behörden sollen durch die Behörde nicht mehr selbst getragen werden. Dies soll sogar gelten, wenn dem andere gesetzliche Regelungen entgegen stehen. Bedingung für die Kostenpflicht für den Bürger ist das Erreichen des 18 Lebensjahrs und zwar unabhängig davon, ob man Ausländer ist oder nicht, und dass man in den letzten sechs Jahren drei Jahre im Land war. Dies betrifft also zum Beispiel alle volljährigen Minderheitenangehörigen im Land Schleswig-Holstein, für die wir diese Kostenauflage gerade abgeschafft haben. Immerhin könnten sich dann noch alle Kinder unter 18 Jahren der Minderheitenangehörigen in ihrer Sprache an die Verwaltungen wenden. Da sieht man einmal welcher Unsinn herauskommt, wenn man abschreibt.

Aber auch der Satz „Die Verwendung der lokalen Dialekte wird unterstützt und gepflegt.“, der für die Kindergärten eine Rolle spielen soll, hat für Bayern mit seinen vielen verschiedenen Dialekten von Bayerisch über Fränkisch und Schwäbisch-Alemannisch bis zu Hessisch und Mährisch eine Bedeutung. In Schleswig-Holstein haben wir nur einen Dialekt, nämlich Plattdeutsch. Der Satz mit der Mehrzahl im von der CSU abgeschriebenen CDU-Gesetzestext ist also inhaltlich falsch. Im Übrigen ist hier auch kein Hinweis im Gesetz zu finden, dass auch Dänisch, Romanes und Friesisch bei uns gesprochen werden. Die Minderheitensprachen gehören anscheinend für die CDU nicht zur Leitkultur. Wir können von Glück reden, dass unser Kindertagesstättengesetz in Fragen der Vermittlung der deutschen Sprache und der Regional- und Minderheitensprachen auf dem neuesten Stand ist. Auch das, dank der Küstenkoalition!

Aber wenn wir schon bei den Kitas sind, dann wirkt es schon merkwürdig, dass die verpflichtende Teilnahme von Kita-Kindern an Fördermaßnahmen zum Spracherwerb eingefordert wird, aber die CDU diese Fördermaßnahmen nicht finanzieren will. Man spricht im Gesetzestext nebulös von „gegebenenfalls bestehender finanzieller Unterstützung“. Wer diese finanzielle Unterstützung leistet und wie hoch sie ist, wird von der CDU verschwiegen. Weil, das kostet Geld und müsste glatt gegenfinanziert werden. So viel Seriosität kann man aber nun wirklich nicht von der CDU verlangen. Obwohl, wer die Teilnahme an verpflichtenden Fördermaßnahmen verlangt, muss diese Fördermaßnahmen auch finanziell unterlegen. Hier schiebt die CDU das Problem dann aber genüsslich an die Kommunen und die Träger der Kindertagesstätten weiter. Das braucht nun wirklich niemand! Das einzige was so überbleibt ist, dass die Kinder in den Kindergärten deutsche Mimik & Körpersprache lernen sollen. Na, super!

Etwas was Sie beim Abkupfern von der CSU-Vorlage glücklicherweise unterlassen haben, ist die Aufnahme der dortigen Präambel. Dort ist unter anderem von Leitkultur und christlichem Abendland die Rede. Aber natürlich finden sich diese Worte auch im Gesetzestext der CDU wieder: Leitkultur und Vermittlung von religiösen Werten. Das ist so ein bisschen wie die Debatte um den Gottesbezug in der Landesverfassung durch die Hintertür. Nein, es ist nicht Aufgabe von Kindergärten religiöse Werte zu vermitteln, es sei denn, Sie sind konfessionell getragen. Es ist allgemeine Aufgabe von Kindergärten und Schulen und allen anderen Bildungseinrichtungen gesellschaftliche Werte zu vermitteln. Und die beruhen auf der Aufklärung, der Gleichheit vor dem Gesetz, der Demokratie und eben der Trennung von Kirche und Staat. Genau das alles unterscheidet uns von den Staaten aus denen Menschen zu uns flüchten!

Man kann wohl schon merken, dass der Gesetzentwurf der CSU, pardon der CDU, nicht wirklich Begeisterungstürme auslöst. Aber man könnte ja den ganzen vorher genannten Unsinn einfach streichen, vielleicht bleibt dann ja etwas Vernünftiges über. Aber jemanden grundsätzlich 6 Wochen in einer Erstaufnahme oder einer Landesunterkunft festzusetzen, obwohl vielleicht schon anderenorts bessere Integrationsmöglichkeiten bestehen, ist nicht von dieser Welt. Am besten wird jemand integriert, wenn er oder sie schnell in eine Gemeinschaft integriert wird, schnell in Kontakt mit Einheimischen kommt, schnell eine Ausbildungsmöglichkeit erhält, schnell in den Sportverein aufgenommen werden kann, schnell eine Arbeit erhält und so weiter fort. All das ist nicht in den zentralen Einrichtungen möglich und deshalb ist es falsch, die Menschen dort länger als nötig festzuhalten.

Im Gegenteil, in vielen Fällen muss eine Wohnortzuweisung schnell erfolgen, damit die Integrationsmaßnahmen beginnen können. Und dabei ist es dann wichtig, dass der Hauptzuweisungsgrund nicht irgendein prozentualer Proporz auf Basis von Einwohnerzahlen ist, sondern man die Menschen dort hin schickt, wo Integration am besten möglich ist. Das kann in einer großen Stadt sein, das kann aber auch in einem Dorf sein. Nicht immer ist es gut, wenn Menschen in Stadtteilen untergebracht werden, in denen sie zwar auf Landsleute treffen, aber kaum eine Chance auf Kontakte zu Einheimischen haben. Und andererseits kann es durchaus sein, dass Menschen in ländlichen Regionen besser integriert werden können, weil man dort seinen Nachbarn noch kennt und hilft. Es muss also darum gehen, dass man sich vorher Gedanken um die Integration macht und dann auch Mittel hierfür bereit stellt.

Und hier sage ich denn auch ganz klar, dass die Integrationspauschale genau für solche Maßnahmen gedacht ist. Auch mir ist klar, dass die Integrationspauschale an manchen Orten auch für Personal- und Sachkosten in der kommunalen Verwaltung verwendet wird. Hier versickert Geld, das eigentlich für Maßnahmen der Integration gedacht ist. Es tut nun wirklich nicht Not, dass man diese eigentlich zweckfremde Nutzung des Geldes nun auch noch ins Gesetz schreibt und damit diese Zweckentfremdung auch noch nachträglich gut heißt. Wir sollten vielmehr die betreffenden Kommunen ermutigen, guten Beispielen aus der kommunalen Familie zu folgen. Das wäre die eigentliche Botschaft, die nötig wäre!

Noch ein letztes zu diesem Gesetzentwurf: Der Flüchtlingsbeauftragte soll in Zukunft nur noch für auf Dauer hier lebende Ausländer zuständig sein. Das heißt, er soll sich nicht mehr für die Flüchtlinge ohne gesicherten Aufenthaltsstatus einsetzen können, obwohl gerade diese Menschen die meiste Hilfe benötigen. Das zeigt noch einmal das politische Bild, das die CDU vertritt: Dem Flüchtling soll nach Möglichkeit jegliche Hilfe verwehrt werden, um ihn abzuschrecken. Das ist nicht unsere Flüchtlingspolitik!

Und auch hier hat die CDU wieder einmal falsch abgeschrieben. Einmal findet sich im § 19 des Gesetzentwurfs noch die derzeit bestehende schleswig-holsteinische Berichtspflicht, die alle 2 Jahre ausgelöst wird. Auf der anderen Seite, hat man in § 23 den Integrationsbericht aus dem bayerischen Gesetzentwurf mit hineinkopiert, der eine Berichtspflicht in jedem Jahr vorsieht. Da wusste die eine Hand nicht was die andere tut. Vergessen hat man bei diesem Integrationsbericht, dass unser Beauftragter beim Landtag angesiedelt ist, der Beauftragte in Bayern aber bei der Staatskanzlei angesiedelt werden soll. Das ist wohl der Grund, warum im kopierten Text der CSU auch eine Billigung des Berichts durch das Kabinett vorgesehen ist. Diese Absegnung durch das Kabinett, wie sie in den CDU-Entwurf hineinkopiert wurde, würde sicherlich von unserem Landtagspräsidenten mit Recht auf das Schärfste als Einflussnahme der Landesregierung auf Angelegenheiten des Landtages zurückgewiesen werden. Aber das können Sie mit Herrn Schlie dann ja noch klären.

Es bleibt somit: Der Gesetzentwurf der CDU ist integrationsfeindlich, enthält Selbstverständlichkeiten, die jetzt schon erfüllt werden, und ist zudem auch noch schlecht von der CSU abkopiert. Und schlechte Kopien wählt man nicht!

Viel wichtiger ist es doch, neben der täglichen Flüchtlings- und Integrationsarbeit zu schauen, ob es noch an der einen oder anderen Stelle hakt oder ob es direkte Fehlentwicklungen gibt. Der vorliegende Bericht zur Umsetzung des Flüchtlingspaktes zeigt ja die Entwicklung genau an und führt auch den Beweis, dass immer wieder schnell und unbürokratisch auf neue Situationen reagiert wird. Hier muss ich wirklich einmal alle Beteiligten, sowohl die vielen hauptamtlichen als auch die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer für ihr Engagement loben. Dass man sich hier einbringt, ist schon vorbildlich, aber wie professionell es hier auch geht, ist wirklich beeindruckend.

Und trotzdem gibt es hier und da Entwicklungen, die wirklich kein Mensch braucht. Und auf eine solche Entwicklung weisen wir in unserem Antrag hin. In den vergangenen Jahren haben syrische Flüchtlinge eigentlich immer einen vollumfänglichen Flüchtlingsschutz erhalten. Neuerdings entscheidet das BAMF aber anscheinend zunehmend anders. Es wird nämlich nur noch subsidiärer Schutz gewährt, was dazu führt, dass der Nachzug von Familienmitgliedern erschwert wird und die formalrechtliche Bleibemöglichkeit auf einen kürzeren Zeitraum begrenzt ist. Das alles wäre rechtlich in Ordnung, wenn sich die Rahmenbedingungen in Syrien geändert hätten und daher eine Änderung des Rechtsstatus angezeigt wäre. Nach Medienberichten argumentiert das BAMF in vielen Fällen, dass das syrische Regime geflüchteten Syrern Pässe ausstelle und ihnen somit eine Rückkehr nach Syrien ermögliche. Sie würden demnach nicht als Feinde betrachtet und müssten bei einer Rückkehr nicht unbedingt mit einer Verfolgung rechnen, was Voraussetzung für eine Anerkennung als Flüchtling ist. Die Rechtsprechung spricht aber hierzu eine völlig andere Sprache. Die Richter stellten fest, dass allein die Ausreise und der Asylantrag in Deutschland in Syrien immer noch als Ausdruck einer regimefeindlichen Gesinnung gewertet würden. Mit "beachtlicher Wahrscheinlichkeit" würde jemand bei einer Rückkehr nach Syrien verfolgt werden. Rückkehrer würden außerdem vom Geheimdienst befragt. Eine Verfolgung ist also keineswegs ausgeschlossen.

Diejenigen, die Rechtsmittel gegen diese neuen Entscheidungen des BAMF einlegen, haben deshalb regelmäßig Erfolg damit. Das heißt, diese Menschen bekommen wieder den Status, den man ihnen vorher auch gewährt hatte. Die neue Vorgehensweise des BAMF führt nur zu einer Verunsicherung der Betroffenen und zu einer enormen Mehrarbeit bei den zuständigen Gerichten. Und genau das ist etwas, was niemand braucht. Es kann doch nicht sein, dass unsere Gerichte immer mehr Asylverfahren zu bewältigen haben und dann auch noch ohne Not hausgemachte Verfahren hinzu kommen, die nur unnötige Arbeit machen und dann auch für alle anderen den Rechtsweg zeitlich verlängern. Wenn also schon die Humanität bei dem einen oder anderen auf Bundesebene nicht handlungsleitend ist, dann sollte man doch zumindest daran denken, dass Gerichte genug anderes zu tun haben, als ständig Entscheidungen des BAMF zu korrigieren. Deshalb ist unsere Aufforderung, die Praxis des BAMF zu ändern, richtig, notwendig und ein richtiges Signal Richtung Bundesebene.

Weitere Artikel

Pressemitteilung · 27.03.2024 Cannabis-Prävention hinkt dem Gesetz hinterher

Sind die Präventionsangebote in Schleswig-Holstein gut genug aufgestellt, um auf die Cannabis-Legalisierung zu reagieren? Das wollten wir von der Landesregierung im Rahmen einer Kleinen Anfrage erfahren. Die Antworten sind alarmierend. Dazu erklärt der gesundheitspolitische Sprecher der SSW-Landtagsfraktion, Christian Dirschauer:

Weiterlesen

Pressemitteilung · Kiel · 28.03.2024 Einigung im kommunalen Bus-Tarifkonflikt: Verkehrswende braucht gute Arbeitsbedingungen

Zur Einigung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern im Tarifkonflikt bei den schleswig-holsteinischen Busunternehmen erklärt Ratsherr Marcel Schmidt, Vorsitzender der SSW-Ratsfraktion Kiel:

Weiterlesen

Pressemitteilung · Kiel · 27.03.2024 SSW fordert vollständige Aufklärung in Sachen Anschar

Zum Rücktritt des Ratsherrn Dirk Scheelje im Zusammenhang mit den Vorgängen rund um den Anscharcampus erklärt Ratsherr Marcel Schmidt, Vorsitzender der SSW-Ratsfraktion Kiel:

Weiterlesen