Rede · 02.09.2005 Regionalflughafen Lübeck-Blankensee

Wir hören es immer wieder: Entbürokratisierung und schnellere Genehmigungsverfahren sollen dazu führen, dass Arbeitsplätze geschaffen werden können. Wir alle können einen solchen Satz unterschreiben. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Andere Länder sind auch nicht schneller im Genehmigungsverfahren als wir es sind. Es mag hier und da im Ausland einmal ein Projekt geben, dass schneller realisiert wird, aber dann gibt es auch wieder Investoren im Ausland, die die gleichen Klagen anführen, wie man es hierzulande tut.

Wir leben in einer Zeit, in der viele Fragestellungen komplexer sind, als wir es uns vielleicht wünschen. Vieles gibt es zu berücksichtigen und deshalb ziehen sich die Verfahren für große und kleine Investitionen oft in die Länge. Genau das haben wir auch in Lübeck erlebt. Es gibt nun zwei Wege, das Verfahren unter solchen Bedingungen zu verkürzen. Entweder man setzt sich mit den Kritikern an einen Tisch und versucht nach Lösungen und nach Kompensation zu suchen oder man versucht ein wenig zu tricksen in der Hoffnung, dass man Erfolg hat.
Immer wieder hat es Streit zwischen den Anliegern, den Naturschutzverbänden und denjenigen gegeben, die die Erweiterung des Flughafens umzusetzen hatten. Dabei ging es nicht ausschließlich um eine komplette Ablehnung der Maßnahme, sondern insbesondere in den Auseinandersetzungen mit den Naturschutzverbänden um eine angemessene Berücksichtigung von Naturschutzinteressen. An Anfang wäre sicherlich noch eine Kompromisslösung möglich gewesen. Aber man hatte immer den Eindruck, dass das Verfahren durchgezogen werden soll, ohne die Naturschutzinteressen angemessen zu berücksichtigen. Und das ist immer wieder ein Kardinalfehler. In anderen Ländern setzt man da auf etwas mehr Gesprächskultur anstelle von aufwendigen formellen Verfahren, die die eine oder andere Seite durchpeitschen will. Ich bin mir heute noch sicher, dass wenn man ein Konsensverfahren gesucht hätte, man den Ausbau des Flughafens auch schneller vorantreiben hätte können, dass die Natur darunter zu leiden gehabt hätte.

Aber schon Wirtschaftsminister Rohwer setzte auf die ”Durchmarsch”-Karte und setzte durch, dass aus der möglichen Schutzgebietsfläche rund um das Verlängerungsgebiet die benötigten Flächen messerscharf genau herausgeschnitten wurden und eine naturschutzfachliche Begründung hierfür trotzdem nicht ersichtlich war. Das musste schief gehen und ging dann ja auch schief. Diese Vorgehensweise, die menschlich durchaus zu verstehen ist – schließlich wollen wir, dass der Flughafen ausgebaut wird und dort Arbeitsplätze geschaffen werden – entsprang dem Gedanken, ja eigentlich etwas Gutes tun zu wollen. Aber Gutes tun und Gutes wollen sind ja manchmal zwei völlig verschiedene Sachen. In unserem Beispiel ging das voll daneben. Wer naturschutzfachliche Belange beiseite schiebt und meint, innerhalb Europas eine Sonderregelung für Schleswig-Holstein aufstellen zu können, verkennt die Tatsachen und die Rechtslage.

Diesem Fehler wollten Sie, Herr Wirtschaftsminister Austermann, am liebsten noch eins oben drauf setzen. Das Verfahren sollte nun endlich beschleunigt werden und Sie werden in diesem Zusammenhang im Juni, vor dem Urteil, zitiert mit dem Satz: ”In diesem Punkt vertritt die neue Landesregierung eine andere Auffassung als die, die vor der Landtagswahl galt.” Gut gebrüllt, Herr Minister, aber rot-grün war schon zu voreilig und die EU-Regelungen sind immer noch dieselben, wie vor der Landtagswahl und das wurde ja nun auch durch das OVG-Urteil noch einmal bestätigt.  Dort wird gesagt, dass der Planfeststellungsbeschluss vom Januar ”offenkundig gravierende Mängel” beinhalte. Und das ist nur die rot-grüne Version dieses ”Durchmarsch”-Planfeststellungsverfahrens.

Man kann das Verfahren nicht beschleunigen, ohne alle Einwendungen ernsthaft und ehrlich mit zu berücksichtigen. Das Gericht hat gesagt, dass die Argumente der Kläger so schwerwiegend sind, dass die Klage auch in der Hauptsache Erfolg haben könnte. Das ist so ziemlich die Höchststrafe in einem solchen Verfahren. Und die Landesregierung rudert nun zurück und strebt ein neues Planfeststellungsverfahren an. Damit hat die bisherige Vorgehensweise dazu geführt, dass die Schaffung von hunderten von Arbeitsplätzen um mindestens 32 Monate – also knapp 3 Jahre – verschoben wurde. So lange hat nämlich das bisherige Planfeststellungsverfahren gedauert.

Es ist an der Zeit, sich mit den Naturschutzverbänden an einen Tisch zu setzen und endlich eine Lösung zu finden, die für alle tragbar ist. Der Einstieg in ein gänzlich neues Planfeststellungsverfahren ist dabei der richtige Weg. Das Ganze kann aber nur dann Erfolg haben, wenn die Landesregierung auf Konsens und nicht auf Konfrontation setzt und dabei akzeptiert, dass man europäisches Recht nicht so einfach außer Kraft setzen kann.

Was Sie, liebe Kollegen von der FDP, uns vorgelegt haben, ist allerdings so gnadenlos verkehrt, wie eine Initiative nur sein kann. Was aufgrund der besonderen Situation in Ostdeutschland nach über 40 Jahren DDR sinnvoll ist und in der Tat der Angleichung der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland dient, ist bezogen auf Lübeck nun wirklich überzogen. Es gibt bei uns definitiv nicht die gleichen Probleme, wie es sie in Ostdeutschland aufgrund der deutschen Teilung gab und gibt.

Mit der Begründung, die Sie hier im § 1 des Gesetzes angeben, könnte man für jede Investitionsmaßnahme in Schleswig-Holstein außerhalb des Hamburger Randes ein extra Gesetz erlassen, das sämtliche Planungsvorschriften und Beteiligungsverfahren der Bürgerinnen und Bürger ausschließt. Denn wirtschaftliche Randlagen und hohe Arbeitslosenzahlen finden wir nicht auf Lübeck beschränkt. Eine Vielzahl von einzelnen Gesetzen für einzelne Projekte wäre natürlich völlig unsinnig, genauso wie Ihre jetzige Gesetzesinitiative. Wenn wir es wirklich so durchziehen würden, wie sie es sich im Fall von Lübeck vorstellen und wie es dann ja überall gehandhabt werden müsste, damit alle die gleichen Chancen hätten, würden wir eine Vielzahl von eigenen Gesetzen erlassen. Das wäre dann sozusagen Ihr Beitrag zum Abbau von Verwaltungsvorschriften und von Bürokratie.
Das was für die Sondersituation der deutschen Wiedervereinigung durchaus Sinn macht und auch als Sonderregelung vor europäischem Recht bestehen kann, macht ansonsten keinen Sinn. Ich bin mir sicher, dass ein solches Gesetz keinen Bestand hätte. Die gesetzlichen Regelungen auf EU-Ebene, auf nationaler Ebene und auf Landesebene sehen ja gerade eine breite Palette von Beteiligungsrechten vor. Deshalb kann man sicher sein, dass eine Umgehung von Rechtsetzungen nicht möglich sein wird. Auch nicht, wenn man das Ganze selbst als Gesetz deklariert.

Aber auch inhaltlich entspricht der Gesetzesantrag nicht klassischer liberaler Politik. In der reinen Lehre, die anscheinend immer mehr von Ihnen verlassen wird, steht der liberale Gedanke unter anderem für gleichberechtigte Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger an der Entwicklung ihres Lebensumfeldes und an den Beschlüssen hierzu. Und der SSW steht selbstverständlich zu diesen Grundprinzipien der Liberalität. Liberal sein bedeutet nicht nur wirtschaftsliberal sein, sondern auch die vielschichtigen Interessen aller Menschen mit zu berücksichtigen. Was Sie hier vorschlagen ist, dass Sie zugunsten eines Projektes – das wir zugegebenermaßen inhaltlich auch unterstützen – die Beteiligungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern und von Verbänden außer Kraft setzen wollen. Das ist eine Vorgehensweise, die in keinster Weise akzeptabel ist.

Wir stehen jedenfalls für eine offene Politik, die die Bürgerinnen und Bürger mit einbeziehen will. Und wir sind bereit, mit den Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen, zu diskutieren und auch um die Sache zu streiten. Wir wollen kein Gesetz, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zeitweise außer Kraft setzt. Ein Gesetz, wie Sie es vorschlagen, führt dazu, dass die Unsicherheit eher steigt als fällt. Dieses Gesetz würde mit Recht sofort beklagt werden und wir würden wieder vor einem Baustopp stehen und wüssten wieder nicht, wann und wie es weiter geht. Monate und Jahre würden vergehen, ohne dass etwas passiert. Der Effekt Ihres Gesetzentwurfes wäre genau der gleiche, wie der der vorhin schon von mir beschriebenen ”Durchzieh”-Taktik hinsichtlich des Planfeststellungsverfahrens. Mit Ihrem Vorschlag behindern Sie den Ausbau des Flughafens Blankensee, anstatt gemeinsam mit allen zu versuchen, ein vernünftiges Verfahren umzusetzen.
Wir bleiben dabei: Ein neues Planfeststellungsverfahren macht Sinn, damit wir keine Zeit verlieren. Gleichzeitig muss insbesondere mit den Naturschutzverbänden verhandelt werden, um eine Kompromiss- und Kompensationslösung zu finden.
Der Flughafen Lübeck-Blankensee hat eine Nische gefunden, die Zukunftschancen bietet.  Und diese Zukunftschancen gilt es zu nutzen. Auch wir als SSW sind für den Ausbau des Flughafens und damit er so schnell wie möglich ausgebaut werden kann, müssen wir ein sauberes und transparentes Verfahren durchführen, das eine ehrliche Beteiligung der Betroffenen ermöglicht. Hierbei werden wir die Landesregierung gerne unterstützen.

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