Rede · 14.09.2007 Sprachförderung in Schleswig-Holstein


Frühzeitige Sprachförderung gehört zu den probaten Mitteln, um Chancengleichheit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verwirklichen. Was sich fast wie eine Binsenwahrheit anhört, gehört aber erst seit rund 10 Jahren zu den Kernaufgaben der Landespolitik. Denn seit 1996 fördert das Land erst die Qualifizierung des pädagogischen Personals von Kindertageseinrichtungen auf dem Gebiet der allgemeinen Sprachförderung. Und erst im Jahr 2006 finden sich für die vorschulische Sprachförderung 3 Mio € im Haushalt des Landes wieder. Insgesamt möchte die Große Koalition in dieser Legislaturperiode 27 Mio € für den Bereich der Sprachförderung zur Verfügung stellen. Wer noch die Debatten hier im Hause zum neuen Kindertagesstättengesetz im Ohr hat, wird wissen,  dass diese Mittel – trotz des positiven Signals – noch nicht die Garantie für eine nachhaltige Sprachförderpolitik sind.

Kinder mit Defiziten in der Sprachentwicklung können sich grob in drei Gruppen einteilen lassen: Kinder aus spracharmen Familien, die nur kurze Sätze beherrschen und denen die Bedeutungsvielfalt der Sprache verschlossen ist. Daneben gibt es Kinder, die im Elternhaus nicht deutsch sprechen, sondern eine andere Sprache und darum einer besonderen öffentlichen Förderung bedürfen, um deutsch sicher zu beherrschen. Die letzte Gruppe sind Kinder, die aufgrund von Schwerhörigkeit oder einer anderen physischen oder psychischen Ursache nicht oder kaum sprechen.

Aus diesen drei Problembereichen ergeben sich laut Bericht der Landesregierung auch drei Handlungsfelder: Die Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen, die ja mit dem neuen Kindertagesstättengesetz Teil des Bildungsauftrages von Kindertageseinrichtungen geworden ist. Die  Arbeit der Förderzentren –teils für die Fachkräfte der Kindergärten, teils als eigentliche Sprachheilförderung – und die Sprachintensivförderung im Rahmen der SPRINT-Maßnahmen im letzten halben Jahr vor der Einschulung der betroffenen Kinder.

Man möchte meinen, dass diese drei Handlungsfelder auch drei Gruppen von Kindern entsprechen. Ein Blick in die Statistiken des vorliegenden Berichtes belehrte mich allerdings eines Besseren. Gemischte Gruppen sind weit überwiegend das Mittel der Wahl, wobei die Entwicklung deutlich auf eine Entflechtung der Gruppen hinaus läuft. Zweidrittel der Gruppen sind heute gemischt, während ihr Anteil im letzten Jahr noch über 80% betrug. Das begrüßt der SSW, denn Sprachenlernen und Sprachförderung werden in gemischten Gruppen vermengt.
Die Entwicklung hin zu klar definierten Gruppen – zum Beispiel von Kindern mit Migrationshintergrund  – muss also weiter vorangebracht werden, um die Effizienz der SPRINT-Maßnahmen zu steigern.

Für alarmierend halte ich darüber hinaus, dass inzwischen jeder zehnte ABC-Schütze im Zusammenhang mit SPRINT gefördert wird. In Flensburg war es im letzten Jahr sogar fast jedes fünfte Kind. Es ist aber positiv, dass im Bericht darauf hingewiesen wird, dass die Kooperation zwischen Kindertageseinrichtungen und den Schulen mittlerweile so gut funktioniert, dass die Fördermaßnahmen nach dem Schuleintritt der betroffenen Kinder fortgesetzt werden.
Für uns ist dabei von Bedeutung, dass Kinder in erster Linie integrativ gefördert werden. Das gilt derzeit für über 65%, wobei auch aus dem Bericht hervor geht, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird. Aus Sicht des SSW ist es also nicht der Sache dienlich, wenn – wie mehrfach im Landtag geschehen –  nicht die Sprachförderung, sondern der Erhalt der Sprachheilgrundschulen in den Mittelpunkt der Debatte gerückt wird.  Angesichts der Vielzahl an Fällen und Förderinstrumenten kommen wir aber um eine valide Evaluation der verschiedenen Maßnahmen nicht herum. -  Also: Welche Fortschritte machen die Kinder und können sie mittels SPRINT dem Unterricht folgen und sich selbst am Unterricht beteiligen?

Ich weiß gut, dass unter Fachleuten um die Messung des Sprachentwicklungsstandes ein erbitterter Streit tobt. Dennoch müssen wir genau wissen, ob und in welchem Maße die Mittel anschlagen. Der vorliegende Bericht gibt uns erste Hinweise – auch darüber, was im Bereich der Sprachförderung vonseiten der Landesregierung weiter geplant ist. Schon dadurch erfüllt er eine wichtige Funktion.

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