Rede · 28.09.2022 Wir müssen den ÖPNV stärken!
„Elektrifizierung, Erneuerung und Ausbau dürfen nicht gegen ein sogenanntes Nachfolgemodell des 9-Euro-Tickets ausgespielt werden!“
Sybilla Nitsch zu TOP 10 u. 39 - Erhöhung der Regionalisierungsmittel (Drs. 20/166; 20/255)
Die digitale Sonderverkehrsministerkonferenz der Bundesländer hatte vor allem ein Ziel: sie wollten den Verkehrsunternehmen eine Perspektive eröffnen, um die Fahrgastzahlen des öffentlichen Personenverkehrs zu steigern und bis 2030 gegenüber 2019 zu verdoppeln.
Da die meisten Busse und immer noch einige tausende Lokomotiven Diesel tanken, drücken die Spritpreise auf die Bilanzen.
Bevor die ersten Unternehmen in die Knie gehen, muss also etwas geschehen.
Naja, darüber geredet hat man schon mal.
Doch konkret hat sich noch nichts getan. Die Unternehmen warten immer noch, während ihnen die Kosten davonlaufen.
Gut, dass sich zumindest alle Minister einig sind. Und zwar, dass die Regionalisierungsmittel in den Jahren 2022 und 2023 um zusätzlich 1,65 Milliarden Euro gegenüber dem jeweiligen Vorjahr erhöht werden müssen.
Das ist natürlich auch nur ein Schuss ins Blaue, denn niemand weiß, in welche Höhen der Dieselpreis noch geschraubt werden wird.
Zumindest ist es aber ein gutes Signal, dass die Nöte der Unternehmen in der Landesregierung gehört worden sind.
Das Problem ist bereits seit längerem auf der Tagesordnung: So thematisiert bereits der Nahverkehrsplan, der in diesem Jahr in Kraft trat, die steigende Energiepreise.
Der Plan geht von einer Steigung aus, die die Inflation übertreffen wird. Genau das ist jetzt auch passiert. Allerdings lohnt sich der Blick in den Plan, weil im gleichen Absatz auch auf Lohnsteigerungen hingewiesen wird, die aufgrund des längerfristig bestehenden Fachkräftemangels wohl auch zu überproportionalen Kostensteigerungen führen dürften.
Schon jetzt fehlt vor allem das qualifizierte Personal: Lokomotivführer, Busfahrer und Schaffner. Damit relativiere sich die Kaufkraft der zunächst deutlich erscheinenden Zuwächse bei den Regionalisierungsmitteln bis 2031. Das Problem kommt also nicht überraschend.
Ich sehe aber nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die hiesige Landesregierung in der Pflicht.
Der Verweis auf die Bundesregierung ist sachlich völlig richtig, aber der einfachste Weg, selbst nicht in Gang zu kommen. Wir müssen dringend mit dem Umbau des öffentlichen Nahverkehrs vorankommen.
Die Elektrifizierung darf nicht mehr in Tippelschritten passieren.
Der Klimawandel schreibt uns große Aufgaben ins Hausaufgabenheft. Der Verkehrssektor hat sich in Sachen CO2-Reduzierung kaum Mühe gegeben.
Dabei ist doch wohl allen klar, dass gerade in Sachen Mobilität nicht mehr gekleckert, sondern geklotzt werden muss.
Und was sagt der hiesige schwarz-grüne Koalitionsvertrag?
Er stellt die Einführung höherwertiger ÖPNV-Systeme für Stadt-Umland-Verkehre nur in Aussicht, wenn der Bund ebenfalls eine Förderung zusagt. Kann man machen, ist aber ein Schwarzer-Peter-Spiel, unter dem vor allen Dingen die Pendler leiden werden.
Ich erwarte, dass der Nahverkehr in der Fläche Schleswig-Holsteins spürbar verdichtet wird, das Ticketsystem sozial weiterentwickelt wird und der Ausbau des klimaneutralen Schienenverkehrs energisch vorangetrieben wird.
Die gute Nutzung des 9-Euro-Tickets zeigt, dass die Menschen gerne Bus und Bahn nutzen.
Ticketkauf und Nutzung waren kinderleicht; das ist etwas, was das herkömmliche System nicht leistet. Ich bin daher der Meinung, dass wir die guten Erfahrungen des Tickets nutzen sollten, aber uns auch berufen auf eingeführte Landestarife.
Ganz klar, eine Fortführung ist das große Ziel, aber das Angebot in der Fläche muss verbessert werden, sonst nutzt der beste Anreiz nicht.
Aber gerade im nördlichen Landesteil haben wir nur genutzt und hatten wenig Anreize, außerdem mussten wir uns auf museale Technik verlassen.
Die Lindaunis-Brücke ist derzeit ein Fußweg und das nächste Brückenprojekt auf der Strecke ist noch nicht einmal zeitlich festgelegt.
Lange Versäumtes muss jetzt mutig und tatkräftig nachgeholt werden.
Fakt ist: Elektrifizierung, Erneuerung und Ausbau dürfen nicht gegen ein sogenanntes Nachfolgemodell des 9-Euro-Tickets ausgespielt werden!
Zum Abschluss erlauben Sie mir noch die Bemerkung, dass ich mich nicht als Umsetzerin des Ampel-Koalitionsvertrages verstehe: Ich hoffe nicht, dass wir hier im Landtag dauernd solche Anträge bekommen, die das eine oder andere Vorhaben der Ampel einfordern.