Rääde · 12.11.2004 2. Parlamentarischer Untersuchungssauschuss

Warum eigentlich dieser Untersuchungsausschuss? Das fragte der NDR schon vor Monaten Passanten auf der Straße. Kaum jemand wusste darauf eine Antwort. Hatte sich der Ausschuss also selbst überholt? In gewisser Weise schon. Die sehr lange Dauer der Arbeit hat uns selbst ins Abseits gestellt, aber dazu später mehr.

Ich möchte noch einmal an die Ereignisse erinnern, die der Einsetzung des Untersuchungsausschusses vorangegangen waren: Gerüchte waren im Umlauf, dass Karl Pröhl neben seiner Aufgabe als Expo-Beauftragter des Landes Schleswig-Holstein genug Zeit gefunden hatte, sich anderweitig zu engagieren. Ich weiß noch genau, wie sich die Ereignisse damals überschlagen haben. Wilde Vermutungen schossen ins Kraut. Alle ließen sich von dieser hektischen Stimmung anstecken. Hatte sich also unbemerkt von der Öffentlichkeit ein Kieler Klüngel formiert, der sich gegenseitig das lukrative Kieler Schloss zuschustern wollte? Ein Klüngel von Beamten, Politikern und Stadtpolitik?

Genau das waren die Vermutungen, die Anlass gaben, mittels eines Untersuchungsausschusses die Vorgänge genauer zu untersuchen. Schon damals empfand ich ein gewisses Unbehagen. Ich möchte mich im Nachhinein nicht als schlauer darstellen als ich war, aber diese Eigendynamik aus Verdächtigungen, Halbwahrheiten und Fakten, die uns von Tag zu Tag schneller vor sich her trieb, verdrängte jedes rationale Nachdenken. Alles schien möglich. Wenn es monatelang unentdeckt geblieben war, dass der höchst bezahlte Angestellte des Landes sich eines der Filetstücke unter den Nagel reißen wollte, dann konnte noch viel mehr unentdeckt geblieben sein.

Nach fast 30 Monaten hat der Untersuchungsausschuss aber gezeigt, dass da wirklich nicht mehr war, zumindest nichts, was einer harten Beweisprüfung Stand hält. Dr. Karl Pröhl hatte nach Ende der EXPO vielfältige nebenberufliche Tätigkeiten entfaltet, ohne seinen Arbeitgeber darüber zu informieren. Angeblich musste er sich nach beruflichen Alternativen umsehen, weil die Landesregierung ihm keine adäquate Anschlussbeschäftigung angeboten habe. Tatsache ist aber, dass Dr. Pröhl zu keinem Zeitpunkt gekündigt wurde. Es gab aber Anzeichen, dass die Landesregierung seine Personalangelegenheit nicht mit dem nötigen Nachdruck vorangetrieben hat. Dem Ausschuss zeigte sich das Bild, dass die zuständigen Personalstellen ganz froh waren, dass Pröhl bei der I-Bank quasi geparkt war.

Das zeugt von einer Personalpolitik, wie ich sie so nicht von der Landesregierung erwartet hatte. Aufgaben, die nicht in das Muster alltäglichen Verwaltungshandelns passen, und dazu gehörte ohne Zweifel die Beteiligung des Landes an der Weltausstellung, fanden offensichtlich keine adäquate Andockstelle in der Ministerialstruktur. Das Gleiche galt übrigens auch für die Beschaffung eines Computerprogramms oder den Verkauf des Kieler Schlosses: auch mit diesen Aufgaben waren Personen betraut worden, ohne sie in entsprechende Strukturen einzubinden. Gilt also bei der Personalpolitik der Landesregierung die Maxime: Aus den Augen, aus dem Sinn? Das kann niemals Prinzip einer modernen Personalpolitik sein.

Wenn ich eine Schlussfolgerung aus den Untersuchungen des Ausschusses sicher ziehen kann, dann diese: Wer Personen mit Sonder-Aufgaben betraut, muss diese in verbindliche Rückkopplungen einbinden und ihnen unterstützende Strukturen mit geben. Angesichts des Zuwachses an Sonderaufgaben, die teilweise sogar privatisiert werden, ist hier ein Umsteuern dringend notwendig. Ich möchte auf keinen Fall missverstanden werden: es geht dem SSW nicht um ein Mehr an Kontrolle. Ein preußischer Obrigkeitsstaat, der, wie die CDU fordert, der Ministerpräsidentin sogar die Lektüre vorschreibt, ist meines Erachtens weder erstrebenswert noch realistisch. Uns geht es um ein Mehr an Steuerung, politischer Steuerung. Das hat die Landesregierung vernachlässigt, aller schönen Programme und Broschüren zum Trotz.

Pröhl war ein Hans Dampf in allen Gassen, der vom Chef der Staatskanzlei vielfältig eingesetzt wurde – so eine Art „Task Force auf zwei Beinen“. Klaus Gärtner wollte eine flexible Verwaltung und öffnete bewusst Freiräume. Der Ausschuss konnte zeigen, dass das von ihm ausgenutzt wurde. Pröhl verfiel nämlich ziemlich schnell dem Gedanken, diese Freiräume zum persönlichen Vorteil zu nutzen. Eigenmächtigkeiten, wie beispielsweise die nicht-autorisierte Unterzeichnung eines Letters of Understanding, wurden nicht geahndet.

Gärtner hat Fehler gemacht und hat daraus selbst die Konsequenzen gezogen – bekanntlich wurde er am 15. April in den Ruhestand versetzt; übrigens im Jahre 2002. Die CDU-Mitglieder im Ausschuss haben nun noch versucht, eine Verstrickung der Ministerpräsidentin an Pröhls Machenschaften zu belegen. Das ist ihnen nicht gelungen. Für den SSW stelle ich dagegen fest: Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ministerpräsidentin nicht die Wahrheit gesagt haben soll. Wir halten ihre Aussagen für glaubhaft.

Besonders ärgerlich erschien uns die Untersuchung der so genannten Computer-Affäre. Die Hintergründe dieser Affäre waren zeitnah im Finanzausschuss diskutiert und beraten worden – ausführlich, sowohl in öffentlichen als auch in nicht-öffentlichen Sitzungen. Dem Finanzausschuss lagen eine Stellungnahme des Landesrechnungshofes und ein ausführliches Rechtsgutachten vor, das vom Finanzministerium in Auftrag gegeben worden war. Im Nachhinein steht fest, dass der Untersuchungsausschuss keine neuen Erkenntnisse auf den Tisch legen konnte. Hinzu kommt, dass bereits der Finanzausschuss die damaligen Entscheidungsstrukturen im Finanzministerium gerügt hatte. Diese Kritik führte einerseits dazu, dass das Vergabe-Verfahren geändert wurde, andererseits wurde parallel dazu das interne Controlling verbessert. Mit anderen Worten: Als der Untersuchungsausschuss anfing, sich mit dieser Materie zu befassen, hatte das Finanzministerium schon längst die Konsequenzen aus der SAP-Geschichte gezogen.

Der Ausschuss hat viel Zeit – und auch zu viel Zeit in Anspruch genommen. Was nicht heißt, dass wir uns als Parlamentarier ständig den Aufmerksamkeitszyklen der Öffentlichkeit unterordnen sollten. Aber jeder Fehler muss schnellstens aufgeklärt werden. Sonst laufen die Konsequenzen ins Leere. Wird die Zeit zwischen Fehlverhalten und Konsequenz zu lang, verpufft alles.

In den vorliegenden Fällen gilt das gesagte besonders. Wobei die Affäre Lohmann ein Sonderfall ist, weil der SSW wie gesagt die Angelegenheit bereits als abgeschlossen betrachtet, bevor sich der Untersuchungsausschuss dem Thema zuwendete.

Ich hätte mir gewünscht, dass zwischen den ersten Verdächtigungen gegen Pröhl, also im Februar 2002, und der Aufklärung, nicht zweieinhalb Jahre ins Land gehen mussten, sondern höchstens sechs Monate. Die Sachermittlung dauert einfach zu lange. Eine Reihe von Zeugen hatte bereits zum Zeitpunkt der Befragung vor dem Ausschuss eine neue Position inne. Erinnerungen verblassen mit der Zeit. Und vor allem: die Empörung über lang zurückliegende Ereignisse wirkt schal. Das alles bestärkt uns in unserem Vorhaben, die parlamentarische Untersuchung auf eine neue Basis zu stellen.

Ich möchte hier noch einmal den Vorschlag des SSW in Erinnerung rufen. Wir haben gefordert, dass die Abgeordneten von der Ermittlung der Fakten entlastet werden. Damit werden Ressourcen geschont. Es geht darum, klar aufzugliedern, wer, wann, was erfahren oder angeordnet haben kann. Der Bericht der beiden Vorsitzenden listet genau das auf. Wie viel Zeit wurde damit zugebracht. Einige Abgeordnete wollten ja gar nicht von der Sachermittlung entlastet werden. Sie fühlen sich in der Rolle des Sherlock Holmes offensichtlich sehr wohl. Denen sei angeraten, lieber Krimis zu lesen, als sie politisch zu inszenieren.

Der SSW schlägt vor, die Sachermittlung zügig von einer unabhängigen Kommission vornehmen zu lassen. Da niemand wirklich unabhängig ist, sollte es nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner gehen. Strittige Punkte sollten durchaus benannt werden. Diese Fakten bilden dann in Form eines Berichtes die Grundlage für das weitere Vorgehen des Parlamentes. Welche Schlussfolgerungen wir ziehen, welche Nachfragen wir für nötig halten, bleibt selbstverständlich uns vorbehalten.

Worauf es mir ankommt, ist, dass Untersuchungsbeginn und Untersuchungsergebnis zeitlich näher zu einander rücken. Dann bleiben wir auch glaubhaft. Ich will die Gegensätze, die auch diesen Ausschuss bestimmt haben, nicht einebnen, aber ich möchte den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Lande eine nachvollziehbare, transparente Kontrolle in die Hand geben.

Vorbilder gibt es auch in Deutschland. So wurden die Ereignisse um den Amoklauf im Erfurter Gutenberg-Gymnasium von zwei unabhängigen Fachleuten bearbeitet. Bereits wenige Monate nach den tödlichen Schüssen legten sie ihren Bericht vor. Das könnte beispielgebend auch für andere Vorgänge sein.

Richtig ist, dass Untersuchungsausschüsse immer politische Kampfinstrumente waren. Im Spannungsfeld zwischen Aufklärung einerseits und Parteienkampf andererseits hängt die Waage aber schon seit langem extrem schief. Es ist schwer zu vermitteln, worin noch der Wert der Untersuchungsausschüsse für die Demokratie – also für die Menschen dort draußen – liegen sollte, wenn das Ziel der Aufklärung so stark in den Hintergrund rückt, wie es auch bei diesem Untersuchungsausschuss der Fall gewesen ist.

Bekanntlich hatte der SSW schon Anfang des Jahres einen Antrag zur Änderung des Untersuchungsausschussgesetzes eingebracht. Heute sehen wir uns darin bestätigt, dass neue Wege beschritten werden müssen, wenn es darum geht, wieder Vertrauen in die demokratische Aufarbeitung politischer Skandale zu schaffen

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