Speech · 24.09.2025 Christian Dirschauer: Wir brauchen einen Minderheitenkommissar in Brüssel!

„Minderheitenrechte sind kein Zugeständnis, sie sind Ausdruck von Gleichberechtigung und Zusammenhalt in einer vielfältigen Gesellschaft.“

Christian Dirschauer zu TOP  18 - Die Ziele der Minority SafePack Initiative weiterverfolgen – Schleswig-Holstein steht fest an der Seite der Minderheiten in Europa (Drs. 20/3441)

In der Europäischen Union gehören mehr als 50 Millionen Menschen einer autochthonen Minderheit an. Schätzungsweise 40 Millionen dieser Menschen sprechen auch heute noch eine Regional- oder Minderheitensprache. Nicht einmal die Hälfte der in Europa gesprochenen Sprachen sind Nationalsprachen. Nationale Minderheiten sind folglich keine Randerscheinung. Die Angehörigen der Minderheiten sind zahlreich und sie leben überall in Europa. 
In einigen Staaten ist der Umgang mit den nationalen Minderheiten vorbildlich, andere Staaten leugnen schlicht, dass es sie gibt. Es ist also nicht überall in Europa ein Zuckerschlecken, einer nationalen Minderheit anzugehören. Darum hat die EU-Kommission aus unserer Sicht eine wichtige Chance vertan, als sie beschlossen hat, die Minority SafePack-Initiative nicht zu unterstützen. Denn auch wenn die Charta der Grundrechte die Diskriminierung von Minderheiten verbietet, ist da in vielen Ländern in der Praxis noch viel Luft nach oben. 
Die Einsetzung eines Kommissars für autochthone Minderheiten wäre ein in die gesamte Europäische Union wirkendes Signal gewesen, dass die EU den Rechten der Minderheiten nicht gleichgültig gegenübersteht. Wenn man in Brüssel betont, dass die Mitgliedstaaten allein die Verantwortung für die kulturelle und sprachliche Vielfalt tragen, missachtet das die Lebenswirklichkeit vieler nationaler Minderheiten in Europa, die eben keinen ausreichenden Schutz von staatlicher Seite genießen. 
Wir begrüßen die Initiative der Landesregierung zur Aufnahme der Minderheiten in das Grundgesetz. Das ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt. Es ist gut, dass unsere Landesverfassung die Minderheiten schon heute schützt, und doch ist Minderheitenschutz nicht lediglich eine regionale, sondern eine gesamtstaatliche Verantwortung. Die Aufnahme der nationalen Minderheiten ins Grundgesetz würde auch sicherstellen, dass deren Rechte nicht durch einfache Mehrheiten ausgehebelt werden können. Damit würde Deutschland zugleich ein starkes Signal nach Europa senden: Minderheitenrechte sind kein Zugeständnis, sie sind Ausdruck von Gleichberechtigung und Zusammenhalt in einer vielfältigen Gesellschaft.
Darüber hinaus fordern wir die Landesregierung auf, sich in Brüssel auch weiterhin für die Einrichtung eines Minderheitenkommissars einzusetzen. Minderheitenschutz muss gesamteuropäisch gedacht werden. Minderheiten wie die der Sinti und Roma, die in vielen europäischen Staaten beheimatet sind, zeigen, dass nationale Schutzmaßnahmen nicht ausreichen, um der Lebenswirklichkeit aller Minderheiten gerecht zu werden. Zudem ist die Einsetzung eines Minderheitenkommissars auch ein Signal an die Staaten, die die Rechte ihrer nationalen Minderheiten missachten. Ein Signal, das deutlich macht: Europa sieht die Minderheiten, Europa schaut nicht weg! 
Wir fordern darüber hinaus mit Nachdruck die Schaffung eines europäischen Zentrums für Sprachenvielfalt. Nicht alle Minderheitensprachen haben ein Heimatland. Die Bewahrung dieser Sprachen, unter anderem die Herstellung von Lehrmaterialen, das ist für kleine Minderheiten mit großem Aufwand verbunden. Hier muss die EU für professionelle Unterstützung sorgen. Ohne Unterstützung verschwinden immer mehr Minderheitensprachen. Und mit ihnen stirbt immer auch ein Stück kulturelles Erbe. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen. Schleswig-Holstein als Heimatland der dänischen und friesischen Minderheit sowie der deutschen Sinti und Roma bietet sich dafür als Standort an wie kaum eine andere Region. 
In Deutschland funktioniert der Schutz der nationalen Minderheiten mittlerweile gut. Luft nach oben ist immer, und der Schutz muss immer mal wieder verteidigt werden. Das sieht anderswo in Europa ganz anders und deutlich kritischer aus. Für die Minderheiten, die keinen ausreichenden Schutz durch ihren Nationalstaat genießen, müssen wir uns einsetzen. Europa ist vielfältig, auch weil hier so viele autochthone Minderheiten leben. Für deren Schutz und Bewahrung muss die EU mehr tun. Lippenbekenntnisse allein reichen da nicht aus. 

Weitere Artikel

Press release · 23.09.2025 Ein Schlag ins Gesicht der Minderheiten

CDU und Grüne planen, die Pflicht zur Erstellung von Minderheitenberichten aus den Kreis- und Gemeindeordnungen zu streichen. Das geht aus einem Gesetzentwurf der Landesregierung hervor (Drs. 20/3514). Die Landesvorsitzende des SSW, Sybilla Nitsch, und der Vorsitzende der SSW-Landtagsfraktion, Christian Dirschauer, verurteilen die Pläne als massiven Rollback in der Minderheitenpolitik.

Weiterlesen

Speech · 24.09.2025 Wo sind denn hier die Minderheiten?

„Gerade die öffentlich-rechtlichen sollten unsere Bürgerinnen und Bürger dazu befähigen, am freien Diskurs, an der freien Debatte teilzuhaben.“

Weiterlesen

Speech · 24.09.2025 Prüfaufträge und Aktionstage sind zu wenig!

„Ich möchte es auf den Punkt bringen: Die Infrastruktur muss katastrophenfest bzw. -fester gemacht werden. Bund, Land und Kommunen müssen dazu Hand in Hand mit dem Ehrenamt planen und vor allem eines tun: investieren.“

Weiterlesen