Rääde · 12.12.2019 Das hier ist ein Startpunkt für die Kitas

Ein erster wichtiger Schritt zur Weiterentwicklung unseres Kitasystems

Flemming Meyer

Flemming Meyer zu TOP 5 - Gesetz zur Stärkung der Qualität in der Kindertagesbetreuung und zur finanziellen Entlastung von Familien und Kommunen, Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflegestellen u.a. (Drs. 19/1699 u.a.)

Es ist wohl allen klar, dass die Reform der Kitagesetzgebung eine anspruchsvolle Aufgabe ist. Zum einen, weil sehr viele unterschiedliche Akteure betroffen und Interessen berührt sind. Zum anderen, weil dieses Gesetz unmittelbaren Einfluss auf die Zukunftschancen unserer Kinder hat. Ich gebe also gerne zu, dass es gar nicht so einfach ist, allen Ansprüchen gerecht zu werden. Ich habe für den SSW mehrfach gesagt, dass wir die grundlegende Zielsetzung dieser Reform teilen. Vor allem, weil es im Kern um die bestmögliche Förderung unserer Kinder geht, tragen wir diese Änderungen mit. Und wir werden uns natürlich auch in Zukunft konstruktiv an diesem Prozess beteiligen.

Wenn wir ehrlich sind, dann war die Unzufriedenheit aber auch nach der letzten Debatte zum Thema greifbar. Viele Beteiligte haben weiterhin das Gespräch mit uns gesucht. Und nicht nur hier, sondern auch in der 2-tägigen mündlichen Anhörung, wurden unterschiedlichste Bedenken vorgetragen. Das ist bei einem so umfangreichen Gesetzentwurf auch nicht verwunderlich. Genau wie die Tatsache, dass leider nicht allen Betroffenen alle Sorgen genommen werden konnten. Das zeigt uns, dass wohl auch im weiteren Verlauf noch nachgebessert werden muss. Grundsätzlich ist das Engagement, mit dem sich die Anzuhörenden in diesen Prozess eingebracht haben, aber wirklich beeindruckend. Nicht zuletzt, weil viele Beteiligte ehrenamtlich tätig sind, möchte ich mich ausdrücklich für ihren Einsatz bedanken. Und ich will alle ermutigen, den Reformprozess weiter kritisch zu begleiten.

Gleichzeitig ist klar, dass die Jamaika-Koalition ihren Entwurf in einer ganzen Reihe von Punkten nachgebessert hat. Das will ich ausdrücklich anerkennen. Und doch ist mir ein Hinweis wichtig: Allein das Kita-Finanzierungssystem ist sehr kompliziert. Außerdem gehen die Regelungen in diesem Gesetz weit darüber hinaus. Was bedeutet, dass wir viele Effekte erst nach Inkrafttreten des Gesetzes wirklich bewerten können. Vor allem mit Blick auf wichtige Kritikpunkte wie Verfügungszeiten, Freistellung für Leitungskräfte oder Inklusion muss sich also erst noch zeigen, ob die Korrekturen ausreichen. Natürlich sollen Eltern und Kommunen entlastet und die Kita-Qualität erhöht werden. Aber wir müssen doch vor allem dafür sorgen, dass niemand schlechter gestellt wird als bisher. Und hier gibt es zumindest noch Restzweifel. 

Ich denke uns allen muss also klar sein, dass dieses Gesetz nur ein erster Schritt sein kann. Natürlich begrüßen wir es, wenn das Land seinen Finanzierungsanteil erhöht. Und auf dem Papier sieht es erstmal schön aus, wenn in Zukunft mehr Fachkräfte kleinere Gruppen betreuen. Auch die geplante Deckelung der Elternbeiträge hört sich gut an. Trotzdem gibt es aber bis heute noch offene Fragen. So lässt sich zum Beispiel bezweifeln, ob die gesetzten Standards wirklich zu flächendeckenden Qualitätsverbesserungen führen. Die Sorge, dass Kommunen diese Standards sogar absenken, wenn sie diese schon übererfüllen, liegt zumindest nahe. Hier bleibt zu hoffen, dass sich die kommunale Ebene ihrer Verantwortung für eine bestmögliche frühkindliche Bildung bewusst ist und entsprechend handelt. 

Für den SSW kann es gar keine Alternative zu einer solchen frühkindlichen Bildung geben. Und mittlerweile wird wohl auch jede und jeder die positiven Effekte einer guten frühkindlichen Bildung kennen: Krippe, Kita oder Tagespflege sind die Orte, an denen die Weichen für einen erfolgreichen Bildungsweg gestellt werden. Frühkindliche Bildung hilft nachweislich dabei, unterschiedliche Startchancen zumindest anzugleichen. Sie ist damit ist ein wesentlicher Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben. Deshalb muss jeder Euro, der in dieses System gesteckt wird, auch bei den Kindern ankommen. Und deshalb muss der Zugang zu diesen Angeboten auch allen Kindern offen stehen. Egal ob mit oder ohne Handicap und ohne finanzielle Hürden für die Familien.

Nicht zuletzt beim Ziel, Transparenz und Effizienz in der Kita-Finanzierung zu schaffen, geht der vorliegende Entwurf in die richtige Richtung. Und grundsätzlich gesehen ist er ein Auftakt für die dringend notwendige Weiterentwicklung des gesamten frühkindlichen Bildungssystems. Aber er ist eben nur ein Anfang. Denn wenn wir zum Beispiel über Kita-Qualität reden, dann müssen wir uns um mehr als die Verfügungszeiten oder den Fachkraft-Kind-Schlüssel kümmern. Wir müssen weiter denken und schon bald zu echten Lehrplänen für diesen Bereich kommen. Und wir müssen dringend Arbeitsbedingungen schaffen, die es möglich machen, diesen umfassenden frühkindlichen Bildungsauftrag dann überhaupt auch zu erfüllen.

Wie erwähnt, hat die Koalition im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens verschiedene Änderungen vorgenommen. Die Naturpädagogik oder genauer gesagt die Waldkrippen sind hier ein erfreuliches Beispiel. Aber auch als Zugehöriger der dänischen Minderheit will ich ein Lob loswerden. Denn der Dänische Schulverein ist mit Blick auf das Kitasystem in einer besonderen Situation: Er ist nicht nur für den Betrieb unserer Schulen zuständig, sondern als Träger unserer 57 dänisch-sprachigen Kindertagesstätten auch unmittelbar von der Kitagesetzgebung betroffen. Natürlich unterliegt Dansk Skoleforening der deutschen Rechtsprechung. Aber unser Schulverein ist nicht zuletzt der dänischen Pädagogik verpflichtet. 

Sie können sich vorstellen, dass auch diese dänisch-sprachigen frühkindlichen Bildungseinrichtungen für uns als Minderheit enorm wichtig sind. Sie erfüllen unseren Bildungsauftrag. Genau wie unsere Schulen. Und sie haben zur Aufgabe, 
neben den allgemeinen Inhalten zusätzlich auch die dänische Sprache und Kultur zu vermitteln. Diese Einrichtungen haben also etwas andere Voraussetzungen und Bedarfe, als deutsch-sprachige Einrichtungen. So muss zum Beispiel sämtliches Kita-Personal nicht nur die dänische Sprache beherrschen, sondern auch die dänische Kultur und Tradition kennen. Das hat unter anderem Konsequenzen für die Personalgewinnung. Ich will deshalb ausdrücklich loben, dass dieser und andere Aspekte, die mit der Ausrichtung im Sinne der skandinavischen Pädagogik einhergehen, berücksichtigt werden. Das ist Ausdruck guter Minderheitenpolitik.

Wie schon gesagt, können wir viele Auswirkungen dieses Entwurfs noch gar nicht im Detail bewerten. Deshalb ist es so wichtig, dass man mit der Verabschiedung dieses Gesetzes nicht einfach die Füße hochlegt. Das hier ist ein Startpunkt. Streng genommen fängt die Arbeit jetzt erst an. Nur zur Erinnerung: Nicht nur die Übergangsphase, sondern vor allem auch eine gründliche Evaluation sind verbindliche Bestandteile des Gesetzes. Und wir erwarten, dass man Kritik und Anregungen, die im weiteren Verlauf zur Sprache kommen, auch entsprechend ernst nimmt. Und wir erwarten auch, dass die genannten Probleme im Zweifel behoben werden. Das ist uns gerade aufgrund der Bedeutung und Tragweite dieser Reform ganz besonders wichtig. 

Wir alle haben das Ziel, Schleswig-Holstein familienfreundlicher zu machen. Dafür müssen wir den Familien im Land aber noch deutlich bessere Perspektiven bieten. Eine bestmögliche frühkindliche Bildung ist hier ein wichtiger Baustein. Und deshalb müssen wir diesen Bereich auch langfristig verlässlich fördern. Und wir müssen dieses Kitagesetz als Grundlage nutzen und es weiterentwickeln. Und zwar so, dass wir am Ende allen Eltern nicht nur ein vielfältiges sondern im Zweifel auch inklusives Angebot machen können. Und genau wie bei anderen Bildungsangeboten müssen wir eben auch hier daran arbeiten, den Zugang kostenlos zu gestalten. Das ist nicht nur aus familienpolitischer Sicht geboten. Sondern es zahlt sich auch langfristig aus. Für unsere Kinder und Familien, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes. 

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