Rääde · 14.12.2022 Echte Nachhaltigkeit statt "irgendwas mit Recycling"

„Wenn die Nachhaltigkeit sowie die Kreislaufwirtschaft tatsächlich mit Leben gefüllt werden sollen, dann brauchen wir die entsprechenden Firmen vor Ort, hier bei uns im Norden. Um diese Stellschraube anzugehen, braucht es eine langfristige Ansiedelungsstrategie der Landesregierung, mit dem Ziel „Recyclingcluster“ im Land zu etablieren.“

Sybilla Nitsch zu TOP 14 - Nutzung von Recycling- und nachhaltigen Baustoffen stärken (Drs. 20/374)

Der Bauboom ist vorbei. Laut Statistischem Bundesamt hat sich die Kurve bezüglich der Fertigstellung von Wohneinheiten einem Plateau angeglichen.
Ob das nun gut oder schlecht ist, will ich dieser Stelle gar nicht beurteilen. Fakt ist jedoch, dass die Bevölkerung Deutschlands zwischen 2012 und 2018 um rund 2,5 Millionen Menschen angewachsen ist. Das ist ein Plus von 3,1 %. 
Der Bedarf an Wohnraum ist also hoch, auch bei uns in Schleswig-Holstein. Ohne Neubau und Sanierung von Bestand, werden dieses Problem nicht lösen.
Bei der Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft ist noch Luft nach oben, schließlich benötigt diese mehr als 70 % der abgebauten Rohstoffe in Deutschland, bei Kiesen, Sanden und gebrochenem Naturstein liegen wir bei ca. 95%. Unsere Ressourcen sind endlich, das ist uns allen klar, für eine erfolgreiche Bauwirtschaft in Schleswig-Holstein, wird ein Weiter-so, der Branche irgendwann die Luft abschnüren.
Schwarz-grün hat sich im vorliegenden Antrag nun das Thema Baustoffe vorgenommen und wollen die Landesregierung bitten, nachhaltige Baustoffe zu stärken. Das hört sich erstmal gut an und wir als SSW können die Zielrichtung des Antrags sehr gut nachvollziehen. Aber tatsächlich bietet der Ursprungsantrag nicht mehr als eine Hilfestellung über eine Erklärung von „Wir haben es doch nicht geschafft.“ Kaum ein Faktor hat die Baubranche dieses Jahr so stark geprägt wie der Baustoffmangel. Daher wäre es für die Planungsbüros doch ein leichtes zu sagen, es gab leider keine entsprechende Recycling-Baustoffe, daher mussten wir auf Herkömmliche ausweichen. Genau das ist es, was passieren wird. Vor allem kann man sich auch die Frage stellen, warum sollen denn nur Recycling-Baustoffe und Holz aus zertifizierter, nachhaltiger Produktion gestärkt werden? Dabei gibt es doch auch noch andere Rohstoffe, die nachhaltig gelten. Aber eine umfassende Kategorisierung von Baustoffen aufzustellen, ist vielleicht zu komplex. Mit diesen nun zwei genannten nachhaltigen Baustoffen, ist es für uns als SSW daher durchaus ein glänzender Antrag, der aber doch nur mit leeren Händen kommt. Tatsächliche Neuerungen sucht man hier vergeblich. Vor gar nicht allzu langer Zeit, im Sommer 2020, gab es einen ganz ähnlichen Antrag, welcher durch eine große parteiübergreifende Mehrheit getragen wurde. Dort wurde die Landesregierung gebeten, doch den Einsatz von mehr recycelten Baustoffen bei landeseigenen Bauvorhaben zu fördern. Vermutlich ist die Umsetzung noch nicht zufriedenstellend gelungen, sonst bräuchte es jetzt keinen weiteren Antrag. Ich bin jedenfalls gespannt über den Bericht des Ministeriums diesbezüglich. 
Um diesen Bereich auch für die Wirtschaft weiter zu fördern, brauchen wir zielgerichtete Ansätze.
In Vergabefahren muss bereits argumentiert werden, warum z.B. Recyclingbaustoffe nicht in Betracht kommen. Hauptargument sehr häufig: der Kostenfaktor. Das greift zu kurz, daher fordern wir Kriterien für Umwelt- und Ressourcenschutz abzubilden.
Bekommt die Bauwirtschaft Best-Practice-Beispiele und auch die Strategien an die Hand, ist der Wille sicher nicht das Problem. Wir sollten gemeinsam bei uns im Land eine Expertise aufbauen. Fortbildungsangebote für das Thema Kreislaufwirtschaft Bauen können ein Baustein sein, 
Im Kern geht es doch um die Frage, wo kommen die Baustoffe eigentlich her? Wo und unter welchen Bedingungen werden die Stoffe recycelt? Wenn die Nachhaltigkeit sowie die Kreislaufwirtschaft tatsächlich mit Leben gefüllt werden sollen, dann brauchen wir die entsprechenden Firmen vor Ort, hier bei uns im Norden. Um diese Stellschraube anzugehen, braucht es eine langfristige Ansiedelungsstrategie der Landesregierung, mit dem Ziel „Recyclingcluster“ im Land zu etablieren, die vor allem auch noch in den kommenden Wahlperioden trägt. Den Kostenfaktor blenden wir nicht aus. Nichtdestotrotz wollen wir als SSW keinen Kostenvergleich aufmachen, denn dann hätte die Nachhaltigkeit immer das Nachsehen. Wichtig ist uns jedoch, dass sich alle Bevölkerungsgruppen weiterhin ihre Wohnungen oder Häuser leisten können und das Land weiterhin eigene Gebäude halten und Neubauten errichten kann. Wenn uns das gelingt, mit einem Mehr an Nachhaltigkeit, dann sind wir in bei uns im Norden glaube ich auf einem guten Weg.

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