Rääde · 16.06.2021 Ein Gesetz der verpassten Chancen

„Ein Gesetz, das kaum integriert und nur bedingt teilhaben lässt.“

Presseinformation

Kiel, den 16.06.2021

Es gilt das gesprochene Wort


Lars Harms zu TOP 2 - Entwurf eines Gesetzes zur Integration und Teilhabe (Drs. 19/1640)

Am Ende eines zweijährigen Prozesses steht in Schleswig-Holstein nun ein Integrations- und Teilhabegesetz zur abschließenden Debatte, das kaum integriert und nur bedingt teilhaben lässt. 
Mit einem Integrations- und Teilhabegesetz hätte man Vieles zum Besseren wenden können, aber Jamaika hat bewiesen, dass lange Verhandlungen nicht automatisch immer zu klugen Kompromissen führen. 
Dieses nun vorliegende Gesetz zur Integration und Teilhabe ist eines, welches wir als SSW ablehnen. Es bleibt hinter sämtlichen Erwartungen zurück, die in der Anhörung formuliert worden sind. Vor allem auch von Menschen, die potenziell davon betroffen wären oder diese vertreten. 

Wie wir als SSW uns ein solches Gesetz vorstellen, haben wir mit unserem eigenen Antrag, den wir vor einem Jahr eingereicht haben, unter Beweis gestellt. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten ein bisschen mehr daraus abgeschrieben. 
Sie hätten, ebenso wie wir, Gesundheitsleistungen und psychotherapeutische Angebote aufnehmen können. Oder für Seniorinnen und Senioren, die aufgrund ihrer Migrationsgeschichte Sprachbarrieren haben, Aufwertungen in Pflegesituationen schaffen können. Sie hätten einen bedarfsgerechten und kostenfreien Zugang zu Sprachkursen unabhängig vom Aufenthaltsstatus vorgeben können. Sie hätten zeitgleich die sprachlichen und kulturellen Fähigkeiten, die die Menschen, die wir hier integrieren wollen, bereits mitbringen, anerkennen können, indem das Land die Nutzung und Weitergabe der Herkunftssprachen fördert. Oder Sie hätten die Schulpflicht ausweiten können, sodass anerkannte Geflüchtete bis zum 25. Lebensjahr eine schulische Ausbildung an unseren Berufsschulen absolvieren können. Sie hätten nach Möglichkeiten suchen können, Schulabschlüsse, die nicht nachgewiesen werden können, durch Prüfungen bestätigen zu lassen.  Oder Sie hätten Wege finden können, Integrationsstrukturen zu stärken, beispielsweise durch Integrationsbeauftragte in Kreisen und kreisfreien Städten. 

All dies ist Ihnen in der Anhörung mit auf den Weg gegeben worden. 
All dies wären aus unserer Sicht Maßnahmen im Sinne der Integration und Teilhabe. 
Nichts davon findet bei Jamaika Umsetzung und das sind mindestens verpasste Chancen. Es bleibt leider bei dem Eindruck, der sich von Anfang an aufdrängte. Das Jamaika-Gesetz ist einfallslos und löst sich im Widerspruch auf. Wir werden sehen, ob und welche Anwendung es überhaupt finden wird. 
An einer Stelle ist es eben aber doch besonders ablehnenswert. Und das bleibt, es wird Sie nicht wundern, der Paragraph 7. 
Wir hatten Ihnen da einen Gegenvorschlag präsentiert, in dem so unaufgeregt, wie es geht, festgestellt wird, dass ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die sich in Schleswig-Holstein niederlassen wollen, über das Grundgesetz, die Landesverfassung und die damit verbundenen gemeinsamen Grundwerte zu informieren sind. 
Leider haben wir nun auch in diesem Punkt einen irgendwie schon absurden Jamaika-Kompromiss in Gesetzesform vorliegen, der zwar textlich erst einmal nur aussagt, dass „alle Menschen“ das Grundgesetz und die Landesverfassung anzuerkennen haben, doch aber eine Unterstellung bleibt, eben weil er so explizit im Integrationsgesetz festgeschrieben wird. 
Wäre er selbstverständlich, hätte dieser Satz ja auch im Schulgesetz auftauchen können oder, mit Blick auf die weitere Tagesordnung etwa unter Top 25 als Anspruch an die Radfahrer, die unsere Wege nutzen. 
Und so bleibt bei diesem Gesetz ein bitterer Beigeschmack, den ich nicht loswerden kann und der maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass der SSW Ihr Integrationsgesetz ablehnen wird. 

Was übrigens auch unverzichtbar für die Integration von Menschen, die zu uns geflohen sind, ist ist die Arbeit von Vormundschaftsvereinen, denen Jamaika, wie ich durch meine Kleine Anfrage in Erfahrung bringen konnte, tatsächlich die Förderung entziehen will. Ich möchte Sie wirklich bitten, hier noch einmal in sich zu gehen und unserem Antrag zur Fortsetzung der Richtlinie zur Unterstützung von Vormundschaftsvereinen zuzustimmen. Sie werden im Innenausschuss die Gelegenheit haben, sich hierzu zu verhalten. 
Das Integrations- und Teilhabegesetz aber bleibt weit hinter den Notwendigkeiten zurück.

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