Rääde · 10.09.2010 Europäische Kulturstrategie

Die sogenannte Europäische Kulturstrategie wurde 2007 durch die Europäische Kommission ins Leben gerufen. Sie schlug vor, diese neue Strategie auf der Grundlage der „offenen Koordinierungsmethode“ voranzubringen – eine Methode, die laut EU-Kommission bereits erfolgreich die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der EU in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sozialschutz strukturiert.

Für einen Zeitraum von 2007 bis 2013 wird die Europäische Gemeinschaft etwa 30 Mio. Euro zu dem Fonds beisteuern; die Mitgliedstaaten wurden gleich 2007 ersucht, weitere Beiträge zu leisten. Die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Kulturstrategie sollen alle zwei Jahre von der Kommission und den Mitgliedstaaten überprüft werden.

Im Klartext heißt dies aber auch, dass so eine Kulturinitiative nicht zu den Pflichtaufgaben der Europäischen Union zählt, im Gegenteil: in Sachen Kultur haben die Mitgliedstaaten die Hoheit – wofür es, füge ich in Klammern hinzu, ja auch ganz viele gute Gründe gibt. Wir vom SSW wollen zumindest nicht, dass sich die Staaten aus ihren kulturellen Verpflichtungen zurück ziehen. Die Kulturstrategie der EU kann daher nur eine Ergänzung sein. Doch wie in anderen Zusammenhängen auch, steckt häufig der Teufel im Detail – dazu zwei Anmerkungen.

Als erstes zu den Grundlagen: Die Kulturförderung der EU unterstützt Projekte, gibt Betriebskostenzuschüsse oder fördert Studien. Bei der Projektförderung sehen die Regelungen zwar eine mehrjährige Förderung vor, die Hälfte der Kosten müssen aber von den Projektträgern kommen. Soll heißen, wir sind bei einem zentralen technischen Problem des Programms: die meisten unserer Kultureinrichtungen können Eigenmittel kaum aufbringen. Für sie kommen solche Programme also nicht infrage.

Die Europäische Union verweist in allen Fällen, in denen mehr als eine hälftige Förderung notwendig ist, an das Deutsche Zentrum für Kulturförderung weiter. Dort werden interessierte Künstler flächendeckend über Stiftungen, Preise und Unterstützungsmöglichkeiten informiert. Für alle weiteren Schritte sind professionelle Kulturmanager gefragt, um aus der Vielfalt das richtige Instrument zu finden.

Auch die europäische Kulturstrategie richtet sich mitnichten an Einzelkünstler, wie der Antrag durch die Formulierung „Kulturschaffende“ nahe legt, sondern laut Programmleitfaden ausdrücklich an Theater, Museen und Universitäten, also ausgewachsene Einrichtungen. Nur sie haben überhaupt die Möglichkeit, alle Förderbedingungen einzuhalten. Diese hohen Anforderungen erklären, warum die Europäische Kulturstrategie bisher kein Renner in Schleswig-Holstein gewesen ist.

Und nun zu meiner zweiten Anmerkung: Denn, was über die technischen Probleme weit hinausreicht, sind die zentralen inhaltlichen Probleme der Kulturstrategie. Die Europäische Kommission erklärt, dass sie mit ihrer Strategie die Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen unterstützen will, tatsächlich hantiert sie aber mit einem einheitlichen, nationalstaatlich basierten europäischen Kulturbegriff. Diese Kanonisierung der nationalstaatlichen Kultur zeigt sich beispielsweise in der Begrenzung der förderfähigen Sprachen auf die Amtssprachen. Der Programmleitfaden verweist ausdrücklich darauf, dass Übersetzungen eines englischen Romanes eines irischen Autors ins Gälische nicht förderfähig sind. Da die Minderheiten- und Regionalsprachen nicht überall in Europa per Verfassung Amtssprachen sind, fallen deren belletristische Werke nicht unter die Fördergrundsätze der Kultur-Strategie. In Deutschland sind weder Friesisch noch Romanes oder Sorbisch im Grundgesetz aufgeführt, wie es der Leitfaden verlangt; eine Übersetzung wird also nicht gefördert.

Der Verdacht liegt nahe, dass die europäische Kulturstrategie nicht den interkulturellen Dialog fördert, sondern an nationalen Konstruktionen kleben bleibt. In der Programmsprache heißt das Ganze dann „wirklicher, zusätzlicher europäischer Nutzen“. Das Programm zielt also darauf ab, dass monolithische Staaten über ihre Grenzen hinweg Kultur austauschen. Da waren wir wirklich schon weiter – bzw. sind es, zumindest hier in Schleswig-Holstein.

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