Rääde · 15.12.2000 Familienpreis Schleswig-Holstein abgelehnt

Wenn wir heute Familie sagen, dann spreche wir nicht mehr von der sogenannten „bürgerlichen Familie" oder „Kernfamilie" von Vater, Mutter und Kind. Obwohl das heute immer noch statistisch der Normalfall ist, gibt es heute eine Vielfalt von Familienformen. Gemeinsam ist allen diesen Gruppen nur noch die Gemeinschaft von Kindern und Erwachsenen. Man könnte diagnostizieren, dass Familie heute nicht mehr auf einer Partnerschaft der Eltern fußt, wie dieses früher erwartet wurde. Familie ist dort wo Kinder mit Eltern leben, wobei es weder zwei Eltern sein müssen noch überhaupt die biologischen Eltern.

Unabhängig davon ob wir von Kernfamilien, Ein-Eltern-Familien, Mehrgenerationenfamilien, „Patchworkfamilien" oder homosexuellen Lebensgemeinschaften mit Kindern sprechen, sie haben alle einen gemeinsamen Nenner: Sie sind der Ort wo Kinder sozialisiert werden und in dem sie emotionalen Halt finden sollen. Genau das macht sie zur Familie, und genau das ist der Grund, weshalb wir ihnen als Gruppe gute Lebensbedingungen sichern müssen.

Der zentralen Bedeutung von Familien in diesem Sinne stehen aber immer noch strukturelle Benachteiligungen in unserer Gesellschaft gegenüber. Die Probleme sind vielfältig; es fängt bereits bei der materiellen Situation der Familien an. Der Kinderschutzbund rechnet uns vor, dass ein Kind bis zum Abitur 600.000 DM kostet. Wie viele Eltern können ihren Kindern wohl diesen Start ins Leben nicht bieten? Außerdem baut das deutsche Recht für Familien - trotz Verbesserungen beim Kindschaftsrecht - immer noch maßgeblich auf eine bestimmte Partnerschaftsform der Erwachsenen und nicht auf die Elternschaft. Damit wird ein großer Teil der finanziellen Förderung fehlgeleitet. Wer wirklich die Familien unterstützen will, muss endlich die Kinder und Eltern fördern und nicht die Ehe.

Es gibt also viel zu tun in der Familienpolitik. Ein Familienpreis - wie dieses die CDU beantragt - ist allerdings nicht der richtige Weg. Nicht nur, weil die Benachteiligungen von Familien dadurch kaum gebessert werden. Es geht schließlich nicht vorrangig darum, das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für familiäres Zusammenleben zu stärken, sondern die Politik muss erst einmal ihre Hausaufgaben machen. Nein, wir lehnen den Familienpreis vor allem deshalb ab, weil die große Gefahr besteht, dass bei der Auswahl der Preisträger bestimmte Familienleitbilder gefördert werden. Das ist aber nicht sinnvoll.

In Deutschland har man spätestens seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Preußischen Landrechts von 1794 eine starke Tradition dafür, staatlicherseits ein Familienleitbild vorzugeben. Das hat - vielleicht mit Ausnahme der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts - eigentlich nie funktioniert. Es hat aber zur Benachteiligung derjenigen geführt, die nicht in das staatlich akzeptierte Bild der Familie passten. Angesichts der starken Ausdifferenzierung der Familienformen erscheint eine Politik der Familienleitbilder weniger sinnvoll denn je.

Der Staat soll kein familienpolitisches Leitbild vorgeben, sondern gute Rahmenbedingungen schaffen. Wer Familien wirklich stärken will, sollte durch eine sachbezogene Politik den Kindern gute materielle Lebensbedingungen sichern, Erwachsenen Zeit für Kinder geben und eine Arbeitsteilung der Geschlechter ermöglichen. Es geht nicht darum, den Menschen bestimmte Familienmodelle vorzugeben. Es gilt, sie darin zu unterstützen, Familie so zu leben, wie sie es können und wollen. Durch eine solche Setzung des gesellschaftlichen Rahmens lässt sich mehr erreichen, als durch die staatliche Propagierung von vermeintlich universalen Familienwerten.

Letzten Endes macht man mit einer solchen Politik auch den familienpolitisch engagierten Menschen einen größere Freude, als wenn man ihnen einen Preis verleiht. Denn damit unterstützt man ihr Engagement sicherlich mehr, als mit Ehrenbekundungen.

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