Nais · 27.03.2019 Humanität hat Vorrang vor Rückführung

Ein weiterer Rückschritt in der Flüchtlingspolitik unter Jamaika wäre nicht mehr zu ertragen! Nicht-straffällige Afghanen müssen bleiben dürfen!

Lars Harms am Meer

Lars Harms zu TOP 14 - Humanität hat Vorrang vor Rückführung (Drs. 19/1359)

(Nr. 089-2019) Der Koalitionsvertrag der Landesregierung sah ursprünglich vor, dass bei Rückführungen in Staaten mit besonders unübersichtlicher Sicherheitslage, wie beispielsweise Afghanistan, jeder Einzelfall im Innenministerium anhand von Angaben der Bundesregierung und anderer relevanter Akteure geprüft wird. Davon ausgenommen sollten nur Straftäter und sogenannte Gefährder sein. Diese Vorgehensweise bestätigte auch die Antwort, die ich vom Innenministerium auf meine Kleine Anfrage hin bekam; 
2017 null Abschiebungen nach Afghanistan aus Schleswig-Holstein. 
2018 fünf, allesamt Straftäter. 
Faktisch also, könnte man meinen, kein Grund zur Sorge. Am 08. März konnten wir in den Kieler Nachrichten allerdings lesen, dass Innenminister Grote sich neue Absprachen mit Afghanistan erhofft, um Abschiebungen besser durchführen zu können. Erheblichen Widerspruch aus der Regierungskoalition gab es damals nicht!

Für den SSW hingegen steht außer Frage, dass Jamaika alle rechtlichen Möglichkeiten des Landes ausschöpfen muss, um die drohenden Abschiebungen nach Afghanistan zu verhindern. Auch deswegen hat es uns etwas irritiert, als wir auf weitere unserer Fragen im März vom Innenministerium die Antwort erhielten, die Beurteilung in den Zielstaaten der Abschiebungen obliege allein der Bundesregierung. Das sieht der Koalitionsvertrag von Jamaika noch anders. Hier sollten die Aussagen auch von weiteren Akteuren Berücksichtigung finden. Es reicht nicht, sich nur an einer Aussage des Auswärtigen Amtes, dass einige Provinzen relativ sicher seien, zu orientieren. Das gleiche Außenamt hat für ganz Afghanistan eine Reisewarnung ausgesprochen und befürchtet für Menschen dort Ermordung und Anschläge. Das deckt sich mit Erkenntnissen von Nichtregierungsorganisationen und vom UNHCR. So etwas kann man doch nicht außer Acht lassen, wenn man am Beginn der Wahlperiode per Koalitionsvertrag noch gelobt hat, alle Erkenntnisse in die Betrachtung mit einzubeziehen. Würde man das tun, dann wäre klar, dass kein Afghane abgeschoben werden kann!

„Volatile Sicherheitslage“, das ist eine dieser politischen Äußerungen, mit denen man sich die direkten Auswirkungen für die Menschen für das eigene Verständnis vom Leibe hält. Was volatile Sicherheitslage bedeutet, verbildlicht aber Pro Asyl auf einer interaktiven Karte Afghanistans über Vorfälle in den einzelnen Provinzen des Landes. Sie zeigt ein erschreckendes Bild. Alleine im Recherchezeitraum vom 01.11.2018 - 10.01.2019, also in nur 71 Tagen, 100 Vorfälle, bei denen Menschen gestorben sind. Fast in allen der 34 Provinzen Afghanistan hat das stattgefunden. 
Die wenigen Provinzen, die derzeit gerade oder noch als sicher gelten, sind gebirgige Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte. Wir sprechen aber in Deutschland von etwa 15.400 ausreisepflichtigen Afghanen. Wie soll das denn vonstattengehen? Wir können nicht 15.400 Menschen in ein Hochtal abschieben und denken, damit haben wir unsere Schuldigkeit getan. Wir wüssten ja noch nicht mal, ob sie überhaupt lebend dort ankommen. 

2018 hat die deutsche Bundesregierung 284 Menschen nach Afghanistan abgeschoben, die hier bei uns Asylanträge gestellt hatten. Und das, obwohl sich internationale Quellen wie die der Menschenrechtsorganisationen darin einig sind, dass sich die Sicherheitssituation auch in diesem Jahr verschärft hat. Nach wie vor gibt es Kämpfe zwischen afghanischen Sicherheitskräften, Taliban und regionalen Ablegern des sogenannten Islamischen Staates. Täglich gibt es zivile Opfer.

Schleswig-Holstein hat 2019 den Vorsitz der Innenministerkonferenz und wird damit im Juni Gastgeberland der Haupttagungen sein. Unser Innenminister ist also Vorsitzender der Konferenz, wird sie leiten und Beschlussvorlagen für diese Frage erarbeiten. Hier sehen wir eine gute Gelegenheit für unseren Innenminister, die Haltung des Koalitionsvertrages selbstbewusst zu vertreten und durchzusetzen. Und deswegen haben wir diesen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt. Wir wünschen uns ein deutliches Signal von der Landesregierung und den sie tragenden Parteien, dass sie vom Kurs im Koalitionsvertrag nicht abweichen. 
Nachdem wir in Zukunft ein unnötiges Abschiebegefängnis bekommen und Verschärfungen im Abschiebehaftgesetz erfolgt sind, wird es langsam Zeit, wieder an die humanitäre Flüchtlingspolitik der Vergangenheit anzuknüpfen. Ein weiterer Rückschritt unter Jamaika wäre nicht mehr zu ertragen! Nicht-straffällige Afghanen müssen bleiben dürfen!

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