Rääde · 20.05.2021 Jedem Abgeordneten sollte klar sein, wann Dinge nicht mehr o.k. sind

„Nicht nur der Strafrahmen des § 108e Strafgesetzbuch muss erweitert werden, sondern der Straftatbestand an sich muss erweitert werden.“

Lars Harms zu TOP 26 - Die repräsentative Demokratie lebt von Vertrauen (Drs. 19/2959)

Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat schon vorbildliche Regelungen zur Offenlegung von so genannten Nebeneinkünften. Das heißt aber nicht, dass hier nicht noch etwas verbessert werden kann. Wir haben zwar keine Erkenntnisse, dass sich irgendwelche Abgeordnete dieses Landtages etwas zu Schulden haben kommen lassen, aber es ist natürlich klug, die Verfehlungen von Abgeordneten aus dem Bundestag und dem Bayerischen Landtag zum Anlass zu nehmen, um auch unsere Regelungen zu überprüfen und anzupassen. Dabei möchte ich aber vorausschicken, dass Nebeneinkünfte nicht per se etwas Schlechtes sind. Wenn also Abgeordnete ihre bisherige Selbständigkeit weiterführen, weiter ihrem Beruf nachgehen oder auch weiter ihr Angestelltenverhältnis in Teilzeit weiterführen, dann sichert dies ihre Unabhängigkeit und dann ermöglicht es auch nach dem Ausscheiden aus dem Landtag eine Rückkehr in den bisherigen Beruf. 
Ich erinnere deshalb auch daran, dass man nur für fünf Jahre in den Landtag gewählt wird und dann die Karten wieder neu gemischt werden. Ein Ausscheiden aus dem Landtag nach fünf Jahren ist nicht ungewöhnlich und deshalb muss auch dieses bei der Bewertung von Nebeneinkünften mitgedacht werden. Und auch andere Einkünfte, wie zum Beispiel Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder der Besitz von Wertpapieren sind nicht verwerflich. Wichtig ist doch nur, dass die Einnahmen und Ausgaben transparent sind und dass sich mögliche Abhängigkeiten nachvollziehen lassen. Das gilt im Übrigen auch für Mitgliedschaften in Vereinen und Organisationen oder für ehrenamtliche Tätigkeiten in diesen. Auch hier gibt es Loyalitäten, die offengelegt werden müssen. 
Die große Baustelle liegt allerdings woanders, nämlich auf der Bundesebene. Was die Verfehlungen der Abgeordneten aus dem Bundestag und dem Bayerischen Landtag nämlich eindrucksvoll belegen ist, dass man ihnen, wenn man sie für eine Tätigkeit in Verbindung mit ihrem Mandat vergütet, nicht beikommen kann. Nach derzeitigem Recht kann ein Abgeordneter also seine Kontakte und sein Wissen für private finanzielle Interessen nutzen, ohne dass er Gefahr läuft, hier wegen Bestechlichkeit angeklagt zu werden. Gleiches gilt auch für denjenigen, der dem Abgeordneten eine finanzielle Leistung gewährt. Vor diesem Hintergrund hilft es dann auch nicht, wenn der Strafrahmen für Bestechlichkeit erhöht wird. 
Es muss nachgewiesen werden, dass es einen Auftrag gab und dass dieser Auftrag angenommen wurde. Genau das ist aber bei Bestechung meistens nicht möglich, weil genau darüber eben nicht Buch geführt wird oder anderweitig ein Schriftstück oder Zeugenbeweis besteht. Deshalb muss nach unserer Auffassung nicht nur der Strafrahmen des § 108e Strafgesetzbuch erweitert werden, sondern der Straftatbestand an sich muss erweitert werden. Zuerst muss klargestellt werden, dass Vergehen auch dann geahndet werden können, wenn ein Auftrag oder eine Weisung nicht explizit nachweisbar sind. Konkludentes Handeln sollte hier ausreichen, denn jedem Bürger ist es klar, wann Dinge nicht mehr o.k. sind und dann müsste dies auch jedem Abgeordneten klar sein.
Und weiter muss auch klargestellt werden, dass man auch, wenn man sich für Handlungen nachträglich belohnen lässt, bestraft, werden kann. Also auch die „Dankesgabe“ darf eben nicht angenommen werden. Unter normalen Abgeordneten ist das klar. Aber die Fälle der Vergangenheit zeigen eben, dass nicht alle Abgeordneten solche normalen Abgeordneten sind. Der § 108e Strafgesetzbuch muss also in seinen Tatbeständen erweitert werden.
Um es aber noch einmal klarzumachen. Wir haben hier in Schleswig-Holstein bisher glücklicherweise keine Fälle von solchen Verfehlungen, wie wir sie aus dem Bundestag kennen. Und trotzdem müssen wir diese Fälle aber zum Anlass nehmen, unsere eigenen Regelungen zu hinterfragen und auf Bundesebene für schärfere Regelungen zu sorgen. Das tun wir und das ist auch vernünftig.
 

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