Rääde · 25.08.2021 Keine Diskriminierung bei der Kinderwunschbehandlung

„In einer Gesellschaft, in der alles möglich ist, wird ungewollte Kinderlosigkeit zu einem Makel, den vor allem Frauen als sehr belastend empfinden. Diese Not zu sehen, und dann nicht zu helfen, geht gar nicht!“

Christian Dirschauer zu TOP 12 - Kinderwunschbehandlung bundesweit einheitlich gestalten (Drs. 19/2862)

Wenn die Familien in der Nachbarschaft wachsen und fröhliches Kinderlachen durchs Fenster weht, kann das für Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch die Hölle sein, weil sich damit eine Lücke offenbart. Ungewollte Kinderlosigkeit führt oftmals zu schweren körperlichen und seelischen Belastungen bei den Betroffenen. Dieses private Schicksal ist inzwischen zu einem Riesenproblem geworden. Das Bundesfamilienministerium meldete im Frühjahr, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass etwa fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos ist. 

Die gute Nachricht: es gibt neben der Möglichkeit der Adoption auch unterschiedliche medizinische Möglichkeiten zur Lösung des Problems. Die größte Kinderwunsch-Klinik Schleswig-Holsteins in Kiel informiert auf ihrer Internetseite über die Voraussetzungen für die Durchführung einer Kinderwunschbehandlung. Da geht es um das Alter, die Voruntersuchungen, aber natürlich auch darum, wie die Finanzierung geregelt ist. Dort ist zu lesen: „Leider beteiligt sich Schleswig-Holstein im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern bisher nicht an der Unterstützung von Kinderwunschpaaren.“ Paare, die in Schleswig-Holstein leben, sind also schlechter gestellt als Paare in anderen Bundesländern. Das ist wohl das, was die Jamaica-Fraktionen im Antrag unter bundeseinheitlicher Gestaltung verstehen. 

Ich möchte den Antrag nicht kleinreden. Im Gegenteil. Er will die Ungerechtigkeit im Kinderwunsch-System beseitigen. Gut, dass er dazu den Aufschlag macht. In gewohnter Zurückhaltung, aber doch auf dem richtigen Weg. Prüfauftrag und gesetzlicher Vorbehalt sind aber schon starke Vorbehalte, die im Antrag formuliert worden sind. Der Antrag der SPD geht hier deutlich weiter. Und zwar im Sinne der Betroffenen. 

Ich bin der Meinung, dass sich das ganze Konstrukt ändern muss. Die Ungerechtigkeit muss aufhören! Die Altersgrenze ist diskriminierend. Es sollten doch medizinische Kriterien eine Rolle spielen und nicht das Alter im Ausweis. Warum dürfen Frauen im Alter von 41 Jahren auf natürlichem Wege schwanger werden, aber nicht auf künstlichem? Warum spielt das Alter des Mannes eine Rolle? Und warum darf er nicht älter als 50 Jahre sein? 

Medizinische Gründe lasse ich gelten, aber wenn sich der Gesetzgeber zum Moralapostel aufspielt, wird es gefährlich. Das gilt auch für die Behandlung nicht-verheirateter Paare. Sie sind in einigen Kliniken von der Behandlung ausgeschlossen oder bekommen nur einen geringeren Zuschuss. Das ist völlig aus der Zeit gefallen. Natürlich steht der Schutz der Ehe im Grundgesetz, aber das ist nicht gleichbedeutend mit der Diskriminierungspflicht von Unverheirateten! Viele Private Krankenversicherungen regeln das anders: da spielt der Trauschein keine Rolle, sondern nur die Erfolgswahrscheinlichkeit der künstlichen Befruchtung. Das ist meines Erachtens richtig und sollte generell Anwendung finden.

Ein anderer Kritikpunkt ist die Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare. Sie müssen eine Kinderwunschbehandlung selbst finanzieren, da die Krankenkasse die Kosten nicht übernimmt. Einige Kliniken behandeln zwar auch diese Paare, verlangen aber unterschriebene Unterhaltsverpflichtungen. Dass nach der Geburt des Kindes in einer gleichgeschlechtlichen Ehe noch eine komplizierte Adoption nötig ist, ist ein andere Ungerechtigkeit, die derzeit gerichtlich geklärt wird. Übrigens von einem lesbischen Paar, das sich den Kinderwunsch in Dänemark erfüllen lies.

Wenn ich mir das so anschaue, sind das ganz schön viele Menschen, die von einer Kinderwunschbehandlung ausgeschlossen sind, oder denen sie erschwert wird. Dabei schätzt das Bundesfamilienministerium, dass in Deutschland fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos ist. Rein statistisch kennen wir alle zumindest ein Paar, das sich ein Kind wünscht, aber dem der Wunsch nicht erfüllt wird. Das ist eine große Wunde, an der Partnerschaften auch scheitern können. In einer Gesellschaft, in der alles möglich ist, wird ungewollte Kinderlosigkeit zu einem Makel, den vor allem Frauen als sehr belastend empfinden. Diese Not zu sehen, und dann nicht zu helfen, geht gar nicht!

Ich möchte richtig verstanden werden: In der Vergangenheit haben wir gesehen, wie skrupellose Ärzte Frauen in sehr viele Kinderwunschzyklen geschickt haben, einfach, um Geld zu verdienen. Die Begrenzung war richtig. Aber die Ungerechtigkeiten der Finanzierung müssen umgehend beseitigt werden.

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