Rääde · 25.08.2011 Keine Steuersenkungen zu Lasten des Landes und der Kommunen, Steuervereinfachung hat Vorrang vor Steuersenkungen

Die Verankerung der landeseigenen Schuldenbremse in unserer Verfassung liegt gerade einmal etwas mehr als ein Jahr zurück. Die schwierige finanzielle Situation Schleswig-Holsteins zwingt uns zur stufenweisen Rückführung der Neuverschuldung. Diese Entscheidung wurde von fast allen Fraktionen mitgetragen. Und auch wenn wir über den Weg, auf dem die Schuldenbremse umzusetzen ist, wiederholt gestritten haben, sind wir uns grundsätzlich darin einig, dass ohne eine solche Regelung die Handlungsfähigkeit des Landes bedroht ist.

Einig sind wir uns sicher auch darüber, dass dieser Weg heute und in Zukunft alles andere als einfach ist. Doch gerade, weil es so eine anspruchsvolle Aufgabe ist, haben wir unsere Schuldenbremse an eine Reihe von Bedingungen geknüpft. Besonders wichtig ist der verpflichtende Grundsatz des strukturell ausgeglichenen Haushalts gemäß Artikel 53 Absatz 1 der Landesverfassung. Die Landesregierung muss demnach bei ihrer Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung und in Angelegenheiten der Europäischen Union die Schuldenbremse mit beachten. Das heißt konkret, dass sie keinen Beschlüssen zustimmen sollte, die zu Mehrausgaben oder zu Mindereinnahmen des Landes führen. Angesichts der aktuellen Steuersenkungsdebatte, die in einer solchen Belastung münden könnte, unterstützen wir den Antrag der Grünen selbstverständlich ohne Einschränkung.

Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Aus Sicht des SSW wäre die Zustimmung der Landesregierung zu den aktuellen Steuersenkungsplänen eine massive Verletzung des Grundprinzips der Schuldenbremse. Wer vor dem Hintergrund des vereinbarten Abbaupfades vermeintlichen Mindereinnahmen zustimmt, ohne dafür eine entsprechende haushaltswirksame Kompensation auszuhandeln, nimmt in Kauf, dass Schleswig-Holstein langsam an seinen Schulden erstickt und seine politische Gestaltungsmöglichkeiten völlig aufgibt. Dies darf unter keinen Umständen passieren. Die Landesregierung ist in der Pflicht, im Bundesrat gegen derartige Vorhaben zu stimmen, um den damit verbundenen Schaden vom Land abzuwenden. Wir erwarten, dass den Worten des Ministerpräsidenten, nach denen die aktuellen Pläne nicht zu Lasten des Landes gehen dürften, auch Taten folgen.

Manch einer hat vor dem Hintergrund der Wahlumfragen vielleicht Verständnis für diese Steuergeschenke der FDP – ich ganz sicher nicht. Denn Fakt ist, dass der Ruf nach Steuersenkungen zu einem völlig unpassenden Zeitpunkt kommt. Trotz der günstigen konjunkturellen Entwicklung und steigender Steuereinnahmen sind die Haushaltsrisiken des Bundes unverändert hoch. Vor allem die anfallenden Ausgaben im Rahmen der Energiewende und die möglichen Milliardenaufwendungen für weitere EU-Rettungspakete sind enorme Unsicherheitsfaktoren. Der Aufschwung nach der vergangenen schweren Wirtschafts- und Finanzkrise scheint sich zu stabilisieren. Diese Entwicklung ist ohne Zweifel erfreulich. Doch Bund und Länder haben gerade erst einen umfassenden Konsolidierungspfad eingeschlagen, der keine Steuergeschenke erlaubt. Für uns steht fest: Die Konsolidierungsbemühungen haben gerade in der heutigen Aufschwungphase Vorrang vor irgendwelchen Steuergeschenken an wen auch immer.

Aus Sicht des SSW bietet die günstige konjunkturelle Entwicklung durchaus die Chance, endlich Vereinfachungen im Steuerrecht zu erreichen. Hier geben wir Union und FDP Recht. Indem wir zum Beispiel die Ausnahmetatbestände bei der Mehrwertsteuer reduzieren oder aber eine gleichmäßigere Besteuerung von Einkommen einführen, können wir insgesamt zu mehr Gerechtigkeit innerhalb des Steuersystems kommen. An diesen Aufgaben sollte in der heutigen Lage verstärkt gearbeitet werden. Doch grundsätzlich gilt, dass am derzeitigen Niveau der Steuerbelastung festgehalten werden muss, um trotz der schmerzhaften Konsolidierungsbemühungen noch ein Minimum an Gestaltungsspielraum zu erhalten.

Der SSW ist der Auffassung, dass dem Staat eine Verantwortung für die Lebensumstände der Bürger zukommt. Hierzu zählt der Ausgleich sozialer Härten ebenso wie die Investitionen in die wirtschaftsnahe Infrastruktur oder in die Bildung. Hierfür wird auch heute noch Geld benötigt. Andere Länder sind uns immer noch voraus, was die Kinderbetreuung angeht. Wir haben immer noch Defizite beim Ausbau der Ganztagsschulen. Wir stehen immer noch vor großen Problemen bei der Verkehrsinfrastruktur. Wir haben es immer noch nicht geschafft, eine Kultur des Förderns und Forderns bei der Lösung des Arbeitslosenproblems zu etablieren. Wo man hinsieht gibt es riesige Herausforderungen, die ohne Geld nicht zu meistern sind. Und deshalb braucht der Staat seine Steuereinnahmen zum Wohle der Bürger. Und wir als Schleswig-Holsteiner brauchen sie umso mehr, damit wir unsere Schuldenbremse auch einhalten können. Deshalb Steuervereinfachung – Ja, Steuersenkung – Nein!

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