Rääde · 13.10.2006 Landesnaturschutzgesetz und Änderung anderer Vorschriften

Die Änderungen, die für das Landesnaturschutzgesetz durch die schwarz-rote Landesregierung vorgeschlagen werden, treffen nicht uneingeschränkt auf unsere Zustimmung – um es einmal freundlich zu formulieren. Auch wir sind für eine Deregulierung, wenn es um Vorschriften geht. Deshalb begrüßen wir, den Abbau von Planungsebenen und dass man versucht hat, das Gesetz schlank zu fassen und es gleichzeitig lesbar zu halten. Dies ist nicht immer einfach und man kann deshalb auch nicht auf Formulierungen aus dem Bundesnaturschutzgesetz verzichten.

Der Deckmantel der Deregulierung darf aber nicht dazu führen, dass hier bewährte Grundlagen des Naturschutzes ausgehebelt werden und dass wir möglicherweise sogar dazu kommen, dass mehr Unsicherheit in der Anwendung dieser Vorschriften entsteht, als uns lieb sein kann. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen:

Das private Eigentum wird in § 1 als eine besonders wichtige Voraussetzung für die Erreichung von den Naturschutzzielen festgeschrieben. Das heißt, laut Begründung zum Gesetz, dass das Eigentum per se eine Grundlage für guten Naturschutz ist. Das ist natürlich Unsinn, denn Naturschutz ist auf allen Flächen möglich. Und die Besitzverhältnisse einer Fläche, sind in überhaupt keiner Weise eine Grundlage für die Erreichung von Naturschutzzielen. Wichtig ist vielmehr die naturschutzfachliche Wertigkeit der Fläche. Wie wird sie genutzt? Welche Tiere und Pflanzen leben auf einer Fläche? Das sind Fragen, die wirklich wichtig sind. Besitzverhältnisse spielen erst einmal keine Rolle.
Und auch wenn die Landesregierung dieses ins Gesetz hinein diktiert, wird erstens dies nicht richtig und zweitens wird diese Formulierung angreifbar. Denn was wollen Sie wirklich damit erreichen? Sehen wir noch einmal in die Begründung des Gesetzes, dann wird es deutlich: Dort wird nämlich gesagt, dass diese Vorschrift Ermessensspielräume öffnen soll, damit das Privateigentum gebührend gewichtet wird – also so wenig wie möglich durch den Naturschutz angetastet wird. Das ist das wirkliche Ziel. Das was wir im § 1 Absatz 2 finden, ist eine Naturschutz-Verhinderungs-Vorschrift, die es so auch nicht im Bundesnaturschutzgesetz gibt. Und so wie man das Bundesgesetz in seiner Regelungstiefe nicht überschreiten will, so sollte man es aber auch nicht unterschreiten. Auch der SSW sieht die Interessen der Landeigentümer, aber diese Vorschrift ist pauschal gegen den Naturschutz gerichtet und kann so nicht unsere Zustimmung finden.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Vorrang für Vertragsnaturschutz in das Gesetz aufgenommen wurde und dass in Zukunft vorrangig geprüft werden muss, ob vertragliche Regelungen möglich sind, ehe man Naturschutz auf dem rechtlichen Weg absichert. Genau diese Vorschrift ist im Sinne der eben schon genannten Eigentümer und völlig ausreichend, um den Interessen der Privateigentümer genüge zu tun. Wenn man allerdings ein Gesetz so formuliert, dann muss man diese Bestimmung auch mit realem Geld unterfüttern. Das haben wir schon in der letzten Wahlperiode gesagt, als es nur um die verbale Ankündigung von Vertragsnaturschutz ging. Wenn wir das Gesetz mit seiner Bestimmung jetzt Ernst nehmen, dann müssen schnell eine Vielzahl von Vertragsnaturschutzprogrammen aufgestellt werden, damit diese Lösung überhaupt eine Chance hat. Bisher allerdings sehen wir, dass das Gegenteil geschieht. Nichts ist schlimmer, als wenn man den Menschen Hoffnungen auf vertragliche Lösungen macht, diese dann in ein Gesetz als allererste Alternative festschreibt und dann kein Geld hierfür zur Verfügung stellt. Dann wird die Überprüfung der Naturschutzbehörden, ob Vertragsnaturschutz möglich ist, regelmäßig aus Geldmangel zu einem negativen Ergebnis führen. Dann wäre diese Bestimmung nicht das Papier wert auf dem sie steht.

Die Anpassung des § 4 an die bundesgesetzliche Regelung mag begründbar sein, aber wir teilen die Sorge des Landesnaturschutzverbandes und des BUND, dass hier der Naturschutz auf öffentlichen Flächen abgeschwächt wird. Im Vordergrund steht jetzt die Bewirtschaftung der Flächen, die auch Naturschutzziele besonders berücksichtigen soll. Bisher dienten die Flächen dem Naturschutz und besondere Nutzungen mussten sich an den Naturschutzzielen messen lassen. Dadurch wurde ganz deutlich, dass das Land Schleswig-Holstein hier eine Vorbildfunktion einnehmen wollte. Diese Vorbildfunktion der öffentlichen Hand soll nun ersatzlos wegfallen. Nach unserer Auffassung sollten aber zumindest ökologisch wertvolle Flächen immer noch vorrangig Naturschutzzielen dienen und nicht Nutzungsüberlegungen hier die wichtigste Rolle spielen. Wir werden uns in den Ausschussberatungen für diesen Kompromiss stark machen, weil wir glauben, dass wir auch so dazu beitragen können, dass hier eine Rechtsunsicherheit abgebaut werden kann. Denn was ist eine „besondere Berücksichtigung“ von Naturschutzzielen bei der Bewirtschaftung von Flächen. Diesen Definitionsstreit können wir aus dem Wege gehen, wenn wir vorab festlegen, dass es auch Flächen gibt, die vordringlich dem Naturschutz und nicht der Nutzung dienen. Dann ist die Sachlage klar. Dann kann man den Naturschutz nicht so einfach umgehen.

Bei der Aufzählung der Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege war ich überrascht, dass man sich tatsächlich nur an die Vorschriften des § 2 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes gehalten hat und diese abgeschrieben hat. Dies, obwohl im Bundesgesetz ausdrücklich eine Ermächtigung für die Länder enthalten ist, weitere Grundsätze aufnehmen zu können. Wir teilen durchaus die Auffassung, dass insgesamt 15 verschiedene Grundsätze genug sein können. Daher will ich mich auch hier zurückhalten und keine Vielzahl von weiteren Forderungen aufstellen. Wir können sicherlich in der Ausschussanhörung klären, ob der eine oder andere Grundsatz noch fehlt. Allerdings unterscheidet sich das Land Schleswig-Holstein von den meisten anderen Bundesländern in einem gravierenden Fall und deshalb ist es notwendig, dass in diesem Fall auch die Grundsätze, die für den Naturschutz und die Landschaftspflege gelten, angepasst werden. Ich spreche vom Küstenschutz. Der Küstenschutz ist Voraussetzung dafür, dass sich Naturschutz binnendeichs überhaupt entwickeln kann. Und natürlich sind die Küstenschutzbauwerke – sprich Deiche und Warften – über Jahrhunderte zu prägenden historischen Landschaftsbestandteilen geworden, was sie auch zu einem Element der Landschaftspflege macht. Und schließlich zeigt zum Beispiel das Vorlandmanagementkonzept an der Westküste, dass Küstenschutzmaßnahmen auch sehr stark zu einer Verbesserung des Naturhaushaltes beitragen können. All das ist für uns ein Zeichen dafür, dass der Bereich Küstenschutz, als besonderes Schleswig-Holsteinisches Spezifikum, in die Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgenommen werden muss. Auch hierfür werden wir in den Beratungen im Ausschuss einen Vorschlag machen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf den § 25 aufmerksam machen. Dort wird mit Recht darauf verwiesen, dass notwendige Vorlandarbeiten und die Beweidung von Deichvorländereien nicht als Beeinträchtigung von geschützten Biotopen angesehen werden und damit auch nicht verboten sind. Allerdings bezieht sich diese Regelung ausdrücklich nur auf Gebiete, die außerhalb des Nationalparks liegen. Damit sind in Dithmarschen Vorlandarbeiten und die Beweidung des Vorlandes keine Beeinträchtigung und damit zugelassen und in Nordfriesland sind die gleichen Maßnahmen verboten, weil diese Flächen innerhalb des Nationalparks liegen. Ein und derselbe Tatbestand wird hier unterschiedlich behandelt, ohne dass es hierfür eine inhaltliche Begründung gäbe. Deshalb müssen die notwendigen Vorlandarbeiten und die Beweidung von Deichvorländereien auch in Nordfriesland wieder uneingeschränkt möglich gemacht werden.

Kommen wir nun zu den Eingriffen in Natur und Landschaft. Wir bedauern es, dass die bisherige Positivliste, in der Eingriffstatbestände definiert wurden, abgeschafft werden soll. Gerade diese Liste hatte zu einer gesteigerten Rechtssicherheit geführt. Zumindest bei diesen Eingriffen konnte man sich sicher sein, dass diese nicht erlaubt sein würden. Jetzt haben wir stattdessen eine Formulierung, in der ausschließlich auf die „erhebliche Beeinträchtigung“ des Naturhaushaltes abgehoben werden soll. Hier ist natürlich ein großer Definitionsspielraum vorhanden, der zu Unsicherheiten führen wird. Nicht leichter wird es dadurch, dass auch ungenehmigte Eingriffe in den Naturhaushalt nach § 14 in Zukunft nicht mehr zwingend eingestellt und kompensiert werden sollen, sondern hierfür nur noch eine „Kann“-Bestimmung vorgesehen ist. Das führt zwar zu mehr Handlungsspielraum in der Verwaltung, aber eben auch wieder zu möglicher Ungleichbehandlung und mehr Rechtsunsicherheit. Ich sage Ihnen jetzt schon voraus, dass diese Lockerung der Regelungen zu Mehraufwand in der Verwaltung und damit zu Mehrkosten führen wird. Die klare Linie des bisherigen Gesetzes, hat auch Kosten in der Verwaltung eingespart. Durch die Positivliste und die zwingende Wiedergutmachung von ungenehmigten Eingriffen war die Rechtslage klar und damit auch leicht zu administrieren. Das was wir jetzt bekommen, ist gut gemeint, aber eben nicht gut gemacht.

Ich gehe davon aus, dass wir noch eine sehr eingehende Diskussion im Ausschuss über die einzelnen Möglichkeiten in Bezug auf einen Schutzstatus und auch über die Regelungen zu Natura 2000 bekommen werden. Deshalb möchte ich dieser intensiven Diskussion nicht vorgreifen und lieber noch ein Thema ansprechen, dass schon fast wieder in Vergessenheit geraten war. Wir als SSW sind immer noch davon überzeugt, dass die bisherigen Landesnaturschutzbeauftragten eine hervorragende Arbeit geleistet haben. Sie konnten diese hervorragende Arbeit leisten, weil sie unabhängig gegenüber dem Ministerium und anderen auftreten konnten. Auch ein Umweltminister muss Konflikte aushalten können und daher muss der Landesnaturschutzbeauftragte weiterhin ein unabhängiger Beauftragter bleiben.

Ähnliches gilt im Übrigen auch für die Kreisebene. Auch hier soll die untere Naturschutzbehörde, also der Kreis, seinen Beauftragten bestellen und seinen Naturschutzbeirat berufen. Das heißt, auch hier fände keine Wahl durch den Kreistag statt und es würde sich eine zu starke Nähe zur Verwaltung ergeben. Nicht, dass ich falsch verstanden werde. Ich misstraue nicht der Verwaltung und dem Ministerium. Für mich ist es eine Frage der Demokratie. Meine gewählten Vertreter auf Landes- und Kreisebene sollen entscheiden, wer diese Ämter wahrnimmt und nicht eine Verwaltung. Und die Wahrnehmung des jeweiligen Amtes soll so unabhängig erfolgen, wie nur irgendwie möglich. Und das geht nur wenn die Vertreter gewählt und nicht von Verwaltungschefs bestimmt werden.

Wir haben in der Vergangenheit sehr viel im Umwelt- und Naturschutz erreicht. Und diesen Weg will der SSW weiter gehen. Auch wir stehen für eine Einbeziehung der Interessen der Menschen vor Ort und für eine Berücksichtigung der Bereiche, die von den Auswirkungen des Naturschutzes mit betroffen sind. Aber trotzdem ist es auch in Zukunft wichtig, dass wir unsere Lebensgrundlagen schützen und dass wir als ein westlicher Industriestaat mit gutem Beispiel im Umwelt- und Naturschutz voran gehen. Hier hat auch das Land Schleswig-Holstein eine große Verpflichtung, für dessen Erfüllung das Landesnaturschutzgesetz die Grundlage ist. An diesem Anspruch werden wir das zukünftige Gesetz messen.

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