Rääde · 22.02.2006 Landwirtschaftliche Sozialversicherung

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft zieht sich wie ein roter Faden durch die EU-Agrarreformen der letzten Jahrzehnte. Und wir wissen bereits heute, dass wir das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht haben. Die Betriebe in Norddeutschland und speziell in Schleswig-Holstein stehen im Verhältnis zu ihren Kollegen im Süden glücklicherweise gut dar.
Gerade der Strukturwandel bereitet der Landwirtschaft und damit auch dem agrarsozialen Sicherungssystem erhebliches Kopfzerbrechen, wenn es um die künftige Ausgestaltung des sozialen Sicherungssystems geht.

Jedes Jahr verliert die landwirtschaftliche Sozialversicherung in Schleswig-Holstein rund 3% der Betriebe und somit auch Pflichtversicherte, die in die Versicherung einzahlen. Dass sich dieses System irgendwann nicht mehr selber trägt, wissen wir bereits seit Jahren. Im Übrigen ist dies auch eine Folge der Liberalisierung in der Krankenversicherung. Da ist es schon ein bisschen komisch, dass gerade die FDP nun die Auswirkungen dieser neu gewonnenen Freiheit in einem ausgewählten Sektor wieder zurückdrehen will.
Die landwirtschaftliche Sozialversicherung ist aufgeteilt in vier Sparten: Alterssicherung der Landwirte, landwirtschaftliche Krankenversicherung, landwirtschaftliche Pflegeversicherung und landwirtschaftliche Unfallversicherung.
Für Schleswig-Holstein bedeutet dies;
- der Bund übernimmt eine Defizithaftung bei der Alterssicherung mit rund 70% der Ausgaben,
- die landwirtschaftliche Unfallversicherung wird derzeit mit 30% Bundesmitteln bezuschusst,
- die landwirtschaftliche Krankenversicherung wird weitaus überwiegend aus Bundesmitteln finanziert
- und die Pflegeversicherung wird über einen bundesweiten Ausgleichsfonds finanziert.
Diese Zahlen machen deutlich, dass der Bund an der Aufrechterhaltung dieses Systems einen erheblichen Anteil hat.

Da wir wissen, dass auch der Bund immer wieder auf der Suche ist, wo er Geld einsparen kann, hat er immer wieder Anläufe unternommen, das System der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zu reformieren. Diese Schritte wurden stets von den landwirtschaftlichen Sozialversicherungen begleitet. So hat es beispielsweise in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Zahl der Träger von 20 auf nunmehr 8 reduziert wurde, um eben auch Verwaltungsaufwendungen zu reduzieren.

Wichtig bei den Reformüberlegungen war aus schleswig-holsteinischer Sicht immer, dass man keine bundesweite Versicherung haben wollte und künftig auch nicht will. Wie ich meine auch aus gutem Grund, denn damit würden die Landwirte in Schleswig-Holstein zu Nettozahlern werden. Die gravierenden regionalen Strukturunterschiede der landwirtschaftlichen Betriebe würden sich negativ auf die schleswig-holsteinischen Betriebe auswirken. Dies kann so nicht gewollt sein. Deshalb ist eine Beibehaltung des Systems, das bloß auf eine bundesweite Basis gestellt wird, nicht im Interesse Schleswig-Holsteins und seiner Landwirte.

Da wir aber um weitere Veränderungen nicht umhin kommen, sollten die Träger der landwirtschaftlichen Sozialversicherungen sowie die Bauernverbände aus Schleswig-Holstein/Hamburg, aus Niedersachsen-Bremen und Nordrhein-Westfalen ausloten, inwieweit eine weitere engere Zusammenarbeit aus ihrer Sicht möglich wäre und inwieweit sie notwendige Reformen der Sozialversicherungen tragen können. Und vor allen Dingen, wie der Übergang hin zur Verzahnung mit den allgemeinen Sozialversicherungssystemen gemeinsam im Norden vollzogen werden kann. Letztendlich müssen wir nämlich erkennen, dass weitgreifende Reformen in den landwirtschaftlichen Sozialversicherungen schon längst überfällig waren.

Inwieweit sich die landwirtschaftlichen Sozialversicherungen in nächster Zukunft am Markt orientieren können, hängt einzig und allein davon ab, was der Bund künftig zu zahlen gewillt ist. Daher sollten wir uns hier auch nichts vormachen: Der Bund wird irgendwann in nächster Zukunft nach und nach aussteigen und fordern, dass sich die Landwirte ähnlich versichern, wie alle anderen Bürger auch. Langfristig kommen wir also nicht umhin, das landwirtschaftliche System ins allgemeine Sozialversicherungssystem zu übertragen. Daher ist die „schrittweise Verzahnung mit den allgemeinen sozialen Sicherungssystemen“ der einzig richtige Weg und unsere Landwirte und ihre Sozialversicherung sollten diesen Weg vorher selbständig abstecken, anstatt darauf zu warten, dass etwas mit ihnen geschieht. Hier sollten wir unseren Landwirten unsere Unterstützung zusagen. Das herumdoktern an den alten Strukturen, halten wir aber nicht lange durch.

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