Rääde · 12.12.2003 Nachtragshaushalt 2003

PRESSEINFORMATION
Ich möchte vorweg noch mal ein paar Worte zum Verfahren bei dieser Haushaltsdebatte sagen. Auch wenn der Nachtragshaushalt 2003 jetzt richtigerweise vor der Beratung des Doppelhaushalts 2004/2005 diskutiert wird, sehe ich aus parlamentarischer Sicht immer noch die Vorgehensweise kritisch. Aber natürlich hat der Finanzminister nicht Unrecht, wenn er sagt, dass die Folgen der Beschlüsse auf Bundesebene möglicherweise auch bis Januar in ihrer Wirkung auf den Landeshaushalt nicht endgültig abschätzbar sind. Dazu kommt, dass wir eigentlich in jedem Jahr nach unseren Haushaltsbeschlüssen noch mit Entscheidungen aus Berlin rechnen müssen, die die finanziellen Rahmenbedingungen des Landes verändern.

Dennoch bin ich der Überzeugung, dass wir im Januar eine bessere Grundlage für unsere Haushalts-entscheidung gehabt hätten. Daher hätte sich auch der SSW eine Verabschiedung des Landeshaushaltes erst im Januar gewünscht, aber die Mehrheit dieses Hauses hat anders entschieden, und das haben wir zu respektieren.

Doch nun zum Nachtragshaushalt. Seit der November-Steuerschätzung war klar: Zum sechsten Mal in Folge mussten die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden schon bei der halbjährigen Steuerschätzung Steuerausfälle in Milliarden-Höhe verkraften. Dieses Mal beliefen sich die Steuerausfälle für 2003 und 2004 insgesamt auf über 19 Milliarden €. Dies bedeutete für das Land in 2003 Steuerausfälle in Höhe von über 280 Millionen Euro.
Dazu kommen weitere Einnahmeausfälle wegen der Verschiebung des LEG-Verkaufs und der Ver-äußerung von Nordwest-Lotto. Zusätzliche Mehrausgaben, die teils – wie beim Wohngeld und bei der Sozialhilfe - durch die schlechte Konjunktur entstanden und teils politisch gewollt sind – wie die Personalausgaben für Lehrer, Polizei, Justiz im Bereich der KITA´s politisch beschlossen ist auch, dass mehr Geld für die Werftenhilfe zur Verfügung gestellt werden soll.

Insgesamt beläuft sich der Fehlbetrag beim Nachtragshaushalt 2003 dadurch auf über 600 Millionen Euro. Bereits im laufenden Haushalt 2003 war der Kreditrahmen von ca. 600 Millionen Euro voll ausgeschöpft, und deshalb schlägt die Landesregierung einen Ausgleich der Haushaltsbelastungen durch weitere Kredite vor. Den Fehlbetrag innerhalb des Doppelhaushalts 2004/2005 zu erwirtschaften sieht die Landesregierung ebenfalls als problematisch an. Der SSW unterstützt diese Maßnahmen schweren Herzens, da wir keine andere Möglichkeit sehen, den genannten Unterschuss zu erwirtschaften.

Denn wie sollen wir in dieser konjunkturellen Krise noch die notwendigen Millionensummen im Haushalt einsparen können? Das ist nicht möglich, auch wenn von CDU und FDP immer wieder so getan wird, als ginge es. Bereits der Haushalt 2003 war ja ein Sparhaushalt, der in vielen Bereichen zu Kürzungen bei Zuwendungsempfängern, Personalausgaben sowie Investitionen geführt hat. Dazu ist es offensichtlich, dass Kürzungen in dieser Größenordnung nur durch massive Entlassungen innerhalb des Landesdienstes möglich wären, da die allermeisten Ausgaben rechtlich gebunden sind. Die Landesregierung nennt eine Zahl von 12.000 Entlassungen, um die genannte Summe einsparen zu können. Jeder mit einem vernünftigen Menschenverstand wird einsehen, dass dies also keine Alternative ist.

Die Voraussetzung für weitere Kreditaufnahmen ist laut Landesverfassung, dass der Landtag erneut eine Störung des gesamtwirtschafltichen Gleichgewichts erklärt. In diesem Zusammenhang können wir es drehen oder wenden, wie wir wollen. Wir kommen an der Feststellung nicht herum: Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht in der Bundesrepublik Deutschland ist schwer gestört und dies gilt auch für das Land Schleswig-Holstein. Egal, wo man ist, Politiker aller Parteien stellen unisono fest, dass sich unser Land in der schwersten finanziellen Krise seit Bestehen der Bundesrepublik befindet. Die Arbeitslosigkeit steigt, die sozialen Sicherungssysteme kommen ins Wanken und auch die öffentlichen Haushalte geraten in erhebliche Schwierigkeiten.

Wir können immer wieder darüber philosophieren, ob die eine oder andere Entscheidung in den letzten Jahren auf Bundes- oder Länderebene das Problem verschärft hat oder nicht. Eindeutig können wir allerdings sagen, dass uns die sinkenden Steuereinnahmen und die immer größer werdenden Probleme bei der Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme zu gravierenden Systemänderungen zwingen werden. Unser Landeshaushalt, wie auch die Haushalte in anderen Ländern, kann durch eigenes finanzpolitisches Handeln nicht mehr auf verfassungsmäßig vorgeschriebene Beine gestellt werden. Wir sind an dem Punkt angekommen, an dem wir alles daran setzen müssen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

Diese Notwendigkeit sehen alle verantwortlichen Parteien. Kernpunkt aller Überlegungen ist dabei, wie man quasi antizyklisch durch Investitionen die Wirtschaft in Schleswig-Holstein beleben kann. Auch die CDU will beispielsweise Investitionsprogramme starten, weil sie weiß, dass dies in der jetzigen Situation unbedingt notwendig ist. Ziel muss es sein, die Wirtschaft zu beleben und Arbeitsplätze zu schaffen. Dieses Ziel können wir aber nicht erreichen, indem wir uns kaputt sparen. Sparen allein belebt nicht die Wirtschaft, sondern führt sogar eher noch weiter in die Krise. Natürlich muss das Land auf eine sparsame Haushaltsführung achten, da gibt es auch Konsens. Aber das bedeutet eben nicht, dass sämtliche Maßnahmen zur Wirtschaftsbelebung unterlassen werden müssen - man kann auch in Schönheit sterben.

Jede Ausgabe, die getätigt wird, fließt in irgendeiner Weise in den wirtschaftlichen Kreislauf, egal ob das Geld für direkte Wirtschaftsförderung, für Personalausgaben, soziale Aufgaben oder für Umweltschutz ausgegeben wird. Der Haushalt des Landes ist daher als Ganzes zu sehen. Und das Land Schleswig-Holstein hat in diesem Zusammenhang nur sehr eingeschränkte gesetzgeberische Möglichkeiten, um auf die genannten Missstände reagieren zu können. Deshalb müssen wir vor allem wirtschaftspolitisch reagieren und als Land investieren - und auch konsumtive Ausgaben aufrecht erhalten. Nur so leisten wir unseren Beitrag, um das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wieder herzustellen. Und das muss Ziel der Landespolitik sein.

Nun haben die Berliner Verfassungsrichter in ihrem Urteil zum Berliner Haushalt erklärt, dass man detailliert darlegen muss, wie die Erhöhung der Kredite und die damit verbundenen Maßnahmen zur Abwendung einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts beitragen können. Vom Prinzip her ist es natürlich richtig, dass dem Landesgesetzgeber enge Grenzen gesetz werden, wenn er die von der Verfassung vorgesehenen Kreditaufnahmemöglichkeiten des Landes ausweiten will.

Da die CDU bereits angekündigt hat, dass sie vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Nachtragshaushalt 2003 Klage einreichen wird, hat die Landesregierung schon in ihrer Begründung großen Wert darauf gelegt, ihr Konzept zur Abwendung der Störung des gesamtwirtschaflichen Gleichgewichtes zu erklären. Aus diesem Konzept wird deutlich, dass der Nachtragshaushalt 2003 nicht allein stehen kann, wenn man beurteilen will, wie die Landesregierung die Wachstumsschwäche überwinden will.

Man muss also schon das Gesamtkonzept der Landesregierung sehen, das die Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung in Schleswig-Holstein voranbringen soll. Dazu gehören Maßnahmen, insbesondere zur Stärkung der Binnennachfrage, wie die Unterstützung der Reformen auf Bundesebene, zum Beispiel das Vorziehen der Steuerreform, oder das Landesinvestitionsprogramm ZIP-2004, das die Landesregierung im Rahmen des Doppelhaushalts 2004/2005 auflegen wird.

Auf jeden Fall würden weitere Ausgabenkürzungen in der angesprochenen Größenordnung dieses Konzept kontrahieren. Der SSW wird also dem Nachtragshaushalt 2003 zustimmen. Ich kann versichern, dass wir jede Landesregierung jedweder politischen Farbe in einer solchen schweren Haushaltskrise politisch unterstützen würden. Es geht schließlich um das Land und nicht um die Interessen von Parteien.

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