Rääde · 25.02.2011 Netzneutralität in Europa sichern

In der Debatte um den Ausbau des Breitbandnetzes in Schleswig-Holstein wurde deutlich, dass es hinsichtlich der Netz-Situation hier im Land noch viel zu tun gibt. Aber auch, wenn derzeit noch nicht alle Möglichkeiten des Internets ausgeschöpft werden können - zum Beispiel aufgrund fehlender Bandbreiten - sind wir nicht in der Situation, dass wir Probleme einfach der Reihe nach abarbeiten können.
Die technische Entwicklung des Internets ist in den letzten Jahren bekanntlich enorm vorangeschritten, und die Nutzungsmöglichkeiten sind eminent. Damit verbunden ist die Möglichkeit, auch sehr viel Geld zu verdienen. - Soll heißen: Dass wirtschaftliche Interessen den freien und ungehinderten Zugang zum Internet konterkarieren, wenn nicht schon jetzt gesagt wird: Vorsicht an der Bahnsteigkante. Denn fest steht: Das Internet entwickelt sich zu einem Markt für datenintensive Anwendungen wie Internet- Fernsehen oder Onlinespiele, die einen flüssigen Datenverkehr benötigen. Die Netzkapazitäten sind derzeit aber nicht ausgelegt, diese Datenmengen zu transportieren. Damit führt die steigende Flut der Datenmengen unmittelbar zu Staus im Netz. Aus diesem Grund stehen wir vor der politischen Entscheidung, ob es bestimmte Vorfahrtregeln für Daten geben soll und ob dies zu Lasten des neutralen Datenflusses gehen darf. Nach dem Motto: Wer für den Datentransport mehr bezahlt, darf auch auf die Überholspur. Eine Forderung dieser Art steht aber der fundamentalen Freiheit der digitalen Umwelt gegenüber. Bisher war die Netzneutralität ein Garant für einen freien und ungehinderten Zugang zum Internet, der auch für einen diskriminierungsfreien Datenfluss gesorgt hat. Wie wichtig der freie Zugang zu Informationen ist und wie wichtig dies für eine gelebte Demokratie ist, wird derzeit an den Ereignissen im Nahen Osten und Nordafrika deutlich.
Die Netzneutralität gerät also leicht in Gefahr, unter die Räder wirtschaftlicher Interessen zu kommen. Aus Sicht des SSW darf es keine Bevorzugung bestimmter Dienste geben, die eine Diskriminierung anderer Dienste bedeutet. Der neutrale Zugang zum Netz und der neutrale Transport von Daten müssen sicherstellen, dass Dienstleistungen und Anwendungen nicht eingeschränkt werden. Der diskriminierungsfreie Zugang zu Informationen muss also weiter gewährleistet bleiben. Er ist ein Teil der demokratischen Vielfalt im weltweiten Netz.
Die moderne Informationsgesellschaft lebt vom freien Zugang zu Informationen und vom diskriminierungsfreien Austausch. Wenn wir die Netzneutralität wirtschaftlichen Interessen opfern, besteht die Gefahr einer elektronischen Zwei-Klassengesellschaft. Das wollen wir nicht.
Das Thema „ Netzneutralität“ ist seit längerem auch ein Thema der Europäischen Union. Im Rahmen der Digitalen Agenda des Projektes „Europa 2020“ führte das Europäische Parlament eine Anhörung durch, deren Schlussfolgerungen sich in dem Antrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke widerspiegeln. Auf der Kommissionsebene ist nunmehr der Konsultationsprozess begonnen – die Bundesregierung soll auch schon eine Stellungnahme abgegeben haben. Grundsätzlich spricht sich die zuständige Kommissarin Neelie Kroes für den Erhalt der Netzneutralität aus, gleichwohl ist sie auch dem Druck aus der Wirtschaft ausgesetzt. Nachzulesen ist jedenfalls, dass sie nun im Rahmen der „digitalen Agenda“ einen Kompromiss vorschlägt, der zusammengefasst lautet, dass Verbraucher über Eingriffe in den Netzverkehr informiert werden müssen.
Dass das Thema „Netzneutralität“ auch für den Deutschen Bundestag ein Thema mit hoher Priorität ist, sagt sich von selbst. Aus dem Umfeld des Chaos Computer Clubs ist aber zu hören, dass die bisherigen Beratungen und Diskussionen eher enttäuschend verlaufen sind. Die Konklusion lautet: Die Diskussion über die Risiken, die mit einer Aufhebung der Netzneutralität einhergehen, haben den Berliner Gesetzgeber noch nicht erreicht. Für den SSW steht somit fest, dass wir unsere schleswig-holsteinischen Interessen besser wahrnehmen, indem wir zweigleisig fahren und nicht erst die Ergebnisse der Enquete des Bundestages abwarten. Wünschenswert wäre aber aus unserer Sicht, wenn wir im Europa-Ausschuss die Gelegenheit hätten, uns noch einmal sowohl mit einem Sachstandsbericht der Enquete-Kommission als auch mit der Agenda auf EU-Ebene zu befassen.

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