Rääde · 12.05.2023 Polizeieinsätze sind durch die Allgemeinheit zu tragen

„Demonstrationen kosten Geld, aber das muss eine Demokratie aushalten. Auch wenn man politisch anderer Meinung ist.“

Lars Harms zu TOP 37 - Zahlungspflicht bei Polizeieinsätzen (Drs. 20/595)

Den meisten Menschen ist bewusst, vor was für einem riesigen Problem wir mit dem Klimawandel stehen. Psychologinnen und Psychologen sprechen manchmal davon, es grenze fast schon an eine Glanzleistung der kognitiven Dissonanz, dass wir dieses uns drohende Schicksal immer wieder schaffen zu verdrängen. Aktionen wie die der sogenannten Letzten Generation wollen uns damit konfrontieren. 

Ich habe da schon auch Verständnis für das Ziel der Proteste. Es geht um die Einhaltung von Klima-Abkommen. Die Forderungen sind dabei nicht sonderlich neu: Tempolimit, 9-Euro-Ticket, Gesellschaftsräte, ein früherer Ausstieg aus der Nutzung fossiler Rohstoffe. Es geht darum, bestimmte Emissionswerte nicht kippen zu lassen und Umweltschutz und Klimamaßnahmen ernsthaft umzusetzen. Es geht darum, unseren nachfolgenden Generationen noch einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen. 
Es ist daher schade, dass wir nicht stattdessen darüber sprechen, worum es eigentlich gehen sollte; nämlich wie wir möglichst effektiv im Klimaschutz vorankommen.

Aber auch ich bin manchmal genervt. Das Ziel der sogenannten „Letzten Generation“ ist es ja eigentlich, eine Art von Kipppunkt herbeizurufen, um die Gesellschaft flächendeckend von Klimaschutzmaßnahmen zu überzeugen. Ich habe allerdings große Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Protestform. Sie will stören und sie tut es auch. Zumindest mein Eindruck ist es eher, dass die Aktivistinnen und Aktivistinnen die Allgemeinheit gegen sich aufbringen und nicht etwa für Klimamaßnahmen begeistern. Und das ist das, was eigentlich nervt!

Aber ich möchte mich erst einmal allgemeingültig zu diesem Antrag äußern: Das Demonstrationsrecht steht jeder und jedem zu, formalrechtlich sogar ohne Anmeldung. Jeder Mensch in Deutschland darf demonstrieren. Und die Polizei handelt dann, wie sie zu handeln hat. Sie schützt oder sie greift ein. Und Demonstrationen kosten dann auch Geld, aber das muss eine Demokratie aushalten. Auch wenn man politisch anderer Meinung ist. 

Für die Polizeieinsätze an sich darf es keine Kosten für Individuen geben. So wenig, wie einem das manchmal passt. Ob es von rechts kommt oder von links, ob es Aktionen im Sinne des Umweltschutzes sind oder sogar Fußballkontexte, die sind übrigens auch sehr teuer. Polizeieinsätze sind durch die Allgemeinheit zu tragen. 

Es ist auch jetzt schon so, dass es Sanktionsmöglichkeiten gibt, etwa wenn Menschen zu Schaden kommen. Oder auch wenn Gegenstände kaputt gehen, kann man die Leute entsprechend belangen. Das Auflösen der Blockaden selbst gestaltet sich ja oftmals so, dass Speiseöl auf die Hände der Aktivistinnen und Aktivisten gestrichen wird. Dieses Öl löst den Kleber auf, sie werden von der Straße getragen und gegebenenfalls in Gewahrsam genommen. Der materielle Schaden, ist für uns als Staat dann auch eher gering. Spannend wird es, ob Unternehmen und Private ihre Einschränkungen und möglicherweise finanziellen Verluste den Demonstranten in Rechnung stellen können. Das müssen aber die Gerichte entscheiden, sollte es zu solchen Forderungen kommen.

Aktuell gilt in Schleswig-Holstein, dass „ein Gebührentatbestand für die getroffenen polizeilichen Maßnahmen allgemein nicht vorgesehen ist für den unmittelbaren Zwang gegen Personen.“ So das Landespolizeiamt. Eine Gebührenerhebung kommt dann in Frage, wenn die Maßnahme im Einzelfall als Gewahrsamnahme eingestuft wird. Das ist also davon abhängig, wie sich die jeweilige Person verhält, gegebenenfalls auch welche Vorgeschichte sie hat. Eine Gewahrsamnahme muss immer verhältnismäßig sein. Die „Letzte Generation“ hat in Schleswig-Holstein bisher sechs Mal geklebt. Soweit ich weiß, wurde bei keiner der Aktionen bisher eine Kostenmitteilung für den Polizeieinsatz durch die Polizei selbst erstellt. Von daher ist mein Eindruck nicht, dass sich hier etwas ändern müsste. 

Und, so viel steht ja auch fest, ganz so ohne Folgen läuft das für die Aktivistinnen und Aktivisten auch jetzt schon nicht ab. Aktuell wird bei uns wegen Nötigung gegen 11 Personen der „Letzten Generation“ ermittelt; in Kiel, Lübeck und Flensburg. In anderen Bundesländern werden da teilweise mehrere hundert Euro und sogar kurze Inhaftierungen fällig. Werden diese Menschen verurteilt, finden also auch Sanktionen statt. Wie in einem Rechtsstaat auch üblich.
Aus Sicht des SSW haben wir in Schleswig-Holstein daher keinen Änderungsbedarf. Wir werden den FDP-Antrag entsprechend ablehnen. 

 

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