Rääde · 29.06.2006 Potenzial des Jagel Airport

Nachdem die Landesregierung nach langem hin und her, schlussendlich und glücklicherweise dem Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau eine Abfuhr erteilt hat, keimt im Norden des Landes immer mehr die Hoffnung auf, den Militärflugplatz in Jagel auch zivil mitzunutzen. Angesichts der durchaus guten infrastrukturellen Lage – mit der direkten Autobahnanbindung, der Bundesstrasse und der Bahnlinie in unmittelbarer Nähe – ist nachvollziehbar, dass eine zivile Mitnutzung des Militärflugplatzes in Jagel durchaus attraktiv erscheint.

Ebenso scheint es für die strukturschwache Region Schleswig / Jagel wirtschaftlich reizvoll, wenn es dort zu einer zivilen Mitnutzung des Flugplatzes käme. Schließlich verspricht die Betreibergesellschaft Investitionen in Millionenhöhe und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Angesichts der Tatsache, dass die Airgate SH immer damit wirbt, dass dies alles mit privaten Mitteln geschaffen werden soll - zumal auch die Zusage zweier Investoren über insgesamt 51 Mio. € besteht - sind dies natürlich vielversprechende Argumente.

Nun ist die Planung für das Projekt Jagel Airport nahezu abgeschlossen. Hierzu gehörte unter anderem, dass die Airgate SH einen Vorvertrag mit der Bundeswehr über die Mitnutzung erfolgreich abgeschlossen hat und die umliegenden Gemeinden für das Projekt gewonnen hat. Die Airgate SH hat hier durchaus erfolgreich für ihr Projekt geworben.

Die im Januar von der Airgate SH in Auftrag gegebene Potentialanalyse sollte ausloten, inwiefern der Jagel als Flugplatz für Charter- und Linienverkehr von der Bevölkerung angenommen würde. Dies galt für die Airgate SH dann auch als KO-Kriterium sofern die Analyse negativ ausfiele. Damit wären dann alle Bestrebungen hinfällig und man würde das Projekt nicht weiter fortführen.
Hierbei wurde eine repräsentative Umfrage unter den 1,2 Mio. Einwohnern sowie den Unternehmen, die eine Autostunde vom Flugplatz entfernt wohnen, durchgeführt. Das Ergebnis der Umfrage hat ergeben, dass die Bürger den Flughafen annehmen würden, sofern das Angebot stimmt. Mit einem anderen Ergebnis war wohl kaum zu rechnen gewesen.

Wenn ich eine Autostunde von Jagel gen Süden fahre, dann bin ich fast in Hamburg. Warum in aller Welt sollte ich dann nach Jagel fahren, um von dort in den Urlaub zu fliegen, wenn der moderne Hamburger Flughafen zum Greifen nahe ist. Im Übrigen gilt dies auch für das Potential aus dem Raum Kiel. Auch hier wird man sich aufgrund der guten Anbindung nach Hamburg für den Hamburger Airport entscheiden. Gleiches gilt für potentielle Kunden, die aus dem nördlichen Bereich – sprich Dänemark – kommen. Auch dort ist eher davon auszugehen, dass man sich Richtung Billund oder Sønderborg orientiert.

Daher halte ich das Einzugsgebiet mit 1,8 Mio. Menschen – nahezu 60 % der Bevölkerung ganz Schleswig-Holsteins - das für die Potentialanalyse zu Grunde gelegt wurde für überdimensioniert. Somit sind die weiteren Zahlen nicht nachvollziehbar, die auf der Grundlage dieser Potentialanalyse erhoben wurden. Wenn also davon ausgegangen wird, dass die Zahl von 800.000 Fluggästen in wenigen Jahren erreicht werden könnte und somit schwarze Zahlen geschrieben werden könnten, dann sehe ich diesem gesteckten Ziel äußerst kritisch entgegen. Wo sollen alle diese Fluggäste herkommen? Es bleibt also zu befürchten, dass der Unterschuss dann von der öffentlichen Hand getragen wird. Dies kann nicht im Sinne der Airgate SH sein und ist auch nicht in unserem Sinne.

Der ausschließliche Nutzen der zivilen Mitnutzung des Flugplatzes Jagel ist ebenfalls fraglich. Schließlich hat ein Flughafen nicht nur positive Effekte für eine Region, er ist auch Lärmverursacher. Dieser Lärm beschränkt sich dann nicht nur auf die nähere Umgebung des Flughafengeländes, sondern er zieht sich entlang der Flugschneisen. Hiervon wäre dann unter anderem die Stadt Schleswig betroffen, die derzeit auf dem ehemaligen Kasernengelände in der Stadt ein Tourismus- und Wellnesszentrum plant. Die Bestrebungen der zivilen Mitnutzung des Flugplatzes würden somit diese Ziele konterkarieren. Daher ist es bedauerlich, dass die Stadt Schleswig nicht befragt wurde, nur weil sie nicht geografisch an den Flugplatz angrenzt. Dies halte ich für einen Planungsfehler.

Es liegt eine Untersuchung der Deutschen Bank Research vom November letzen Jahres vor, die den steigenden Trend zum Ausbau von Regionalflughäfen in Deutschland untersucht hat. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist; den Regionalflughäfen fehlt die kritische Größe zum Erfolg, sie verschlingen Subventionen, Deutschland braucht Flughafenpolitik aus einem Guss und es werden Überkapazitäten bei den Flughäfen geschaffen.
Der Hamburger Airport hat im letzten Jahr über 10 Mio. Fluggäste gehabt und er hat Kapazitäten für weitere 5 Mio. Fluggäste. Dies ist eine Größenordnung an der wir in Schleswig-Holstein nicht herum kommen.

Anstatt also eine „Drehscheibe für das nördliche Europa“ in Jagel aus dem Boden zu stampfen, sollten wir erkennen, dass die Schleswig-Holsteinischen Flughäfen Lübeck und Hamburg sind. Zumindest muss daher ausgeschlossen sein, dass öffentliche Gelder für das Projekt der Airgate SH ausgegeben werden. Sowohl in der jetzigen Phase als auch in der Zukunft.

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