Rääde · 12.07.2001 Präimplantationsdiagnostik

Wieder rühren die Perspektiven der neuen Technologien an menschliche Empfindungen. Es geht um die Eltern, die beide die genetischen Anlagen für Erkrankungen schwerster Art in sich tragen und den verständlichen Wunsch nach einem eigenen gesunden Kind hegen. Jedes Wesen das zum Mitgefühl fähig ist kann Leid sehen, dass diese Menschen haben. Es ist nachvollziehbar, dass diese Menschen auf die PID hoffen. Es geht auch um jene Eltern, die auf jeden Fall auf eine künstliche Befruchtung angewiesen sind, um ein Kind zu bekommen. Wenn sie zum Beispiel auf Grund fortgeschrittenen Alters ohnehin ein erhöhtes Risiko einer Behinderung des Kindes haben, wieso ihnen nicht eine PID anbieten statt auf eine spätere Fruchtwasseruntersuchung zu warten? Lieber den Tod im Reagenzglasstadium als die Abtreibung nach mehreren Monaten, oder?

Die Perspektive ist wieder verlockend, aber es drängen sich abermals Fragen der Ethik auf, die für viele schwerer wiegen als der Gewinn durch die PID. Auch bei der Präimplantationsdiagnostik geht es um eine Abwägung. Schwarz-weiß-Malerei zählt nicht. Die Argumente beider Seiten sind plausibel aber nicht mit einander vereinbar.

Zum einen geht es bei den Einwänden um die Auswahl einer von mehreren möglichen befruchteten Eizellen aufgrund einer genetischen Analyse und die Verwerfung des Rests. Bisher gibt es nur so viele Embryonen wie auch für die künstliche Befruchtung verwendet werden. Bei der PID liegt es aber in der Logik des Verfahrens, dass mehr befruchtete Eizellen produziert werden als die Mutter benötigt. Das ist heute noch nicht zulässig.

Zum zweiten muss eine Auswahl unter den Embryonen getroffen werden. Es stellt sich die Frage nach den Auswahlkriterien. Welche Erbkrankheiten sind eine ausreichende Begründung für die Tötung des Lebens? Gerade diese Frage stößt in unserer Gesellschaft an moralische Tabus. Wenn es in Deutschland darum geht, eine Wahl zwischen Individuen oder verschiedenen Gruppen treffen zu müssen, dann wird das Wort „Selektion“ verwendet und der barbarische Geist von Ausschwitz kehrt unter uns zurück. Das belastet solche Entscheidungen ungemein, und es wird Neidvoll zu anderen Ländern geschielt, die viel unbefangener – aber nicht unqualifizierter – solche ethischen Entscheidungen treffen. Aber auch wenn die deutsche Geschichte ausgeblendet wird, gibt es keine Gottgegebenen Kriterien dafür, was lebenswert ist und welche Krankheiten dem Kind oder den Eltern nicht zugemutet werden können. Wer soll die Wahl treffen? Dieses Dilemma scheint so manchem unüberwindlich.

Ebenso wie bei den Stammzellen gibt es auch Gründe die außerhalb des Lebensschutzes für den Embryo liegen. Es wird unter anderem mit guten Gründen befürchtet, dass die Abwahl behinderter Kinder dazu führen kann, dass die gesellschaftlichen Vorstellungen eines normalen Menschen sich einengen und dass Behinderungen als vermeidbare und deshalb nicht akzeptable Mängel und Belastungen gelten werden. Naiv wer glaubt, dass durch die PID nicht auch ein Konformitätsdruck entsteht, der vielen Eltern das Leben schwer machen könnte und die Entscheidung gegen das Kind erzwingt. Zudem ermöglicht PID nicht nur eine negative Auslese sondern auch die positive Wahl bestimmter Merkmale. Naiv ist ebenfalls wer nicht glaubt, dass die Einführung der PID auch solchen Überlegungen den Weg in die Praxis ebnet. Außerdem wird gegen die PID angeführt, dass die Sicherheit des Verfahrens so niedrig ist, dass trotzdem eine Fruchtwasseruntersuchung empfohlen wird.

Letztlich stellt sich die zentrale Frage, ob Eltern wirklich einen moralischen und rechtlichen Anspruch auf ein eigenes gesundes Kind haben können. Dieses gilt umso mehr, als es auch für erblich schwer belastete Paare die Alternative der Adoption gibt.

Die Frage, ob diese Folgen, Nebenwirkungen und Alternativen der PID schwerer wiegen als die Vorteile der PID, ob letztlich der Wunsch der Eltern nach einem eigenen unversehrten Kind schwerer wiegt als bisher gültige ethische Werte der Gesellschaft, diese Frage kann aber wieder nur die Politik beantworten. Letzten Endes gilt für die Präimplantationsdiagnostik das gleiche, was ich bereits zur Stammzellenforschung gesagt habe. Der SSW meint, dass der Respekt vor der demokratischen Meinungsbildung erfordert, dass wir die Ergebnisse der Enquetekommission und der Ethikkommission in unsere Entscheidungen einbeziehen und dass der Bundesgesetzgeber das letzte Wort haben muss.

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