Rääde · 04.05.2006 Priorität für Erdkabel beim Ausbau der Stromnetze

Trotz immer wieder gegenteiliger Behauptungen ist die Frage „Erdkabel oder Freileitung?“ ein klassisches Beispiel dafür, dass eine private Trägerschaft nicht immer automatisch zu den wirtschaftlichsten und sinnvollsten Lösungen führt. Die privaten Betreiber von Stromnetzen betrachten neue Investitionen immer nur von der kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Seite her. Der Politik hält man immer vor, man würde sich nur für kurze Zeiträume – maximal eine Legislaturperiode – interessieren. Aber unser Beispiel „Erdkabel oder Freileitung?“ zeigt, dass die freie Wirtschaft ebenfalls in solchen kurzen Zeiträumen denkt. Ich bin sogar überzeugt, dass das kurzfristige - nicht nachhaltige - Denken in der freien Wirtschaft noch verbreiteter ist als in der Politik.
Betrachtet man die wirtschaftlichen Aspekte der Frage nach „Erdkabel oder Freileitung?“, so ist klar, dass die kurzfristige reine Investitionsrechnung für die Freileitungsvariante spricht. Betrachtet man die Investition aber längerfristiger, so erkennt man, dass sich die Investition in ein Erdkabel über längere Sicht dann doch lohnt. Das Erdkabel ist in der Unterhaltung deutlich preiswerter und da diese Anlagen eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten haben, ist eine Betrachtung über mehrere Jahrzehnte auch zulässig. Unter dieser Prämisse wird deutlich, dass Erdkabel die günstigere Variante sind. Sie verursachen weniger Unterhaltungskosten und sie sind auch weniger störungsanfällig.

Es ist nach heutigen Maßstäben unverantwortlich, dass ganze Gebiete nach Unwettern ohne Strom dastehen, nur, weil Freilandleitungen durch diese Unwetter zerstört werden. Mit Erdkabeln wäre dies, was wir kürzlich erlebt haben, so nicht möglich gewesen. Erdkabel tragen somit in erheblicher Weise auch zur Versorgungssicherheit bei. Auch diesen Aspekt müssen die privaten Träger der Strominfrastuktur mit berücksichtigen, wenn sie über solche Investitionen nachdenken. Hier haben die Stromriesen eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, der sie nachkommen müssen und der sie auch nachkommen können. Auch das kurzfristige wirtschaftliche Argument zählt nicht, wenn man betrachtet, welche Gewinne die Stromriesen erwirtschaften.

Ich glaube nicht, dass langfristig Mehrkosten für die Stromriesen entstehen. Deshalb sehen wir den dritten Absatz im Antrag mit gemischten Gefühlen. Natürlich ist es gut, dass möglichst die Mehrkosten auf die Netznutzungsentgelte umgelegt werden können. Allerdings wird es dann notwendig sein, genaue Kriterien festzulegen, nach denen diese Kosten zu berechnen sind. Nur bei einer längerfristigen Betrachtungsweise darf ein solcher Aufschlag möglich sein. Die Stromriesen würden sonst auch diesen Passus nur wieder dazu nutzen, um die Strompreise in die Höhe zu treiben. Deshalb müssen genaue Regeln diese zukünftige Vorschrift untermauern. Wir meinen, dass nicht nur die Umlage von Mehrkosten festgeschrieben werden sollte, sondern auch die Pflicht zum vorrangigen Ausbau mit Erdkabeln festgelegt werden muss. Und dass verpflichtend festgelegt werden muss, dass die Vergleichsberechnungen zwischen Erdkabel oder Freileitung über einen längeren Betrachtungszeitraum zu erfolgen haben. Dabei müssen auch zukünftige Unterhaltungskosten und die möglichen Zusatzkosten bei Schäden durch Unwetter mit berücksichtigt werden. Wenn dies geschähe, hätten wir eine faire Berechnung und ich wäre mir sicher, dass wir nicht nur fächendeckend Erdkabel bekommen würden, sondern dass diese Lösung für den Kunden auch noch preiswerter wäre.
Aber auch der Umweltaspekt ist natürlich nicht außer Acht zu lassen. Mir ist schon klar, dass dieser Aspekt heutzutage immer wieder mit scheinbaren wirtschaftlichen Argumenten vom Tisch gewischt wird. Aber trotzdem bleibt es richtig, dass Umweltgesichtspunkte – die ebenfalls klar für die Erdkabel sprechen – eine Berechtigung haben. Und langfristig sind die Schäden und die Kosten, die eine mangelnde Berücksichtigung von Umweltaspekten verursachen, immer noch höher als ohne diese Betrachtung und deshalb trägt die Berücksichtigung von Umweltaspekten auch zu einer Minimierung der gesellschaftlichen Kosten bei. Ein privates Unternehmen, wie ein Stromunternehmen, wird dies natürlich nicht so sehen, wie wir hier. Aber trotzdem ist dies die einzig richtige Betrachtungsweise. Die Stromversorgung dient der Daseinsvorsorge für die Menschen. Die Infrastruktur für die Stromversorgung ist damit ein Teil dieser Daseinsvorsorge. Leider haben wir als Politik keinen direkten Einfluss auf diesen Teil der Daseinsvorsorge, aber der langwierige Streit um „Erdkabel oder Freileitung?“ soll uns zeigen, dass die Wahrnehmung von solchen Funktionen durch Private eben doch nicht immer die beste Lösung ist. Es wäre gut, wenn wir dies bei zukünftigen Privatisierungsabsichten berücksichtigen würden.

Im Norden unseres Landes haben wir aber darüber hinaus noch eine besondere Situation. Dort sind die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Kabeltrasse geschaffen, wenn man sich nach dem Wunsch der Bevölkerung nach einem Erdkabel richten würde. Tut man dies nicht, so muss man sich auf jahrelange berechtigte Klagen der Betroffenen einstellen, die das Projekt um Jahre zurückwerfen können. Das wiederum würde das Ziel, den Anschluss von Stromproduzenten zu verbessern, konterkarieren. Hier hat insbesondere die Landesregierung die Aufgabe, den Stromriesen EON kurzfristig dazu zu bewegen, auf eine sichere und schnelle Variante umzuschwenken. Und das kann nur das Erdkabel sein.

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