Rääde · 23.11.2022 Rassismus tötet

 „Das Gedenken an Bahide Arslan, Yeliz Arslan und Ayşe Yilmaz ist nicht abgeschlossen. Und der Auftrag an uns als Gesellschaft ist es auch nicht.“

Lars Harms zu TOP 58 - Gedenken an die Brandanschläge in Mölln vor 30 Jahren (Drs. 20/417)

Wir gedenken heute der Brandanschläge in Mölln vor 30 Jahren. Am 23. November 1992 warfen dort zwei Neonazis Brandsätze in zwei Häuser. Bei diesen Brandanschlägen kamen drei Menschen ums Leben und neun wurden schwer verletzt. Bahide Arslan, Yeliz Arslan und Ayşe Yilmaz starben. Yeliz und Ayşe waren noch Kinder. Ihre Großmutter starb, als sie versuchte, sie zu retten. 

Die Neonazis, die in dieser Nacht mordeten, haben sich noch in der Nacht der Anschläge zu ihren Taten bekannt. Sie selbst haben bei der Polizei und Feuerwehr angerufen und ihre Nachrichten mit „Heil Hitler!“ beendet. Und trotzdem berichten die Hinterbliebenen, die Überlebenden der Anschläge, dass die Hintergründe dieses Verbrechens mal hinter vorgehaltener Hand, mal offenkundig in Zweifel gezogen werden. Wir kennen es auch aus den Ermittlungen des NSU, dass im Umfeld der Familie ermittelt wurde. Sie kennen die Worte des Überlebenden Ibrahim Arslan. Er beschreibt das als den zweiten Anschlag. Ein zweiter Anschlag, der die Überlebenden nach den Morden ein zweites Mal traumatisiert. Dann, wenn eine Täter-Opfer-Umkehr stattfindet, wenn Familienmitglieder der Ermordeten sich auf einmal verteidigen und erklären müssen. Dann, wenn das Erinnern in Frage gestellt wird und „es auch mal gut sein soll“. Aber es wird nicht gut. Die Trauer hört nicht auf und deswegen darf auch das Erinnern nicht aufhören.

Ibrahim Arslan war sieben Jahre alt, als seine Schwester, seine Cousine und seine Großmutter umgebracht wurden. Er sagt: „Nichts ist abgeschlossen.“ Und er hat recht. Deswegen stehen wir heute hier und erinnern gemeinsam an die Opfer der Anschläge. Die Anschläge von Mölln sind eines der prägendsten Ereignisse unserer Landesgeschichte. Sie waren der erste rassistische Anschlag im wiedervereinten Deutschland, bei dem Menschen getötet wurden. Und sie mahnen, dass Nazis morden, wenn man sich ihnen nicht in den Weg stellt. Sie mahnen, dass Rassismus tötet. 

Ich bin und ich denke wir alle sind sehr dankbar für die Erinnerungsarbeit, die die Familie Arslan leistet. Es ist gut und richtig, dass der Landtag hier ein Zeichen setzt. Vor allem auch, wenn wir nicht nur Mitgefühl versichern, sondern auch von politischer Seite immer wieder klar machen müssen, dass wir als wehrhafte Demokratie mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen Rechtsextremismus und Rassismus kämpfen müssen. Immer und immer wieder. Und deswegen ist es an uns, Rechtsradikalismus im Kleinen wie im Großen zu bekämpfen. Das wird immer eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft bleiben. Wir als gewählte Politikerinnen und Politiker haben eine politische Verantwortung. Wir müssen Aufklärungsarbeit ermöglichen, Behörden schulen, Erinnerungsorte aufrechterhalten und aktiv gegen Rassismus und Diskriminierung arbeiten. Wir als SSW stehen weiterhin auch hinter dem Landesaktionsplan gegen Rassismus und hinter den guten Initiativen der letzten Jahre, die die demokratischen Parteien gemeinsam beschlossen haben. Für Demokratie und gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Terror. Aber es ist einfach etwas anderes, das als Familienmitglied zu tun. Als Überlebende und Hinterbliebene. 

Ich habe mir einmal die Debatte durchgelesen, die am 27. November 1992 im schleswig-holsteinischen Landtag geführt wurde. Damals standen die demokratischen Parteien zusammen gegen die DVU. Aber es ist noch nicht lange her, dass auch in diesem Parlament wieder Rechtsradikale, diesmal die AfD, saßen. Ich möchte an die damaligen Worte von Karl Otto Meyer erinnern. Er beschrieb, dass auch in dunklen, angstvollen und trostlosen Momenten das Licht wieder entflammt, dass Wärme wieder emporsteigt. Das habe man spüren können durch die Solidarität der Bevölkerung, die vielen Initiativen aus der Jugend, aber auch aus Kreisen der Älteren, aus allen Schichten der Bevölkerung. Meine Hoffnung ist, dass die Überlebenden der Anschläge das auch heute spüren. Dass sie spüren, dass sich überall im Land Menschen hinter ihnen versammeln, wenn Mahnwachen gehalten werden, öffentliche Gespräche stattfinden und auch über Verantwortlichkeiten geredet wird. Das Gedenken an Bahide Arslan, Yeliz Arslan und Ayşe Yilmaz ist nicht abgeschlossen. Und der Auftrag an uns als Gesellschaft ist es auch nicht. 

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